heise online, 12. Oktober 2015
Brisanter Vermerk: Europäisches Patentamt soll Großkunden wie Microsoft bevorzugen
Das Blog „Techrights“ hat ein internes Memo des Europäischen Patentamts veröffentlicht, wonach das Europäische Patentamt zunächst zehn großen Antragstellern in einem Pilotprojekt einen „besseren Service“ bieten will.
Das Europäische Patentamt (EPA) möchte bestimmte Partner mit einem besseren „Esprit de Service“ bevorzugt behandeln und so stärker an sich binden. Dies geht aus einem internen Aktenvermerk vom Februar hervor, den „Techrights“ am Montag im Wortlaut veröffentlicht hat. In einem Pilotprojekt sollen demnach zunächst zehn wichtige Antragsteller für ein Jahr von verbesserten Dienstleistungen profitieren.
Auf der Vorschlagsliste für die Konzerne, die für den Testlauf ab April auserkoren wurden, stehen Microsoft, Canon, Siemens Philips, Qualcomm, BASF, Bayer, Ericsson & Fujitsu. Ob auch der südkoreanische Konzern Samsung und der chinesische Netzausrüster Huawei einbezogen werden sollten, stand zunächst noch zur Diskussion.
Die größten Antragssteller
Die Unternehmen gehörten 2013 zu den größten Antragstellern aus verschiedenen technischen und geographischen Gebieten, heißt es zur Begründung. Die Spannbreite reiche von 600 Patentersuchen bei Microsoft bis zu 2833 durch Samsung. Viele der Unternehmen seien aufgrund der „Stärke der bestehenden Kontakte“ ausgewählt worden, was die „schnelle Umsetzung“ des Pilotvorhabens erleichtern werde. Geplant ist, das Projekt in der zweiten Hälfte 2016 um weitere Partner zu erweitern.
Von der verbesserten Kooperation erhofft sich die derzeit von mehreren Skandalen erschütterte Münchner Behörde einen effizienteren Ressourceneinsatz, technisches Training und eine höhere „Produktion“. Es solle auch möglich werden, gezielter auf Patentanträge zu reagieren mit speziellem Personal und den Arbeitsaufwand besser vorherzusagen. Insgesamt gehe es darum, sich besser zu koordinieren und abzusprechen.
VIP-Behandlung?
Dem Dokument zufolge kommt die Initiative aus dem Bereich des Patentamts, der für Informations- und Kommunikationstechnologien zuständig ist. Von dort sei zu hören gewesen, dass sich Microsoft über 450 Anträge beklagt habe, die offenbar auf Eis gelegen hätten und nicht weiter bearbeitet worden seien. Auch Canon habe auf eine vergleichbare Liste von Anmeldungen verwiesen, die als „deutlich verspätet“ eingeschätzt worden seien. Man habe dann begonnen, sich des Rückstaus anzunehmen und dabei auch spezielle Felder von Siemens etwa für Windturbinen und Unterseeverbindungen mit einbezogen.
Dem Techrights-Blogger Roy Schestowitz erscheint das Vorgehen in vielerlei Hinsicht mehr als fragwürdig. Zum einen verhalte sich das EPA mehr und mehr nicht wie eine zwischenstaatliche Behörde, die sich dem öffentlichen Dienst verschrieben hat, sondern wie ein Unternehmen. Zum anderen sei nicht nachvollziehbar, wieso gerade viele außereuropäische Konzerne von der „VIP-Behandlung“ profitieren sollten. Eine Stellungnahme der EPA auf Anfrage von heise online steht zur Stunde noch aus.
Update 13.10.2015
Ein Sprecher des Patentamts bestätigte gegenüber heise online am Dienstag die Echtheit der geleakten Gesprächsnotiz. Er betonte aber, dass das das nach einer Beschwerde von Microsoft vorgeschlagene und inzwischen probeweise umgesetzte Programm „im Rahmen der ganz normalen Amtspraxis“ erfolge und vom Grundsatz der Gleichbehandlung nicht abgewichen werde.
Seit Mitte 2014 stehe allen Antragstellern und sogar Dritten ein neues Verfahren mit dem Titel „Early Certainty from Search“ zur Verfügung, mit dem sie kostenlos Prioritäten festsetzen könnten, welche laufenden Anmeldungen zunächst beschleunigt begutachtet werden sollten. Die entsprechenden Abläufe würden insbesondere mit den zehn ausgewählten Konzernen getestet, da mit diesen bereits besonders enge Kontakte bestanden hätten. (axk)