22. Januar 2016
Vogelsterben durch PCB
Frankreich fordert Regulierung hormonaktiver Chemikalien
Weltweit wurden rund 1,3 Millionen Tonnen Polychlorierte Biphenyle (PCB) produziert. Die giftigen „Alleskönner“ kamen in Elektrogeräten, Dichtungsmassen, Farben und Bodenbelägen zum Einsatz. Die Entsorgung dauert Jahrzehnte und kostet Milliarden. Die Hersteller, vor allem MONSANTO und BAYER, wälzen die Kosten auf die Allgemeinheit ab. Erste Versuche, die Firmen für ihr toxisches Erbe haftbar zu machen, scheiterten.
Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass PCB auch für den starken Rückgang der Populationen von Zugvögeln verantwortlich sind. Christy Morrissey von der kanadischen Saskatchewan-Universität erforscht, wie hormonell wirksame Stoffe wie PCB auf Vögel einwirken. Jungen Versuchstieren wurden unterschiedliche Dosen PCB verabreicht – alle lagen unter dem festgelegten Grenzwert, waren also angeblich ungefährlich.
Gegenüber dem Deutschlandfunk äußerte Morrissey: „Die Vögel, die wir damit in Kontakt brachten, waren nicht fähig, beim Flug die richtige Richtung anzusteuern. Ihr Orientierungssinn war völlig verwirrt. Vielfach zeigten sie Monate nach der Fütterung mit der Chemikalie weitere Symptome: Räumliche Aufgaben lösten sie weitaus schlechter als andere Vögel, die keinen Chemikalien ausgesetzt waren. Bei ihrer Mauser traten Probleme auf. All dies beeinträchtigt ihre Fähigkeit, erfolgreich den Wanderflug anzutreten.“
Die französische Behörde ANSES, die für die Sicherheit von Lebensmitteln und Umwelt zuständig ist, fordert nun eine Regulierung der Stoffe. ANSES-Experte Gérard Lasfargues: „Wir verfügen nun auch über Studien mit Menschen. Und die bestätigen die Wirkungen der hormonell wirksamen Stoffe, die schon beim Tier sehr deutlich aufgezeigt wurden.“
Schon Ende 2013 hätte die EU-Kommission eine Definition chemischer Stoffe, die störend in das Hormonsystem eingreifen können, erstellen sollen. Der Verzug brachte der EU-Kommission kürzlich eine Rüge des Europäischen Gerichts wegen Verschleppung ein. Dennoch erklärte die EU-Kommission gestern in einer Stellungsnahme, man habe nicht vor, die Vorgehensweise zur Erstellung von Kriterien zu hormonell wirksamen Chemikalien zu beschleunigen.
Dabei hat auch die französische Umweltministerin Ségolène Royal die EU-Kommission aufgefordert, das Regulierungsverfahren schnell voran zu bringen. Royal lässt derzeit von der ANSES 20 Chemikalien untersuchen, die entsprechend verdächtigt werden. Initiativen, die Andreas Kortenkamp sehr begrüßt. Der Professor für Humantoxikologie an der Brunel-Universität in London erstellte 2011 für die EU-Kommission einen Bericht zu hormonell wirksamen Stoffen. „Leider gibt es in Deutschland kein nationales Forschungsprogramm, was mit dem in Frankreich vergleichbar ist. Es gibt wenig Initiativen. Und es ist auch im politischen Raum bisher auf der europäischen Ebene wenig zu erkennen, welche Initiativen die deutsche Regierung hier unternimmt, um die Regulierung von Endokrinen Disruptoren voranzutreiben auf Kommissions-Ebene“, so Kortenkamp gegenüber dem Deutschlandfunk.
Chemikalien wie PCB finden sie sich nahezu überall in der Natur – in der Tiefsee ebenso wie in der Arktis. Traurige Berühmtheit erlangten kanadische Eskimos, die unter einer Giftkonzentration leiden, die der von Opfern großer Chemie-Unglücke vergleichbar ist – in einer Weltgegend, in der die Substanzen nie großtechnisch eingesetzt wurden. PCB besitzen eine hohe Fettlöslichkeit und reichern sich daher in der Nahrungskette an.
Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Hersteller, vor allem die Firmen Monsanto und Bayer, haben die Gefahren von Polychlorierten Biphenylen jahrzehntelang vertuscht. Damit tragen sie Mitverantwortung für Umweltschäden und Tausende von Vergiftungsfällen. Es wird höchste Zeit, dass die Produzenten für die ungeheuren Sanierungs- und Behandlungskosten haften.“