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Mettmannkiez vs. BAYER

Marius Stelzmann

Häuserkampf in Berlin

Der BAYER-Konzern möchte in Berlin die Abriss-Birne schwingen und zahlreiche Häuser zerstören. Doch die Mieter-Innen wehren sich und konnten auch schon Erfolge erzielen.

Von Jan Pehrke

Der BAYER-Konzern plant im Berliner Stadtteil Wedding eine großflächige Vernichtung von Wohnraum. Nicht weniger als 18 Häuser in unmittelbarer Nähe seines Werksgeländes will er abreißen und damit nicht nur 140 Wohnungen, sondern auch noch eine Kindertagesstätte, KünstlerInnen-Ateliers, Gewerbebetriebe und Büroräume dem Erdboden gleichmachen (siehe auch SWB 4/21).

Wegen „nichtwirtschaftlicher Verwertbarkeit“ der Immobilien stellte der Leverkusener Multi den MieterInnen die Kündigung aus. Konkrete Vorstellungen von wirtschaftlicheren Verwertbarkeiten hat der Konzern jedoch nicht. Da gelte es das laufende Bebauungsplan-Verfahren abzuwarten, lässt er verlauten. Der Global Player spricht nur nebulös von einer „Erweiterung der Aktivitäten unseres Unternehmens in Berlin“ und Investitionen in dreistelliger Millionen-Höhe. Natürlich darf da das Arbeitsplätze-Argument nicht fehlen. Um neue Jobs geht es allerdings nicht, BAYER zufolge solle lediglich „die Zukunftssicherheit“ der alten „langfristig und nachhaltig gewährleistet werden“. Wahlweise ist auch von einer Produktionshallen-Modernisierung und dem „Bau von Büro-Gebäuden und deren Vermietung“ die Rede. Und vor zwölf Jahren sollte es noch ein ganzer „Pharma-Campus“ sein. Der sah zwar nie das Licht der Welt, aber das Wohngebäude an der Fennstraße 35-37 musste trotzdem dran glauben. „Das Haus steht im Baufeld – früher oder später wird es abgerissen“, so der Konzern damals.

Bei dem Unternehmen „Kahlschlag“ sieht der Pharma-Riese das Recht auf seiner Seite. „Die betroffenen Gebäude sind planungsrechtlich nicht mehr für Wohnzwecke ausgewiesen“, erklärt er. 1950 hat der Bezirk diesen Teil des Mettmann-Kiezes als Gewerbe-Gebiet deklariert, und acht Jahre später stellte er ihn der – im Jahr 2006 von BAYER übernommenen – Schering AG als Expansionsfläche anheim. Der Stadtentwicklungsstadtrat von Berlin-Mitte, Ephraim Gothe (SPD), verweist zudem noch auf einen Baunutzungsplan von 1960. Und wegen dieser alten Regelungen muss die Aktiengesellschaft jetzt noch nicht einmal einen Sozialplan erstellen und ihre MieterInnen bei der Suche nach neuen Wohnungen unterstützen. Damals gab es solche Vorschriften nämlich noch nicht. „Die Politik hat sich immer schon größte Mühe gegeben, den Global Player zu fördern“, bekennt Gothe resigniert.

Dementsprechend hat sich Protest formiert. „BAYER nimmt billigend in Kauf, die BewohnerInnen in Not und Verzweiflung zu treiben und auf die Straße zu setzen“, empören sich die MieterInnen. Sie „wollen die Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum und die Verdrängung seiner BewohnerInnen nicht so einfach hinnehmen“ und haben sich zur INTERESSENSGEMEINSCHAFT DER BEWOHNERINNEN DES METTMANN-KIEZES zusammenge-schlos-sen, „um gemeinsam Druck auf BAYER und den Bezirk auszuüben“. Es gab schon mehrere Kundgebungen im Viertel, und auch sonst ist da im Moment so einiges los. So prangte eine Zeit lang ein Transparent mit der Aufschrift „Hier werden bezahlbare Wohnungen abgerissen“ an einer Gebäude-Fassade. Die Hausverwaltung verbat sich das jedoch, und BAYER schickte umgehend seinen Werksschutz auf Patrouille durch das Viertel, um „Wiederholungstaten“ zu vermeiden.

Die AktivistInnen verweisen auf die vielen Freiflächen innerhalb des Werksareals, die für eine „Erweiterung der Aktivitäten“ in Frage kämen, und machen – bestärkt noch von dem Unwillens des Konzerns, sein Vorhaben zu konkretisieren – „belastbare Indizien für pure Immobilien-Spekulation“ aus. Auf Alternativen verweist auch der Mieterverein. „Für ein so großes Unternehmen wie BAYER muss es doch möglich sein, die benötigten Flächen in anderer Form als durch Abriss von Wohnhäusern zu generieren“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild. Die MieterInnen-Gewerkschaft Berlin unterstützt die Proteste ebenfalls.

Auch viele LokalpolitikerInnen stellen sich hinter die MettmannkiezlerInnen. Katrin Schmidtberger, die für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, wirft der Stadt Versagen vor. „Senat und Bezirk haben trotz steigenden Defizits an bezahlbarem Wohnraum nichts für den Erhalt der 140 preiswerten Wohnungen unternommen“, konstatiert sie. Ihr Parteikollege Frank Bertermann, Referent für Stadtentwicklung und Wohnen im Berliner Abgeordnetenhaus, drückt es noch drastischer aus: „Menschen sollen aus ihrem Lebensmittelpunkt gerissen werden, und der Senat kümmert sich einen Scheißdreck drum.“ Gothe lässt das nicht gelten und verweist auf die Gesetzes-Lage, die eine nachträgliche Änderung des Planungsrechts ausschließe.

Für den 26. Januar hatte der Bauausschuss des Bezirks BAYERs Werkleiter Stefan Klatt eingeladen. Die BezirksvertreterInnen erhofften, von ihm Näheres über die Zukunftsvorstellungen des Unternehmens zu erfahren. Aber Klatt blieb einsilbig. Der Konzern wollte lieber Taten sprechen zu lassen. Zwei Tage vor der Sitzung sollte ursprünglich ein Abriss-Kommando anrücken und schon mal zwei Häuser plattmachen: Der Multi hatte den Platz als idealen Ort für Bau-Container ausgemacht. „Ein wohnungspolitischer Skandal“, befand Schmidberger. Einstweilen scheiterte das Vorhaben an den BewohnerInnen – tierischen allerdings. „Es gab Hinweise, dass dort Fledermaus-Arten heimisch sind“, erläuterte Christian Zielke vom Bezirk Mitte. Nun muss erst einmal ein Gutachten her.

Ein Teilerfolg, welcher der Initiative noch einmal Auftrieb gab. Anfang März forderte sie in einem offenen Brief an BAYER, den Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel und Ephraim Gothe die Einrichtung eines Runden Tisches in der „Sache“ und ging noch einmal vehement mit dem Unternehmen ins Gericht. „BAYER hat keine vergleichbaren Ersatz-Wohnungen angeboten, sondern insbesondere in den letzten zwei Wochen bei uns Druck und Angst erzeugt durch Drohschreiben und eine unbegründete Strafanzeige. BAYERs Werkschutz überwacht uns täglich von der Tegeler Straße aus. Diese Einschüchterungsversuche hat BAYER mittels Intransparenz und Vortäuschung u. a. von substanziellen Hilfe-Bemühungen (zugunsten von uns MieterInnen) gegenüber Politik und Öffentlichkeit zu verdecken versucht“, heißt es in dem Schreiben. Einmal tagte der Runde Tisch auch schon, allerdings ohne  BAYER-Beteiligung. Der Konzern-Vertreter hatte wegen Krankheit abgesagt.

Der Bezirk will unterdessen die Zulässigkeit eines Abrisses mittels eines Gutachtens prüfen lassen. Die SPD brachte in die Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) zudem einen Antrag ein, der den Bezirk auffordert, „sich dafür einzusetzen, dass (…) die Häuser 2-5 erst dann abgerissen werden, wenn ein neues Projekt für BAYER greifbar wird.“ Damit sehen sich die MieterInnen allerdings nicht vor den Baggern geschützt. Für den Leverkusener Multi sei es ein Leichtes, „eine fiktive Planung per Powerpoint-Skript vorzulegen“, meinen sie und konstatieren: „Die BVV hat mit diesem Beschluss politisch grünes Licht für den Abriss gegeben.“ ⎜

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