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[Land & Wirtschaft] CBG-Jahrestagung 2017

CBG Redaktion

Die diesjährige Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN widmete sich dem agro-industriellen Komplex und den Alternativen, die es zum Geschäftsmodell von BAYER & Co gibt.

Von Jan Pehrke

2016 hatte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf ihrer Jahrestagung aus gegebenem Anlass mit BAYERs Vorhaben, MONSANTO schlucken zu wollen, befasst. In diesem Jahr nahm sie sich nun vor, den gesamten agro-industriellen Komplex, der durch die momentan geplanten Übernahmen und Fusionen in diesem Sektor noch komplexer zu werden droht, einmal genauer zu durchleuchten. Aber auch die Beschäftigung mit den Alternativen zu den Praktiken der Global Player sollte nicht zu kurz kommen.
Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel. In diesen Bereichen hat es Luig zufolge während der letzten Jahre ebenfalls eine massive Konzentrationswelle gegeben, wie im Falle des Agrarchemie-Monopolys maßgeblich getrieben von Großanlegern wie Warren Buffett. Und hinter den Konzernen, die dort die Top-Positionen einnehmen, steht teilweise noch mehr Kapital-Kraft als hinter BAYER & Co., hielt der Wirtschaftshistoriker fest. So machte etwa das Familien-Unternehmen CARGILL, das unter anderem im Zwischenhandel mit Ackerfrüchten und Vieh tätig ist, im Jahr 2016 mehr als doppelt so viel Umsatz wie der Leverkusener Multi.
Am Beispiel Südafrika verdeutlichte der Referent die fatalen Auswirkungen dieser Entwicklung. Das von MONSANTO, BAYER, SYNGENTA, DOWDUPONT und BASF gebildete Oligopol für Pestizide und Saatgut lässt die Preise für diese Inputs stetig steigen. Weitergeben können die Bauern und Bäuerinnen diese Kosten nur begrenzt, denn auf dem Gebiet des Zwischenhandels gibt es ebenfalls nicht viele Akteure. CARGILL besitzt hier ein Quasi-Monopol und hat entsprechend viel Nachfrage-Macht. In dieser Zwickmühle gefangen, treibt es Benjamin Luig zufolge viele landwirtschaftliche Betriebe immer tiefer in die Verschuldung.
Auch Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN zog eine negative Bilanz der Agro-Industrialisierung mit ihrem „Think Big“-Imperativ. Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist dieses Argument überzeugend ad absurdum. Nach Herres Ansicht besteht nämlich kein Grund für eine Demographie-Panik: Zwar lebten im Jahr 2013 2,3 Mal mehr Menschen auf der Erde als 1960, aber die Lebensmittel-Produktion habe damit mehr als Schritt gehalten. Sie stieg im selben Zeitraum um den Faktor 3,2. Sogar ein Land wie Indien produziert Überschüsse, weist jedoch trotzdem eine immense Zahl an Hungernden auf – für Herre ein klarer Fall von Markt-Versagen. Aber nicht nur bei den indischen Bedürftigen kommt ein Großteil der landwirtschaftlichen Güter gar nicht an. Weniger als die Hälfte der globalen Ernten lande auf den Tellern, der Rest finde sich in den Trögen der Tiermast-Anlagen oder in den Tanks der Kraftfahrzeuge wieder, rechnete der studierte Geograf vor.
Bereits die in den 1960er Jahren ins Werk gesetzte „grüne Revolution“ hatte eine Lösung des Hunger-Problems mit Hilfe neuer Agro-Technologien versprochen. Aber ihre Verheißungen erfüllten sich nicht. Auf den Philippinen beispielsweise brachte sie vielmehr viele Bauern und Bäuerinnen in Not, so Herre. Geködert von anfangs hoch subventionierten Pestiziden und anderen Gütern, stiegen sie um. Als aber die im Rahmen der Produkteinführungskampagne gewährten Vergünstigungen ausliefen, reichte der Ertrag ihrer Felder nicht, um die Markt-Preise für die Inputs zu zahlen. Die FarmerInnen gerieten so in die Schulden-Falle. Darum drehten dort ForscherInnen zusammen mit den LandwirtInnen in einem Projekt die Uhren zurück: Sie entwickelten ein kleinteiligeres Reisanbau-Modell ohne Hochertragssorten und Pestizid-Einsatz – das zero-chem-farming – und erzielten damit einen beeindruckenden Erfolg. Die Input-Kosten sanken, und trotzdem hatten die Bauern und Bäuerinnen noch eine reichere Ernte als ihre KollegInnen, welche die teureren hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Arten verwendeten.
Mit Bernd Schmitz trat anschließend jemand ans Mikrofon, der als Praktiker an den von Roman Herre vorgestellten „Alternativen zum industriellen Ernährungssystem“ arbeitet. Aus einer alten Bauernfamilie stammend, die seit mehreren Generationen einen Hof im Hanftal bei Königswinter bewirtschaftet, entschloss er sich im Jahr 2006 zu der Umstellung auf eine ökologische Produktion. Veranlasst dazu haben ihn zwei Dinge: Das Förderprogramm unter der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen und die Invasion der gentechnisch veränderten Futterpflanzen, der er entkommen wollte. Jetzt sehen seine Kühe wieder Land und fressen wie von alters her Gras statt der Eiweiß-Bomben aus Soja. Und sogar Hörner dürfen sie wieder haben, auch wenn Schmitz dafür die Stall-Fläche vergrößern musste, um der Verletzungsgefahr bei Rangkämpfen vorzubeugen. „Helden der Arbeit“ sind seine Tiere jetzt zwar nicht mehr, denn sie geben nur noch 6.500 Liter Milch im Jahr statt wie früher 9.000, aber betriebswirtschaftlich geht die Rechnung trotzdem auf. Schmitz kann sich jetzt nämlich das teure Turbo-Futter und die TierärztInnen-Flatrate – sonst obligatorisch in der Milchproduktion – sparen.
Überdies baut der derzeitige NRW-Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ noch Kleegras, Winterweizen und andere Ackerfrüchte unter Beachtung der Fruchtfolge an, d. h. er sät jedes Jahr etwas anderes aus, um die Böden zu schonen. Auch pflanzt der Bauer nicht dicht an dicht wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich. So kann auch mal der Wind über das Feld wehen und Pilz-Sporen vertreiben, was dem Einsatz von Pestiziden vorbeugt.
Mit solchen chemischen Keulen sucht BAYER die Welt schon mehr als hundert Jahre heim. Damit nicht genug, finden sich noch viele andere, nicht weniger gefährliche Produkte für LandwirtInnen im Angebot des Unternehmens. Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gab in seinem Referat einen historischen Überblick über die weit verzweigten Aktivitäten des Leverkusener Multis im Agrar-Bereich. Bereits 1892 bringt dieser mit Antinonnin das erste Insektizid auf chemischer Basis heraus. Ein folgenschwerer Schritt, denn solche Gifte entwickelten sich nicht nur zur Landplage, sie erwiesen sich auch als kriegsverwendungsfähig, wie der CBGler erläuterte. Nur eine kleine Abweichung in der Formel, und schon entstanden während des Zweiten Weltkriegs in den BAYER-Laboren aus einer Agro-Chemikalie Nervengase wie Tabun oder Sarin. Das allein führt schon das ganze Ausmaß der Zerstörungskraft dieser Substanzen vor Augen. Von hunderttausenden Todesfällen jährlich durch Vergiftungen berichtete der Geschäftsführer der Coordination. Dem Global Player aber reichte diese eine Risiko-Technologie noch nicht. Auch mit gen-manipuliertem Saatgut experimentierte er früh. Und nun setzt das Unternehmen an, der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden.
Ob aber die Übernahme MONSANTOs gelingt, steht dahin. Die Aktien-Gesellschaft gebietet nämlich seit fast vierzig Jahren nicht mehr allein über ihr Schicksal, konstatierte der CBGler – und das nicht nur wegen neuer Anteilseigner wie BLACKROCK. Seit 1978 redet auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Wörtchen mit. So wie die Coordination zurzeit massiv gegen den MONSANTO-Deal mobil macht, hat sie in der Vergangenheit bereits zahlreiche – und oft genug auch erfolgreiche – Kampagnen gegen die Risiken und Nebenwirkungen einer profit-orientierten Geschäftspolitik durchgeführt. Der CBG gelang es nach Wegeners Worten beispielsweise, in Indien die Kinderarbeit bei den Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO zu stoppen. Zuvor hatten sich bis zu 2.000 Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren zwölf Stunden am Tag für 50 Cent im Baumwoll-Anbau verdingen müssen. Auch schaffte es die Coordination in Kooperation mit Partnern vor Ort, 1987 den Bau eines gefährlichen Pestizid-Werkes in Australien zu verhindern.
Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht. Jens Wegener zitierte dazu den heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning, der 2013 in einer Fernseh-Dokumentation zu „150 Jahre BAYER“ sagte: „Die Fragen des Umweltschutzes, die Fragen des Klimaschutzes haben in den letzten Jahren eine erhebliche Bedeutung bekommen, und es war unsere Pflicht, dass wir uns mit diesen Dingen noch intensiver auseinandersetzen. Sicherlich hat einiges, was von unseren externen Kritikern gekommen ist, bestimmte Abläufe auch noch mal beschleunigt.“
Und so zeigte die Jahrestagung denn, dass eine andere Landwirtschaft und noch so einiges mehr möglich ist. Damit gab sie der „Stop BAYER/MONSANTO“-Kampagne zusätzlichen Auftrieb, die 2018 – dem 40. Jahr des Bestehens der CBG – in eine neue Runde gehen wird.

HERVORHEBUNGEN:

Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel.

Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist Roman Herre dieses Argument überzeugend ad absurdum.

Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht.