CBG zum Kongress „Das Elend der Verschickungskinder“
Auch BAYER steht in der Verantwortung
Am kommenden Donnerstag beginnt auf der Insel Borkum der Kongress „Das Elend der Verschickungskinder“. Zu diesem Elend, das die Kinder während ihrer mehrwöchigen Aufenthalte in den Kurheimen erleiden mussten, gehörte neben vielem anderem auch die Ruhigstellung mit BAYER-Arzneien. Zudem dienten die Minderjährigen dem Pillen-Riesen als Versuchsobjekte für Pharmazeutika. Darum sieht die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) das Unternehmen in der Verantwortung. „Der BAYER-Konzern hat zum Leid der Verschickungskinder beigetragen. Er steht deshalb in der Pflicht, sein damaliges Handeln aufzuarbeiten und sich etwaigen Schadensersatzansprüchen der Betroffenen zu stellen“, konstatiert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.
Acht bis zwölf Millionen Kinder und Jugendliche durchliefen schwerpunktmäßig in den 1950er bis 1970er Jahren Kuren im „Seehospiz ‚Kaiserin Friedrich’ Norderney“ und anderen Einrichtungen. Wobei die Gründe für die Verschickung variierten, sie reichten von konkreten medizinischen Indikationen bis hin zu mehr oder weniger vagen Motiven wie Erholungsbedürftigkeit, Entwicklungsrückstände oder „Milieuschäden“. Fast alle Häuser jedoch unterwarfen ihre Schützlinge einem unerbittlichen Regime aus körperlicher und psychischer Gewalt. So wurden Untergewichtige zur Nahrungsaufnahme gezwungen, und wenn ihnen der Mageninhalt wieder hochkam, mussten sie auch noch ihr Erbrochenes essen.
Die Verabreichung von sedierenden Medikamenten gehörte ebenfalls zum Reservoir. Dabei fanden nicht zuletzt Mittel des Leverkusener Multis Verwendung. Sein ATOSIL bekamen schon Dreijährige, ungeachtet der Tatsache, dass die Zulassung nur für Erwachsene mit einer diagnostizierten neurologischen Störung galt. Sogar junge AsthmatikerInnen erhielten ATOSIL-Gaben, obwohl diese Erkrankung eigentlich ein Ausschluss-Kriterium für die Anwendung darstellt. Dementsprechend verursachte das Präparat bei nicht wenigen Verschickungskindern Langzeit-Schäden, die eine Frühverrentung unvermeidlich machten. Die Epilepsie-Arzneien LUMINAL und LUMINETTEN nutzten die Kurheime ebenfalls zu dem, was einige WissenschaftlerInnen „unsichtbare Fixierung“ nennen. Damit nicht genug, führten MedizinerInnen dort auch Pharma-Tests durch. So erprobte etwa Dr. Walter Goeters im Seehospiz von Norderney BAYERs Entwurmungsmittel UVILON an 42 jungen ProbandInnen.
„Schon in Kinder- und Jugendpsychiatrien gab BAYER bis weit in die 1960er Jahre hinein Arznei-Tests in Auftrag, bevorzugt mit Heimkindern als Versuchskaninchen. Auch LUMINAL & Co. hatten sie ohne Ende zu schlucken. Darum wundert es nicht, dass der Konzern auch einen Beitrag zu der schwarzen Pädagogik leistete, die damals in den Verschickungsheimen grassierte und bis teilweise bis heute fortdauert, wie der Fall ‚Winterhoff’ zeigt“, so Marius Stelzmann abschließend.