Kooperation von BAYER und National Geographic
Trinkwasserschutz: Den Bock zum Gärtner gemacht
250.000 Euro zur Erforschung des Trinkwasserschutzes stellen der BAYER-Konzern und National Geographic zu Verfügung. Mit dem Griff in die Portokasse gelingt es dem Unternehmen einmal mehr, sich als „Partner für den Umweltschutz“ zu präsentieren. Risikoreiche BAYER-Produkte werden im Rahmen des Projekts selbstredend nicht untersucht – und National Geographic gibt sich auch auf Nachfrage als willfähriger Konzernbüttel.
von Philipp Mimkes
„Greenwashing“ heißt die Strategie großer Firmen, sich durch Musterprojekte und Spenden in´s rechte Licht zu rücken. Gerade Bereiche, in denen das betreffende Unternehmen in der Kritik steht, sollen hierdurch positiv besetzt werden: McDonald´s fördert Programme gegen Fettleibigkeit von Kindern, Shell baut ein Solarkraftwerk, Chiquita finanziert Projekte zur Artenvielfalt, und BP macht sich – vorgeblich – für den Klimaschutz stark.
Zu den Meistern des Greenwashings gehört der Leverkusener BAYER-Konzern. Bereits in den 70er Jahren lautete das Motto des Unternehmens „Bayer forscht für den Umweltschutz“, das Logo der Firma war ein grünes Blatt. Das funktionierte so lange, bis der Konzern 1983 vor dem Rotterdamer Wassertribunal wegen fortwährender Wasserverschmutzung verurteilt wurde. Die niederländische Regierung drohte, den Slogan „Bayer forscht für den Umweltschutz“ wegen Irreführung zu verbieten, weswegen BAYER das Logo vorsichtshalber ganz ausmusterte.
Auch bei der Schaffung von Musterprojekten ist BAYER führend: So führt der massenhafte Einsatz des Tierantibiotikums BAYTRIL zur Vermehrung resistenter Keime – kein Problem: BAYER zieht zwar nicht das Präparat vom Markt, startet aber das „Aktionsprogramm Libra gegen die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen“ und finanziert jedes Jahr einige Konferenzen zum Thema. BAYER steht in der Kritik, weil der Konzern aus Kostengründen die Tropenforschung einstellt – das Unternehmen spendet Medikamente an die WHO. Altpestizide des Konzerns bedrohen Millionen Menschen in Ländern des Südens – BAYER beteiligt sich öffentlichkeitswirksam an der Sanierung eines (!) Pestizidlagers in Pakistan. BAYER-Präparate infizierten Tausende Bluter mit HIV – der Konzern wird wichtigster Finanzier von Hämophilie-Tagungen. BAYER-Pestizide vergiften Tausende von Landarbeitern – das Unternehmen verkauft zwar weiter hochtoxische Uralt-Gifte, startet aber Schulungsprogramme in ausgewählten brasilianischen Plantagen.
Beinahe täglich präsentiert BAYER weitere solcher sogenannten „best practice“-Projekte. Sie haben gemein, dass sie wenig bis nichts kosten, an den strukturellen Problemen nichts ändern – und laut in die Welt posaunt werden.
Besonders wertvoll sind dabei „glaubhafte Partner“. So kommt es, dass BAYER das Jugendumweltprogramm der UN-Umweltbehörde UNEP fördert, zahlreiche Kooperationen mit Universitäten eingegangen ist, dem Global Compact der Vereinten Nationen beigetreten ist, unlängst den katholischen Weltjugendtag in Köln unterstützte und sogar Umweltverbände fördert. Die Projekte kosten maximal einige zehn- bis hunderttausend Euro, „peanuts“ für einen Konzern mit 30 Milliarden Euro Umsatz. Zumal BAYER seine Steuerlast in den vergangenen Jahren durch „kreative Buchhaltung“ um Milliardenbeträge gedrückt hat – ein Vielfaches aller jemals getätigten Spenden.
„Wasser für die Welt“
Aktuellstes Beispiel der endlosen Liste substanzloser goodwill-Aktionen ist der Global Exploration Fund, mit dem „Arbeiten von international tätigen deutschsprachigen Wissenschaftlern gefördert werden sollen, die sich mit der Erschließung neuer Wasservorkommen, mit der Verteilung von Wasser und dem schonenden Umgang mit diesem Rohstoff beschäftigen.“ Ausgestattet ist der Fonds mit 250.000 Euro, Partner des Konzerns ist die Zeitschrift National Geographic Deutschland (NGD).
NGD stellte den Fonds ausführlich in seiner Juli-Ausgabe vor, hinzu kamen Anzeigen in großen Tageszeitungen und dem SPIEGEL, eine gemeinsame Pressemitteilung sowie die Verbreitung der 24-seitigen Broschüre „Wasser für die Welt“. Vier Seiten der Broschüre sind der Konzernpropagande vorbehalten – eine einseitige Anzeige der BAYER-Pestizidabteilung, ein Interview mit Vorstandsmitglied Udo Oels sowie zwei Seiten mit Berichten über Musterprojekte des Konzerns in aller Welt. Nicht anders sieht es auf der homepage von National Geographic aus: „Gesundheit, Landwirtschaft, Materialforschung – drei Forschungsfelder, in denen sich die Bayer AG als ‚Erfinder-Unternehmen‘ profiliert. Soziales Engagement und Einsatz für die Umwelt inklusive“, heißt es dort ehrerbietig.
Eine vergleichbar wirksame Werbekampagne wäre für den Konzern in jedem Fall wesentlich teurer geworden. National Geographic wurde dabei nicht zufällig als Partner ausgewählt; das Magazin ist ein bevorzugtes Medium für „Umwelt-PR“ und bei der Auswahl seiner Partner nicht wählerisch. Berühmt wurde eine Anzeigenserie von SHELL in National Geographic, in der das Unternehmen mit dem Schutz eines Korallenriffs warb. Während die Kampagne mehrere Millionen kostete, belief sich die jährliche Unterstützung des Projekts auf ganze 5.000$. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker Beirat von NGD ist und zugleich im Aufsichtsrat von BAYER sitzt.
Lobeshymnen auf Brunnenvergifter
In keiner der von NGD vorgelegten Publikationen hingegen wird die Rolle des BAYER-Konzerns als Umwelt- und Wasserverschmutzer dargestellt. Dabei gehört die Firma zu den zehn größten Direkteinleitern Deutschlands – das Unternehmen leitete im vergangenen Jahr rund 760 Tonnen Phosphor, 2.800 to Stickstoff, 1,5 Mio to anorganischer Salze, 73 to Chlororganika und 28 to Schwermetalle in Gewässer ein. Auch der enorme Wasserverbrauch des Konzerns – täglich rund 2,1 Millionen Kubikmeter, das Werk Leverkusen allein erzeugt doppelt so viel Abwasser wie die benachbarte Millionenstadt Köln – bleibt unberücksichtigt.
So überrascht dann auch nicht, dass National Geographic keines der zahlreichen wassergefährdenden Produkte des Unternehmens nennt. Dabei ist BAYER der größte Pestizidhersteller der Welt; langlebige Agrogifte sammeln sich in Grund- und Oberflächengewässern und müssen von den Wasserwerken kostspielig herausgefiltert werden. Jahrelang gehörte BAYER zu den größten PCB-Produzenten – noch Jahrzehnte nach ihrem Verbot finden sich die giftigen Chemikalien in Meeresbuchten und Seen. Und hätte NGD ein klein wenig in die Vergangenheit geblickt, so hätte das Magazin über die Proteste gegen die „Dünnsäureverklappung“ berichten können. Die Blockade des Verlade-Terminals in Leverkusen, an der sich vor 25 Jahren die Coordination gegen BAYER-Gefahren und Greenpeace beteiligten, war einer der Startschüsse der deutschen Umweltbewegung.
Umweltverbände protestieren
Auf Initiative der Coordination gegen BAYER-Gefahren wandten sich Ende Juni deutsche Umweltverbände, darunter der BUND, die Aktionskonferenz Nordsee, der BBU, der Verein zum Schutz des Rheins und das Pestizid Aktions-Netzwerk an National Geographic. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Wir sind der Meinung, dass das sinnvolle Anliegen, Forschung zum Schutz des Trinkwassers zu befördern, durch die Zusammenarbeit mit einem der größten Wasserverschmutzer Deutschlands diskreditiert wird. Fabriken und Produkte des BAYER-Konzerns belasten Grund- und Oberflächenwässer in aller Welt. Sie sollten dem Unternehmen nicht gestatten, dies durch einen Griff in die Portokasse zu kaschieren.“ Die Verbände fordern NGD auf, die Zusammenarbeit mit der Bayer AG einzustellen, da diese Kooperation dem Umwelt- und Trinkwasserschutz schade.
Dem Aufruf schlossen sich auch der Chemiker Prof. Jürgen Rochlitz, Mitglied der deutschen Störfallkommission, und Henry Mathews vom Dachverband Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre an. Peter Willers, Sprecher der Aktionskonferenz Nordsee, appelliert an den Bremer Meeresgeologen Professor Gerold Wefer, der im Auftrag von NGD und BAYER die zu fördernden Projekte auswählt, „Forschung nicht mit schmutzigem Geld aus der Portokasse von BAYER zu finanzieren und sich nicht zu nützlichen Idioten der Chemieindustrie machen zu lassen.“
Sprachrohr des Unternehmens
Eine Reihe von Journalisten begann zu recherchieren, auch einige Abonnenten von NGD richteten kritische Fragen an das Magazin. In der August- und September-Ausgabe greift National Geographic die Kritik jedoch mit keiner Zeile auf. Der Brief der Umweltverbände wird nicht einmal erwähnt – allein ein einziger Leserbrief, in dem einige kritische Fragen gestellt werden, wird abgedruckt.
Die Antwort der Redaktion auf den Offenen Brief kam zwar prompt – machte aber alles noch schlimmer: Chefredakteur Klaus Liedtke verbreitet Unternehmenspropaganda, die sich zum Teil wortgleich auf der BAYER-homepage findet. So „bekenne sich BAYER zu Fehlern der Vergangenheit und sei auf gutem Wege, ein ökologisch verantwortungsbewusst handelndes Unternehmen zu werden“. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hingegen hat in ihrer 25-jährigen Geschichte noch kein einziges Eingeständnis eines Fehlverhaltens vernommen.
Auch verbreitet Liedtke die Zahl von „16 Milliarden Euro, die BAYER für den Bau und Betrieb von Umweltschutzanlagen“ ausgegeben habe – nirgendwo schlüsselt das Unternehmen jedoch auf, wie es zu solchen Zahlen kommt und ob darin nicht auch normale Reinigungs- und Wartungsarbeiten erfasst sind.
Ganz abenteuerlich wird es, wenn Liedtke behauptet, „BAYER konnte dank moderner Recycling-Verfahren den Wasserverbrauch sowie den Ausstoß von Abwasser um bis zu 90% verringern“. Selbst die konzerneigenen Veröffentlichungen geben an, dass der Abwasserverbrauch des Konzerns in den vergangenen zehn Jahren konstant zwischen 2,1 und 2,6 Millionen Kubikmeter pro Tag (!) lag (besonders problematisch dabei: ein Drittel des Wassers stammt aus Bohrungen und Quellen, für die Entnahme von sauberem Grundwasser zahlt BAYER wegen „alter Wasserrechte“ meist noch nicht einmal Gebühren). Woher NGD die Verringerung von 90% nimmt, bleibt ein Rätsel. Und gänzlich naiv argumentiert Liedtke, wenn er auf die Partnerschaft von BAYER mit der UN-Umweltbehörde UNEP verweist, die es „wohl kaum gegeben hätte, wenn sich das Unternehmen nicht gewandelt hätte“.
Hier verweist der eine Konzernbüttel auf den anderen. Die Vereinten Nationen legen – leider – bei der Auswahl ihrer Partner keine noch so niedrige Messlatte an und kooperieren mit Atomkraft-Betreibern, Öl-Konzernen und Chemiekonzernen. Ganz so wie National Geographic Deutschland. Es verwundert denn auch nicht, wenn Chefredakteur Liedtke am Ende seines Schreibens zu dem Schluss kommt, dass „mehr für als gegen eine Kooperation mit BAYER spricht“.
Keine Ergebnisse ohne Druck
Kritische Anfragen von Journalisten oder engagierten Privatpersonen kontert BAYER seit einigen Jahren routinemäßig mit Verweisen auf die Kooperation mit den Vereinten Nationen oder anderen „glaubwürdigen“ Partnern. Hieran zeigt sich noch einmal, dass das vorgebliche Umwelt-Engagement nichts weiter ist als ein Bestandteil des Konzern-Marketings und nur dort betrieben wird, wo Kritik begegnet werden muss. Die Öffentlichkeit und insbesondere die Umweltbewegung ist aufgerufen, diese Aktivitäten als Ablenkungsmanöver zu enttarnen und auf wirkungsvollen Umweltschutz zu beharren. Dieser ist aber weder zum Nulltarif noch durch „freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen“ zu haben, wie das aktuelle Abrücken der Industrieverbände vom Klimaschutz einmal mehr zeigt.