gehalten von Marlis Elsen
Ein schlechter Plan, eine mehr als mangelhafte Durchführung, die fehlende Notwendigkeit der höchstgefährlichen Kohlenmonoxid-Pipeline und das nicht nachgewiesene Allgemeinwohl
Bei einem 54 Millimeter großen Loch wird nach Auskunft von Herrn Breuer mit bis zu fünf Tonnen Gasaustritt und einer Gaswolke in Form einer Keule von 800 Metern gerechnet.
Wer sich eine Karte des Kreises Mettmann ansieht, erkennt sehr schnell, dass man beim Bau der Leitung nur an wenigen Stellen den Abstand von 800 Metern zur Wohnbebauung einhalten konnte.
Die Leitung rahmt den Hildener Süden von zwei Seiten mit nur wenigen Metern Abstand von den ersten Häuser ein. Die Entfernung der Häuser in unserer eigenen Siedlung beträgt maximal 400 Meter. Deshalb haben wir Anwohner berechtigte Angst vor dieser Leitung, weil deren Betrieb für uns eine ständige Bedrohung bedeuten würde.
Äußerlich ist zwar bereits Gras über der Leitung gewachsen. Aber zum Glück darf diese Pipeline, in der ein extrem toxisches Gas transportiert werden soll, auf der Grundlage von gerichtlichen Beschlüssen bisher nicht betrieben werden.
Zwar verstehen wir die Sorge der Landespolitiker und Bayer-Vertreter um den Industriestandort NRW und um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Aber unser Kampf gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline ist auf gar keinen Fall ein Kampf gegen diesen Wirtschaftsstandort, sondern ein Kampf um unsere Sicherheit.
Es wurden viele Gespräche mit den Abgeordneten geführt. Diese haben sich verständlicherweise bei der Verabschiedung des Enteignungsgesetzes darauf verlassen, dass der Bayerkonzern ein notwendiges und auch verantwortbares Projekt plante.
Eine nicht geringe Zahl unserer Volksvertreter brachte sogar zum Ausdruck, man hielte zum jetzigen Zeitpunkt die Leitung für nicht sicher und würde mit dem heutigen Wissensstand nicht mehr dem umstrittenen Gesetz zustimmen. Aber man wolle die Gerichtsurteile abwarten, weil man Angst vor Regressansprüchen habe.
Damit hat zwar der Gesetzgeber sich wieder elegant aus der Verantwortung gezogen, aber diese liegt ohnehin in der Hauptsache beim Bayer-Konzern als Antragsteller und Bauherr dieser Leitung.
Warum erwarten Sie Planungssicherheit vom Gesetzgeber, wenn dieser die Gefährlichkeit der Leitung zum damaligen Zeitpunkt gar nicht realisiert hat und nicht realisieren konnte?
Warum schieben Sie selbst immer noch die Verantwortlichkeit für die zahlreichen Pannen und Peinlichkeiten lediglich auf die Bezirksregierung oder die bauausführende Firma?
Wegen der Giftigkeit und Gefährlichkeit des Gases sollte es sich von selbst verbieten, Kohlenmonoxid durch eine Pipeline nur wenige Meter von Wohnsiedlungen entfernt leiten zu wollen. Ein Weltkonzern sollte den Anstand und die Moral besitzen, tragfähige und wirtschaftliche Alternativen zu entwickeln.
Gibt es in Ihrem Hause keine internen Kontrollinstanzen bei der Planung derartiger Projekte?
Man hätte von Beginn an mögliche Ursachen für einen Rohrschaden in Betracht ziehen müssen. Selbst der Bayer-Vorstand kann doch die Augen nicht mehr davor verschließen, dass die Leitung alles andere als sicher ist. Die Ursachen für mögliche Leckagen können vielfältig und die Folgen verheerend sein. Selbst eine planmäßig gebaute Leitung wäre vor äußeren Eingriffen nicht vollständig geschützt. Dazu kommen die vielen Pannen und Abweichungen bei der Bauausführung sowie eine mittlerweile peinliche Informationspolitik.
In der Neustädter Feldmark ritzte eine Tiefspatenfräse kürzlich eine Hochdruckgasleitung, die mit 16 bar betrieben wurde, zentimeterweit auf. Über dem zum Glück unbesiedelten Gebiet bildete sich sofort eine große Gaswolke. Ein solcher Vorfall könnte auch bei der CO-Pipeline passieren.
Kein Vertreter der Bayer AG hat uns bisher den Nachweis bringen können, wie bei einer Leckage durch einen Eingriff von außen die Rettung der Menschen in der Nähe der Pipeline möglich sein soll.
Natürlich gibt es Meldewege, die Möglichkeit die Schieber zu schließen und das Gas kontrolliert abzufackeln. Aber es würde Kohlenmonoxid unkontrolliert und in einer nicht vorhersagbaren Menge ausströmen und dies möglicherweise in wenigen Metern von Schulen oder Wohnsiedlungen entfernt. Die verwendete, aber im Pipeline-Bau nicht erprobte, Geogridmatte kann man wohl nicht zu den Standards höchster Sicherheit zählen. Und ehe die übrigen Warnsysteme greifen und die Feuerwehren vor Ort sein können, sind möglicherweise die ersten Menschen tot.
Warum bestreiten Sie nach wie vor, dass eine Leckage den Tod vieler Anwohner bedeuten kann?
Und dies obwohl die Feuerwehren wiederholt darauf hingewiesen haben, dass sie der Bevölkerung im Fall eines Bruchs der Leitung nicht helfen können.
Da der Nichttransport des Gases das Risiko für die Bevölkerung auf Null minimiert, bleibt als einzige Möglichkeit die Produktion am Ort der Verwendung. Dann hat man das Risiko auf dem Betriebsgelände und die geschulten Fachleute vor Ort können die Sicherheit deutlich besser gewährleisten.
Mit welchen tragfähigen Argumenten wollen Sie der Bevölkerung zum jetzigen Zeitpunkt noch vermitteln, Sie seien in der Lage, die Leitung sicher zu betreiben?
Dabei beweist Bayer selbst durch die Planung einer neuen TDI-Anlage im Chempark Dormagen die Überflüssigkeit der Leitung.
Zur Deckung des erhöhten Bedarfs an Kohlenmonoxid ist der Bau eines neuen Reformers erforderlich.
So könnte man auch in Krefeld-Uerdingen einen neuen Reformer bauen, anstatt das Werk von Dormagen aus zu versorgen und damit könnte man auf die Pipeline vollständig verzichten.
Herr Breuer wandte in Monheim ein, man könne in Krefeld den entstehenden Wasserstoff nicht verwenden. Dies erscheint bei der vielfältigen Verwendungsmöglichkeit u.a. als Energieträger und als Rohstoff in einem Chempark nicht glaubwürdig.
Trotz aller sachlichen Argumente der Pipeline-Gegner hält man nach wie vor an der umstrittenen Leitung fest:
„Wir brauchen in jedem Fall einen Leitungsverbund, der einen Austausch zwischen den Werken sicherstellt und es unter anderem ermöglicht, Reserven einzuspielen.“ Damit gibt der Bayer-Sprecher Jörg Brückner gegenüber der Rheinischen Post eindeutig zu, dass diese Pipeline zur Vorratshaltung also als Speicher dienen soll, was man bisher immer bestritten hat.
Aus privatwirtschaftlichen Gründen legt uns ein Weltkonzern eine höchst gefährliche Leitung vor die Häuser, um eine Vernetzung der Standorte zu gewährleisten und das sehr giftige Gas zu jeder Zeit zur Verfügung zu haben.
Wann endlich begreift der Konzern, dass es nicht darum geht, ob Bayer eine Vernetzung der Standorte braucht oder Wettbewerbsnachteile hat?
Es geht darum, dass die Erhöhung der Profite durch diesen Wettbewerbsvorteil auf Kosten unserer Sicherheit erfolgt.
Wir akzeptieren die grob fahrlässige Gefährdung unserer Gesundheit und unseres Lebens aus Gründen der Gewinnmaximierung auf gar keinen Fall.
Treibt es Ihnen selbst – Herr Wenning – nicht die Schamröte ins Gesicht, dass nach Ihrem Plan Kinder in 1,40 m Entfernung auf der Leitung spielen würden und dass sich Schulgebäude nur in wenigen Metern Entfernung von der Leitung befinden?
Dieses Projekt ist richtungsweisend. Es wird sich herausstellen, ob in Zukunft das Wohl der Menschen im Mittelpunkt auch der wirtschaftlicher Betrachtungen stehen wird oder ob uns das Rückrat gebrochen wird, um Profite ohne Rücksicht auf unser Leben und unsere Gesundheit erwirtschaften zu können. Wenn jemals CO durch die Pipeline fließen darf, werden die Verbündeten in Wirtschaft und Politik ohne jegliche Rücksichtnahme alles, was sie wollen, gegen die berechtigten Interessen der Menschen durchsetzen können.
Sie lassen Ihre Mitarbeiter ständig wiederholen: „Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bürger ernst“, „Die Sicherheit hat bei uns höchste Priorität“ Dies sind Phrasen, solange Sie nicht aus Anstand und Achtung vor unserer Menschenwürde das Projekt aufgeben und am Ort des Verbrauchs produzieren.
Es bleibt ein fader Beigeschmack, wenn die angebliche Sicherung von Arbeitsplätzen mit der grob fahrlässigen Gefährdung der Bevölkerung erkauft wird.
Ist es tatsächlich Ihr Verständnis von Recht und Gesetz und Demokratie, dass die Regierung und die Wirtschaft ein Bündnis gegen die Menschen bildet. Ist das Ihr Verständnis von Fair play?
Die Tatsache, dass Eigentum verpflichtet kann nicht heißen, dass es für die privatwirtschaftlichen Zwecke eines Konzerns zur Verfügung gestellt werden muss.
Warum sollten wir das Enteignungsgesetz als rechtmäßig empfinden?
Wir können es nicht als Recht empfinden, dass ein zwar starker, aber privatwirtschaftlicher Konzern private Grundstücksbesitzer enteignen darf.
Warum sollten die Grundstücksbesitzer durch den Wertverlust ihrer Grundstücke und Häuser das privatwirtschaftliche Risiko eines Konzerns tragen?
Im Jahre 2007 haben Sie sehr eilig mit dem Bau der Leitung begonnen, obwohl noch nicht alle Enteignungsverfahren abgeschlossen waren und Sie bereits mit gerichtlichen Verfahren rechnen mussten. Seit Dezember 2007 bauen Sie nach einem gerichtlichen Beschluss auf eigenes Risiko und trotzdem halten Sie unverändert und starr an dem Projekt fest. Dabei berücksichtigen Sie weder die 109 000 Unterschriften noch die eindeutige Haltung der verantwortlichen Kommunalpolitiker.
Und dies, obwohl die angebliche Sicherung von Arbeitsplätzen und besonders die Steigerung der Renditen für die Aktionäre durch ein hohes Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung und die nicht grundgesetzkonforme Enteignung erkauft wird.
Deshalb haben wir die berechtigte Hoffnung, dass in unserem Rechtsstaat die umstrittene, weil so gefährliche Leitung nie in Betrieb gehen wird.
Das gemeinsame Festhalten an der Leitung dokumentiert in unseren Augen einen reinen Machtmissbrauch der Bayer AG und der Regierung.
In unserer Demokratie als beste aller Staatsformen sollte der Mensch und weder die Macht noch die Rendite im Mittelpunkt aller wirtschaftlichen und politischen Entscheidung stehen.
Weder die Wirtschaft noch die Politik können außerhalb unserer Gesellschaft operieren. Es ist wichtiger denn je, dass beide ihre gesellschaftliche Verantwortung endlich übernehmen.
Marlis Elsen