Die Unternehmen MONSANTO und BAYER waren die größten Produzenten hochgiftiger PCB. Bis heute müssen sich die Konzerne nicht an den horrenden Entsorgungskosten beteiligen (siehe Kampagne). Nun droht eine Vergiftung des Grundwassers im Ruhrgebiet.
PCB im Bergwerk: Verdünnt und verharmlost?
Rund 12.500 Tonnen hochgiftiges PCB lagern in deutschen Steinkohlebergwerken. Nach Meinung von Experten bedrohen sie auch das Trinkwasser. Denn die niedrigen Messwerte der Ruhrkohle AG könnten auf einem simplen Trick beruhen.
6. März 2015 — 2018 ist Schluss mit dem Steinkohleabbau in Deutschland. Bis dahin will der Bergbaukonzern RAG das Grubenwasser in den Zechen nicht mehr wie bisher abpumpen, sondern langsam ansteigen lassen. „Aber immer mit einem großen Abstand zum Trinkwasser“, versichert die Ruhrkohle AG (RAG). Umweltschützer sind alarmiert, denn in den Stollen lagern tausende Tonnen krebserregende Polychlorierte Biphenyle (PCB). „Die Wasserströme werden das giftige PCB früher oder später zu Tage fördern“, davon ist der Wasserexperte Harald Friedrich überzeugt. Friedrich war Mitte der 90er Jahre und noch einmal 2003 bis 2006 Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium. Er befürchtet eine ökologische Katastrophe.
RAG: Keine Gefahr für das Grundwasser
Die Ruhrkohle AG (RAG) bestreitet nicht, dass PCB in die Gewässer geleitet wird, aber die Messwerte seien so gering, dass es „keine Gefahr für Mensch, Tier, Umwelt oder gar Trinkwasser gibt“. Das Grubenwasser, das sich in den stillgelegten Stollen ansammelt oder abgepumpt wird, werde mindestens einmal im Quartal durch unabhängige Messinstitute untersucht: „Überall liegen die PCB-Belastungen unterhalb der Nachweisgrenze“.
Bis Mitte der 80er Jahre sind im deutschen Steinkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen und im Saarland rund 12.500 Tonnen PCB eingesetzt worden. Damals ahnte noch niemand, dass es gesundheitsschädigend ist. Im Gegenteil: Nach einem schweren Grubenunglück in Belgien – im Jahr 1956 – setzte man die schwer entflammbare Chemikalie aus Sicherheitsgründen in Hydrauliköl oder anderen Flüssigkeiten unter Tage ein. Gerade einmal für 20 Tonnen davon liegen Papiere vor, die eine ordnungsgemäße Entsorung dokumentieren. Der Rest – 98 Prozent – liegt noch immer irgendwo in der Tiefe. „Das PCB-Öl ist in den Stollen diffus ausgetragen worden und durch Leckagen im Erdreich versickert“, betont Joachim Löchte, bei der RAG verantwortlich für Umwelt und Gesundheit. Der Gravitation zufolge bleibe das PCB so oder so unter Tage. Denn „die Chemikalie verbindet sich mit den Schwebstoffen im Wasser und die sind schwerer als das Wasser und fallen nach unten“. Auch die undurchlässigen Tonschichten würden einen Aufstieg des PCB verhindern.
Kamp-Lintfort: Grenzwert um das 80-fache überschritten
Soweit, so gut. Doch der Schein trügt, meint der ehemalige Abteilungsleiter des NRW-Umweltministeriums Harald Friedrich: Ein Bergwerk sei ständig in Bewegung. „Es ist Quatsch, dass die Tonschichten oder das salzhaltige Grubenwasser das PCB unten halten.“ An einem Kanal bei Kamp-Lintfort, der Fossa Eugeniana, waren die PCB-Konzentrationen im Jahr 2004 schon einmal besorgniserregend hoch. Die Werte lagen hier bei 1600 Mikrogramm PCB pro Kilogramm. Das ist 80 Mal so hoch wie erlaubt. „Auch an anderen Stellen war der Grenzwert von 20 Mikrogramm überschritten“, sagt Friedrich, dem die Analysen vorliegen. Die Fossa Eugeniana sei ein kleines Gewässer und weil dort damals „mehr Grubenwasser eingeleitet wurde, konnte dort auch mehr PCB gemessen werden“: Für die RAG liegen diese Messwerte weit in der Vergangenheit, man habe reagiert und an diesen Stellen gezielt saniert – jetzt liegen die Belastungen wieder unter dem Grenzwert.
PCB wird mit Millionen Kubikmetern Wasser verdünnt
2004 hatte noch jedes Bergwerk sein eigenes Wassersystem, in dem die RAG das Grubenwasser hochpumpte. Dann genehmigt die Bergaufsicht – die in NRW dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist – den RAG-Antrag, diese Wasserströme unterirdisch zusammenzulegen. Das Grubenwasser fließt nun unter Tage über mehrere Kilometer zu zentralen Sammelstellen und wird von dort aus in den Rhein geleitet – jährlich hebt die RAG rund 80 Millionen Kubikmeter Wasser. „In diesen Wassermassen ist das PCB nicht mehr nachweisbar, das Gift vermischt sich mit dem Wasser und wird einfach verdünnt“, meint Friedrich. Diese Form von Abfallentsorgung ist seiner Ansicht nach nicht ordnungsgemäß. „Ich kann doch auch nicht an den Rhein fahren und dort meinen Ölwechsel machen und im Nachhinein sagen, die paar Liter Öl, das verdünnt sich.“ In Deutschland gebe es kein Umweltgesetz, das das Verdünnen von Schadstoffen erlaube. Friedrich fordert, das Wasser vor der Einleitung in die Flüsse zu filtern. Aber dafür müsse die RAG vermutlich zu viel Geld auf den Tisch legen.
Ewigkeitsaufgabe: Das Grubenwasser muss hoch gepumpt werden
Im Moment kostet das Abpumpen der Schächte die RAG Millionen: jeder Kubikmeter Wasser rund einen Euro. Doch dort, wo sich der Bergbau zurückzieht, will sie das Grubenwasser in Zukunft ansteigen lassen. Die RAG will dabei zwischen Trink- und Grubenwasser etwa 150 Meter Abstand lassen, um eine Gefahr durch Schadstoffe wie PCB auszuschließen. Weniger Wasser zu pumpen soll die Folgekosten des Bergbaus verringern. Doch komplett einstellen kann die RAG das Abpumpen nie, denn sonst würde das Ruhrgebiet schlicht und ergreifend absaufen – es ist eine Aufgabe für die Ewigkeit. Und das Zusammenfließen der Grubenwasser samt der von Friedrich kritisierten „verdünnten Abfallentsorgung“ ist auch nicht mehr rückgängig zu machen. Nun lässt die Landesregierung den weiteren Plan der RAG prüfen, das Grubenwasser ansteigen zu lassen.
Haftet am Ende der Steuerzahler für die Altlasten?
Die Opposition in NRW sieht die Pläne der RAG kritisch: „Ich erwarte von der Bergaufsicht, das sie das Grubenwasserkonzept der RAG überdenkt“, sagt der CDU-Abgeordnete Josef Hovenjürgen. Die rot-grüne Landesregierung hat derweil ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll, welche Stoffe unter Tage lagern und welche Gefahren von ihnen ausgehen. Ende März sollen erste Untersuchungen vorliegen. Doch die RAG könnte ein Interesse haben, die Entscheidungsprozesse in die Länge zu ziehen. Denn nach 2018 trägt nicht mehr der Bergwerkkonzern, sondern eine Stiftung die Verantwortung. Sollten dieser dann die Gelder für eine ordnungsgemäße Entsorgung oder gegebenenfalls Filteranlagen fehlen, dann haften das Land NRW und der Bund – und damit am Ende der Steuerzahler.