Carrés „Ewiger Gärtner“ verfilmt
BAYER & Co. als Kino-Bösewichter
Leichen pflastern ihren Weg: Die Leinwand-Adaption von John le Carrés „Der Ewige Gärtner“ deckt die skrupellosen Machenschaften der Pharma-Industrie auf. Als „einen politischen Thriller über von Großunternehmen begangene Verbrechen, Gesetzesüberschreitungen und Manipulation“ beschreibt Hauptdarsteller Ralph Fiennes den Film.
Von Jan Pehrke
Das große „Bhopal mahnt“-Poster aus der Düsseldorfer Geschäftsstelle der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat es jetzt zu Leinwand-Ehren gebracht. Es hängt in dem Berliner Büro der pharma-kritischen Initiative, welche die beiden Hauptfiguren der John-le-Carré-Verfilmung „Der Ewige Gärtner“ mit Informationen über die Pillen-Riesen versorgt. Die Organisation ist hauptsächlich der BUKO-PHARMAKAMPAGNE nachempfunden, aber das Filmteam hat sich auch auf den Webseiten der Coordination kundig gemacht und sie sogar gebeten, Material für die Ausstattung der Produktion zur Verfügung zu stellen. Das bot sich unter anderem deshalb an, weil bei dem im Film sein Unwesen treibenden Konzern „Three Bees“ einige Ähnlichkeiten zum Leverkusener Multi alles andere als zufällig sind. Allzuviele Unternehmen, die gleichzeitig Pillen und Pestizide im Angebot haben, gibt es nämlich nicht …
Die Berliner Gruppe liefert Tessa und Justin Quayle Hintergrundwissen über das Treiben von BAYER & Co. in den so genannten Entwicklungsländern. Die Polit-Aktivistin Tessa ist ihrem in den diplomatischen Diensten Großbritanniens stehenden Ehemann nach Kenia gefolgt, wo sie mit den dubiosen Geschäftspraktiken des Pharma-Riesen „Three Bees“ konfrontiert wird. Auf dem belebten Markt der Hauptstadt Nairobi tritt das Unternehmen als Samariter auf und bietet kostenlos „Aids“-Tests an – wenn die Menschen sich zur Erprobung des Tbc-Medikamentes „Dypraxa“ bereit erklären. „Kein Pharma-Konzern macht etwas umsonst“, klärt der kenianische Arzt Dr. Bluhm Tessa auf und sagt ihr, womit nicht wenige ProbandInnen zahlen: mit ihrem Leben. Durch ein einfaches Kreuz auf einem „Three Bees“-Formular haben sie unwissentlich ihre Einwilligung gegeben, eine sehr gefährliche Arznei zu testen. „Dypraxa“ hat sich in Labor-Untersuchungen als gesundheitsgefährdend erwiesen, aber der Pharma-Multi hat in das profitträchtige Medikament bereits zu viel investiert, um die Entwicklung abbrechen zu wollen. So nutzt er für die zur Zulassung nötigen Tests die Standort-Vorteile aus, die ihm die korrupten Eliten Kenias mit freundlicher Unterstützung der britischen Diplomatie bieten.
Gutgläubig informiert Tessa das Außenministerium per Brief über die Vorgänge in Kenia. Aber nichts passiert. Erst als sie sich Einblick in das nicht an sie, sondern an einen Kollegen ihres Mannes gerichtete Antwortschreiben verschafft, muss die Frau erfahren, nach welchen Kriterien London solche Eingaben behandelt: „Was Handelsinteressen schadet, wird zerrissen“.
Also setzt Tessa ihre Nachforschungen auf eigene Faust fort, unterstützt nur von Dr. Bluhm und gefüttert von sachdienlichen Hinweisen der Berliner Pharma-KritikerInnen. Sie dringt immer tiefer in den Pharma-Sumpf ein – und kommt schließlich darin um. Wer schon bei der Entwicklung eines Medikamentes über Leichen geht, der scheut auch nicht davor zurück, seine GegnerInnen durch ein „Corporate Killing“ aus dem Weg zu räumen.
Die gedungenen Mörder tarnen das Verbrechen als Eifersuchtsdrama. Justin Quayle jedoch zweifelt an dieser Todesursache, rekonstruiert die letzten Lebenswege seiner Frau und deckt mit dem Mord auch ein bis in höchste Regierungskreise reichendes Pharma-Komplott auf.
Was unbedarften ZuschauerInnen vielleicht wie eine „Räuberpistole“ erscheinen mag, beruht auf Tatsachen. John le Carré hat unter anderem bei der BUKO-PHARMA-KAMPAGNE in Bielefeld lange für sein Buch recherchiert. Darüber hinaus hat das Filmteam bei der Vorbereitung noch zusätzliche Quellen benutzt wie die Channel 4-Dokumentation „Für Medikamente sterben“, die Medikamentenversuche in der „Dritten Welt“ mit tödlichen Nebenwirkungen zum Thema hat.
Der Schriftsteller hat nicht allzu lange gezögert, welchem Industriezweig er die Rolle des „Public Enemy No. 1“ zugedenken sollte.„Ich hätte mir auch den Skandal des mit Zusätzen angereicherten Tabaks vornehmen können … Ich hätte mir auch die Ölkonzerne vornehmen können … Aber sowie ich die multinationale pharmazeutische Welt betreten hatte, packte sie mich an der Gurgel und ließ mich nicht wieder los“, sagt John le Carré. Auch für die Hauptdarstellerin Rachel Weisz sind höchstens noch SHELL und Konsorten imstande, es mit der kriminellen Energie von BAYER & Co. aufzunehmen. „Ich glaube, dass man die Pharma-Industrie höchstens noch mit der Öl-Industrie vergleichen kann. Es ist ein gewaltiges Geschäft. Sie verdienen Unmengen von Geld, und doch können sich die Menschen in der „Dritten Welt“ nicht die Medikamente leisten, die ihnen das Leben retten könnten“, so die Schauspielerin.
Und der Regisseur Fernando Meirelles, der für seinen letzten Film „City of God“ für den Oscar nommiert war, hat sogar Erfahrungen mit der Geschäftspolitik von Big Pharma aus eigener Anschauung in das Projekt eingebracht: „Ich komme aus Brasilien. Dort haben wir in den letzten Jahren Generika, also Nachahmerpräparate, hergestellt. Wenn man versucht, billige Versionen patentierter Medikamente herzustellen, dann lernt man sehr schnell, über welch unfassbare Macht die Lobby der Pharma-Industrie verfügt“.
Der Drehbuch-Autor Jeffrey Caine glaubt deshalb auch nicht, dass „Der Ewige Gärtner die Handlungsweisen von BAYER & Co. ändern wird. Er hofft jedoch, mit dem Film zur Aufklärung über das Geschäftsgebaren der Pillenriesen beitragen zu können. Und der Erfolg des Werkes in den USA scheint ihn darin zu bestätigen.
Der Film startet bundesweit am 12. Januar. John le Carrés Buchvorlage „Der Ewige Gärtner“ ist beim Internet-Versand www.j5A.net erhältlich.