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Lobbyismus

CBG Redaktion

Dr. Angela Spelsberg, Ärztliche Leiterin des Tumorzentrums Aachen, Vorstandsmitglied von Transparency International sowie Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, untersucht in dem nachfolgenden Beitrag die Risiken des ausufernden Lobbyismus, speziell im Gesundheitswesen.

Eine demokratische Herausforderung

Lobbyismus als „Hinterzimmerpolitik“

Lobbyisten vertreten die Interessen oft mächtiger Unternehmen, versuchen Einfluss auf Politikerentscheidungen zu nehmen und agieren dabei meistens im Verborgenen. Was macht ihre Arbeit zu einer Gefahr für die Demokratie? Wie lässt sich Lobbyismus von der Interessenvertretung, beispielsweise durch Patientenorganisationen, abgrenzen? Und welche Folgen hat die Einflussnahme der Industrie auf das Gesundheitswesen?

In der parlamentarischen Demokratie ist es legitim und erwünscht, politische Interessen – seien sie nun wirtschaftlich, sozial, ökologisch oder anders begründet – aktiv zu vertreten. Aufgrund der Partikularinteressen einzelner starker Gruppen scheint es aber zunehmend schwieriger, dabei das sozialstaatliche Gesamtziel, nämlich das Allgemeinwohl, nicht aus den Augen zu verlieren.
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, beschreibt dies so: „Überall, wo der Staat verteilend und regulierend eingreift, finden sich gut organisierte Interessen, die wissen, wie sie über Lobbys die Hebel anzusetzen haben, und auf der anderen Seite Interessen, die sich nach den Gesetzen der politischen Ökonomie kaum schlagkräftig bündeln lassen und deshalb leicht unter die Räder geraten … Das Parlament, das in der mittelbaren, in der parlamentarischen Demokratie der wichtigste Hort des Gemeinwohls zu sein hat, muss darauf achten, Distanz (zu den Kräftefeldern des gesellschaftlichen Verteilungskampfes) zu wahren, wenn es nicht Gefahr laufen will, zu einem verlängerten Arm in einem Verteilungskampf zu werden.“1

Interessenausgleich anstreben
Interessenvertretung und Lobbyismus stellen eine demokratische Herausforderung dar, besonders im Hinblick auf all diejenigen, die sich nicht lautstark äußern können. Ihre Interessen können im Konzert der mächtigen Lobbys kaum oder gar nicht wahrgenommen werden.
Keineswegs darf in der parlamentarischen Demokratie als vorgegeben akzeptiert werden, dass Wirtschaftsinteressen einen Vorrang vor Gesundheits-, Umwelt- oder Sozialinteressen haben. Die parlamentarische Gesetzgebung hat laut Grundgesetz in Stellvertretung des Volkes für einen gerechten Interessenausgleich aller Beteiligten und Betroffenen zu sorgen, mit dem Ziel der Mehrung des Allgemeinwohls. Hier aber liegt das Dilemma. Aus den Partikularinteressen der vielen Beteiligten, die in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen versuchen, erwachsen Interessenkonflikte, nicht nur untereinander, sondern auch gegenüber dem Ziel des Allgemeinwohls.
Wie lässt sich Lobbyismus definieren? Und welche Folgen haben die Interessenkonflikte?

Lobbyismus versus Interessenvertretung
Lobbyismus bzw. Lobbying findet als „Hinterzimmerpolitik“ in einer „Kultur der Intransparenz“ statt, wie es der Politikwissenschaftler und Journalist Thomas Leif in seinem Essay „Von der Symbiose zur Systemkrise“ beschreibt.2 Lobbyisten beraten Politiker, stellen ihnen Wissen zur Verfügung oder unterstützen sie als Dienstleister bei der Durchführung von Kampagnen oder bei der Abfassung von Gesetzestexten. Oft sind es aus der aktiven Politik ausgeschiedene Politiker oder ehemalige Journalisten, die ihr Netzwerkwissen und ihre Kontakte auf dem Markt anbieten und für ihre Auftraggeber primär als wichtige Türöffner fungieren.3 Ihre Arbeit als Lobbyisten ist dabei „prinzipiell nicht öffentlichkeitsfähig“, wie ein führender Lobbyist des Chemie-Riesen Altana bekennt.4
Bemühungen, dies zu ändern und den Einfluss von Lobbyisten offenzulegen, werden bislang nicht gut angenommen. Das freiwillige Lobbyregister der EU-Kommission etwa, das 2008 geschaffen wurde, enthielt schätzungsweise nicht einmal die Hälfte der in Brüssel aktiven Lobbyisten. Im Juni 2011 haben EU-Kommission und EU-Parlament nach zweijähriger Verhandlungsdauer ein neues, gemeinsames Lobbyregister unter dem offiziellen Titel „Transparenzregister“ eingeführt. Der Eintrag darin ist nach wie vor freiwillig, die Einflussnahme auf EU-Beamte bleibt also weiterhin überwiegend im Dunkeln. Überhaupt erscheint die Macht der Lobby unterschätzt und kaum systematisch analysiert. Nach Thomas Leif sind bisher sozialwissenschaftliche Forschung und zivilgesellschaftliche Organisationen als Gegenkraft schlichtweg überfordert.5
Lobbying findet nicht nur im „Hinterzimmer“ statt, es ist aus Sicht des Politikwissenschaftlers Rudolf Speth auch vom Bestreben gekennzeichnet, „ein möglichst großes Stück vom Kuchen“ zu bekommen, ohne selbst zur Lösung übergreifender Fragen beizutragen.6
Im Gegensatz dazu haben die klassischen Organisationen der Interessenvertretung – die Verbände – das Ziel, Interessen zu formieren, zu filtern und zu definieren. Sie sind keine Lobbys, die Partikularinteressen vertreten, sondern tendenziell gemeinwohlorientierte Akteure. Ihre Arbeit unterscheidet sich vom Lobbying durch die Ziele und die Transparenz der Vorgehensweise.
In ähnlicher Weise können auch Patientenorganisationen, Selbsthilfegruppen oder NGOs (Nichtregierungsorganisationen) im Gesundheitswesen nicht als Lobbygruppen bezeichnet werden. Sie vertreten die Interessen der in den jeweiligen Organisationen zusammengeschlossenen Menschen, sind gleichzeitig aber auch für das Allgemeinwohl tätig, da es zu diesem keinen Interessenkonflikt gibt.

Soziale Verantwortung
Lobbying richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die Wirtschaft und an NGOs. Unternehmen und Organisationen werden durch PR-Agenturen, aber auch durch Einzellobbyisten beim Aufbau von Public-Affairs-Abteilungen, bei Kampagnen und anderen Aktivitäten beraten.
Verlieren solche Public-Affairs-Abteilungen oder ihre Muttergesellschaften beim Verfolgen ihrer eigenen Interessen den demokratischen Interessenausgleich aus dem Blick? Diesem Eindruck versuchen sie zumindest mit Konzepten wie dem der „corporate social responsibility“ (CSR, Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung) zu begegnen. Mit diesem Konzept knüpfen Unternehmen, Verbände und Organisationen einen ethischen Anspruch an ihr Handeln.
Freiwillige Verhaltenskodizes, der Aufbau von „Compliance“-Abteilungen, die CSR in Unternehmen bzw. Organisationen entwickeln und umsetzen, sowie das Bekenntnis zu Transparenz und Fairness im Umgang mit Konkurrenten und anderen Interessengruppen sind sind ein Anfang, jedoch nicht hinreichend.

Korruption im Gesundheitswesen
Das Gesundheitswesen gilt als ausgeprägtes Verteilungskampffeld mit einer Vielzahl starker Interessengruppen. 76 % der Top 50 Unternehmen gehören laut Wirtschaftsmagazin Fortune zur Gesundheitsindustrie oder haben einen Zweig in der Gesundheitsbranche. Was folgt daraus?7
Im Gesundheitswesen gibt es mannigfaltige und oftmals verdeckte Interessenkonflikte. Die dadurch bedingte, unverantwortliche Einflussnahme auf die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen mündet dabei vielfach in eine schamlose Ausnutzung beruflicher Machtpositionen zum persönlichen Vorteil.
Diesen Missbrauch anvertrauter Macht definiert die Antikorruptionsorganisation Transparency International als Korruption – was eine wesentlich breitere Definition darstellt als eine rein strafrechtliche Betrachtung. Das European Health Care Fraud and Corruption Network (EHFCN)8 hat ermittelt, dass von den jährlichen Gesundheitsausgaben in der Europäischen Union von einer Billion Euro 56 Milliarden oder 5,6 % durch Fehlverhalten, Betrug und Korruption verloren gehen.

Die „Schweinegrippe“
Interessenkonflikte nur auf der individuellen Ebene behandeln zu wollen, würde zu kurz greifen. Auch ihre bloße Deklarierung hatte bislang keine Konsequenzen, wie es sich am Beispiel der Ständigen Impfkommission (STIKO) zeigen lässt, die auf ihrer Homepage ihre Interessenkonflikte offenlegt.
So zogen die erheblichen medizinischen und finanziellen Folgen von ungelösten Interessenkonflikten der zuständigen Gremien (inter)nationaler Gesundheitsorganisationen – darunter der STIKO – bei dem noch nicht lange zurückliegenden Fehlalarm zur „Schweinegrippe“-Pandemie keine Maßnahmen nach sich, einen solchen Fehlalarm in Zukunft zu verhindern. Es wurden auch weder aus der STIKO noch aus den Entscheidungsgremien der Welt­gesundheitsorganisation (WHO) die mit Interessenkonflikten belasteten Experten ausgeschlossen.
Die Bekämpfung von Interessenkonflikten muss aber auch auf der Organisations- und Institutionsebene erfolgen! Ebenso müssen die Regeln für die Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten lückenlos transparent gemacht werden und zugänglich sein für eine unabhängige wissenschaftliche Überprüfung der vorhandenen klinischen Studienprotokolle.
Am Beispiel des Grippemittels Tamiflu® zeigt sich eindrucksvoll, dass es für eine Firma möglich ist, von der European Medicines Agency (EMA) die Zulassung für ein Medikament zu erhalten, wenn sie weniger als 40 % der zu dem Mittel vorhandenen Studienunterlagen einreicht. Dabei lässt sich laut einer jüngst veröffentlichten Studie9 für Tamiflu® nur eine marginale Wirksamkeit bei der Verkürzung der Grippesymptome von sieben auf sechs Tage nachweisen. Es gibt keine Evidenz dafür, dass das Mittel die Verbreitung der Virusgrippe verhindern oder Komplikationen während der Erkrankung vermeiden kann. Dennoch wurden nach dem Ausbruch der „Schweinegrippe“ genau diese Wirkungen propagiert. In Deutschland wurde bei den Landesregierungen die Einlagerung von Tamiflu® mithilfe einer beispiellosen, Angst schürenden Pandemiekampagne durchgesetzt, was Kosten in Milliardenhöhe verursachte.
Die gängige Praxis, Wirksamkeitsstudien zu Medikamenten und Medizinprodukten von Herstellern planen, durchführen und auswerten zu lassen, muss beendet werden und durch unabhängige wissenschaftliche Forschung, etwa finanziert durch Steuerabgaben oder Abschläge von den Marketingausgaben der Hersteller, ersetzt werden10

„Gesundheitsmarkt“ mit Folgen
Die westlichen Industriegesellschaften haben in den vergangenen Jahrzehnten große Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Gesundheitssysteme unternommen. Immer mehr Ressourcen werden in die medizinische Versorgung gesteckt, in der Annahme, dass dieses Mehr an Leistungen auch ein Mehr an Gesundheit ergibt. So lautet das von den unterschiedlichen Interessen- und Lobbygruppen vorgetragene Credo im wachsenden „Gesundheitsmarkt“.
Die USA sind ein sehr eindrucksvolles Beispiel für diese Entwicklung. Schon heute machen die US-amerikanischen Gesundheitsausgaben 16 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus; es sind die höchsten der Welt. Laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers werden die US-Gesundheitsausgaben 2019 auf 20 % des BIP ansteigen. Die Lebenserwartung der US-Amerikaner steht weltweit aber nur an 27. Stelle. In Japan, dem Land mit der derzeit höchsten Lebenserwartung der Welt, betragen die Gesundheitsausgaben seit vielen Jahrzehnten nur rund 8 % des BIP.11, 12
Die mit der Ausweitung des „Gesundheitsmarktes“ einhergehenden Interessenkonflikte stellen das Haupteinfallstor für Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen dar. Die Interessenkonflikte um die Verteilung der Ressourcen entstehen dabei zwischen den Beteiligten, etwa Ärzten oder Kliniken. Sie entstehen aber auch zwischen den einzelnen sozialstaatlichen Aufgaben, wie z.B. zum Arbeits- und Sozialbereich, der Bildung, der allgemeinen Daseinsvorsorge, der kommunalen Bürgerunterstützung, der Kultur etc. und dem Gesamtziel der Steigerung des Allgemeinwohls, wenn immer mehr Geld in ein stetig wachsendes Gesundheitssystem .fließt, ohne mehr Gesundheit für die Bevölkerung zu erreichen, was den anderen Feldern entzogen wird.
Diese Konfliktfelder werden selten klar benannt und kaum offen ausgetragen. In den Verteilungskämpfen innerhalb des Gesundheitswesens werden Interessenkonflikte zu anderen sozialstaatlichen Aufgaben oder dem Allgemienwohl systematisch ausgeblendet. Neben den üblichen Marketing-Maßnahmen kennzeichnen meist verdeckte finanzielle Zuwendungen der Industrie (Pharma, Medizinprodukte) an Ärzteorganisationen, an wissenschaftliche Fachgesellschaften, universitäre oder andere Forschungseinrichtungen, an Selbsthilfegruppen und -organisationen die Mechanismen der Einflussnahme.
Die Empfänger haben sich an die „Geschenke“ gewöhnt und reflektieren nicht, dass die gigantischen Marketing-Budgets der Hersteller Kostentreiber sind, die Ausgaben in Milliardenhöhe verursachen – Ausgaben, die keinen medizinischen Nutzen für Patienten bringen. Neuerdings werden solche Marketing-Maßnahmen nicht mehr durch die Konzerne direkt, sondern über eigens geschaffene PR- oder Beratungsagenturen orchestriert. Diese haben in vielen Bereichen der Medizin sogenannte Key Opinion Leaders, Meinungsführer, aufgebaut und spezialisierte Expertengremien etabliert, die weltweit großen Einfluss auf Entscheidungen im Gesundheitswesen haben.

Unzulässige Einflussnahme eindämmen

Sensibilisierung der (Fach-)Öffentlichkeit
Die kritische Sensibilisierung der (Fach-)Öffentlichkeit gegenüber Missbrauch, Fehlverhalten oder Über- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen ist ein wichtiger Ansatz, um den Einfluss der Industrie zu begrenzen.
Gelingt es, den Menschen statt geschickter Werbebotschaften der Hersteller – die besonders an die Krankheits- und Todesängste der potenziellen „Kunden“ appellieren – unabhängige Informationen zu Nutzen und Schaden von Therapien, Arzneimitteln oder Medizinprodukten zur Verfügung zu stellen, sind Inanspruchnahme und Nachfrage nicht länger nur abhängig vom Marketingerfolg der Industrie bei Gesundheitsberuflern und Patienten.

Ökonomisierung hinterfragen
Die Umformung des Gesundheitssystems in einen „Gesundheitsmarkt“ sollte problematisiert werden. Bedeutet es doch, dass in einem solchen Markt ein Mehr an Krankheit und Leid positiv ist ebenso wie die Erbringung vieler Leistungen – auch wenn sie unnötig oder schädlich sind. Dadurch wächst dieser Markt. Mit der Verbesserung der Gesund­heit der Bevölkerung oder der Mehrung des Allgemeinwohls hat ein solches Wachstum aber nur sehr wenig zu tun.
Auch ob Patienten in diesem Markt „Kunden“ sind, sollte zur Diskussion gestellt werden, so die Forderung des Juristen Felix Welti. Denn: „Wer krank ist, kann oft nicht alleine entscheiden, welche Güter und Leistungen nötig sind, sondern muss auf die Sachkunde der Gesundheitsberufe vertrauen können. Ein gegenseitiger Vertrag über Gesundheitsdienste und -güter muss das Ungleichgewicht berücksichtigen. Mehr Transparenz kann das Informationsgefälle verkleinern, nicht beseitigen.“13

Erhöhung der Transparenz
Die Transparenz bei politischen Entscheidungen sollte erhöht werden, zum Beispiel durch ein verpflichtendes Lobbyregister. Allerdings ist Transparenz allein kein Garant dafür, dass Politiker oder andere Akteure im Gesundheitswesen unabhängig von unverantwortlicher Einflussnahme agieren. Andere Maßnahmen müssten auf organisatorischer, politischer und gesellschaftlicher Ebene zur Eindämmung von schädlichen Interessenkonflikten hinzutreten. Dabei sollten insbesondere Maßnahmen zur Stärkung der Informationsfreiheit , z.B. gegenüber Zulassungs- und Aufsichtsbehörden, etwa durch eine Veröffentlichungspflicht von Verträgen, Vereinbarungen, Zulassungsdokumenten und Genehmigungsvorlagen eingeführt werden. Die Informatiosnfreiheitsgesetze sind in Deutschland immer noch nicht in allen Bundesländern erlassen. Ohne sie aber bleibt das Gebot der Transparenz frommer Wunsch.

Distanz der parlamentarischen Demokratie zum Lobbyismus
Die Vereinnahmung der gesetzgeberischen Prozesse durch Vorabentscheidungen in nicht vom Volk gewählten Gremien, Kommissionen etc. oder durch eine nicht erkennbare Übernahme von Lobbyisten-Entwürfen in Gesetzestexte stellt eine unmittelbare Gefahr für die Ziele und das Ansehen der parlamentarischen Demokratie dar.
Die Wissens-Asymmetrie zwischen den Parlamentariern und den Lobby-Experten ist hierfür ursächlich anzuführen. Dem könnten etwa parlamentseigene, unabhängige Experten, die nicht mit Interessenkonflikten belastet sind, abhelfen. Die fließenden Wechsel von Lobbyisten in politische Ämter und umgekehrt (Drehtüreffekte) tun ein Übriges, die parlamentarische Demokratie in immer stärkere Abhängigkeit von mächtigen Lobbys zu bringen. Eine Karenzzeit von mindestens drei, besser fünf Jahren, wäre dringend einzuführen.
Die Eindämmung des ungebremsten Lobbyismus ist notwendig: nicht nur für das Gesundheitswesen, sondern im Interesse des Allgemeinwohls.

Der Artikel erschien zunächst in der Zeitschrift Dr. med Mabuse.

Angela Spelsberg, geb. 1960, Ärztliche Leiterin des Tumorzentrums Aachen, ist Mitglied im Vorstand von Transparency International Deutschland und dort stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheit.

Literatur:
1 Hans-Jürgen Papier (2011): Verfassungsrechtliche Schranken einer „Verhandlungsdemokratie“, in: Dokumentation der Tagung von Transparency International Deutschland e.V. und dbb beamtenbund und tarifunion am 31.5.2011 in Berlin: „Dankt der Staat ab? – Wo bleibt das Primat der Politik? Unabhängigkeit und demokratische Legitimität im 21. Jahrhundert“, S.35–45.
2 Thomas Leif (2010): Von der Symbiose zur Systemkrise. Essay, in: Politik und Zeitgeschichte, Heft 19/2010: Lobbying und Politikberatung, S.3–9.
3 Rudolf Speth (2010): Das Bezugssystem Politik – Lobby – Öffentlichkeit, in: Politik und Zeitgeschichte, Heft 19/2010: Lobbying und Politikberatung, S. 9–12.
4 Siehe 2.
5. Thomas Leif. Parteien und Parlament als Partner der Lobbyisten-Anatomie eines Erfolgsmodells. Vortrag bei der Tagung „Lobbyismus im Gesundheitswesen – Verantwortliche Interessenpolitik – unverantwortliche Einflussnahme“, Evangelische Akademie zu Berlin und Transparency International Deutschland e.V., Berlin, 26.–27.September 2011.
6 Siehe 3.
7 In einem zweitägigen Seminar, veranstaltet von der Evangelischen Akademie Berlin und Transparency International Deutschland e.V. am 26. und 27.9.2011 in Berlin wurde mit Beteiligten aus allen Sparten des Gesundheitswesens über Lobbyismus und die Gefahren und Konsequenzen von Interessenkonflikten mit den im Text zusammengefassten Schwerpunkten diskutiert, siehe auch www.transparency.de, www.eaberlin.de,
Rosemarie Stein. Die Übermacht der Lobby im Gesundheitswesen. Konferenzbericht: EinTagung von Transparency International. Berliner Ärzte 12/2011 S.26-28; www.psoriasis-netz.de/themen/leute/lobbyismus.html
8 www.EHFCN.org
9 T. Jefferson u.a. (2012): Neuraminidase inhibitors to preventing and treating influenza in healthy adults and children, in: Cochrane Database of Systematic Reviews 2012; 1:CD008965.
10 A. Spelsberg u.a. (2009): Is disclosure of potential conflicts of interest in medicine and public health sufficient to increase transparency and decrease corruption? In: Journal of Epidemiology and Community Health 2009; 63:603–605.
11 Hideki Hashimoto u.a. (2011): Cost containment and quality of care in Japan: Is there a trade-off? In: The Lancet 2011; 378:1174–82.
12. Naoki Ikegami u.a. (2011): Japanese universal health coverage: Evolution, achievements, and challenges. In: The Lancet 2011;378:1106–15.
13 Felix Welti (2011): Gesundheitspolitik im sozialen Rechtsstaat, Vortrag bei der Tagung „Lobbyismus im Gesundheitswesen – Verantwortliche Interessenpolitik – unverantwortliche Einflussnahme“, Evangelische Akademie zu Berlin und Transparency International Deutschland e.V., Berlin, 26.–27.September 2011.