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[Krefeld] Kohlekraftwerk Krefeld

CBG Redaktion

Westdeutsche Allgemeine, 26.11.2007

Das Wackersdorf der Kohle

Essen. Im saarländischen Ensdorf sprechen die Bürger gegen den Bau eines 2,2 Milliarden Euro teuren Steinkohlekraftwerks aus. RWE-Chef Großmann zeigt sich enttäuscht.

So viel Rückenwind hatten die Grünen, der Bund für Umwelt und Naturschutz und andere Umwelt-Organisationen wohl seit dem Widerstand gegen die Atomenergie nicht. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate bringt der Widerstand der Bevölkerung ein milliardenschweres Großkraftwerk auf Steinkohlebasis ins Wanken. Nach dem massiven Widerstand in Krefeld, wo der geplante Bau eine Steinkohleblocks des Aachener Unternehmens Trianel in der Schwebe hängt, hat eine Bürgerbefragung im saarländischen Ensdorf ein 2,2 Milliarden Euro teures RWE-Kraftwerk zu Fall gebracht. „Das ist das Wackersdorf der Steinkohle“, heißt es bereits in der Branche.

Industriepolitik contra Klimaschutz
In der Tat: Die anhaltende Debatte um Klimaschutz und den Klimakiller Kohlendioxid bringt das Volk in Wallung. Und macht die Stadträte unabhängig von ihrer politischen Couleur reihenweise zu Umfallern. In Krefeld etwa, wo Trianel mit einer Milliarden-Investition den Standort Bayer-Uerdingen mit Strom versorgen will, begrüßten die Fraktionen aus SPD und CDU anfangs dieses industriepolitisch doch so wichtige Projekt – bis sich Bürgerinitiativen dagegen aussprachen und Ärzte auf die hohe Lungenkrebsrate in Krefeld verwiesen. Die Trianel-Gruppe, die als Wettbewerber der großen vier Konzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW antritt, versucht nun in Diskussionsrunden die Parteien und Umweltorganisationen von dem Vorhaben zu überzeugen.
Und nun Ensdorf. „Wir bedauern außerordentlich, dass wir dieses wichtige Projekt nicht realisieren können“, sagt RWE-Chef Jürgen Großmann. „Unser Land braucht aber neue, hochmoderne und saubere Kraftwerke um die Preise zu stabilisieren und den Klimaschutz zu verstärken.“

Grüne: „Konzerne haben Glaubwürdigkeitslücke“
Der Grünen-Fraktionsvize im NRW-Landtag, Reiner Priggen, äußerte hingegen großes Verständnis für die Bürgerbewegungen. Die Konzerne hätten „eine Glaubwürdigkeitslücke, weil sie wie RWE ihre Zusagen nicht einhalten, die alten Blöcke abzuschalten.“ Zwar erkenne auch er die Logik an, dass neue, im Wirkungsrad effizientere Kraftwerke der Umwelt letztlich mehr bringen. Allerdings würden die Konzerne Strom ständig über Bedarf und für den Export produzieren.
„Mir ist es lieber, der Strom wird in Deutschland produziert, wo das Augenmerk auf den Klimaschutz und die Effizienz der Kraftwerke viel höher ist als anderswo in Europa“, sagt Manuel Frondel, Energie-Experte beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Schließlich sei der Klimaschutz ein weltweites Problem. Die Bürgervoten nannte er „eine Überreaktion in der derzeitigen Klima-Wandel-Weltuntergangsstimmung“.

RWE zieht Antrag zurück
RWE wird nun den Genehmigungsantrag in Ensdorf zurückziehen, nachdem knapp 4000 von rund 5300 Abstimmungsberechtigten der Gemeinde das Vorhaben mit 70 Prozent abgelehnt hatten.
Die Stimme des Volkes hat gesprochen. Damit droht der Steinkohle nun ein Stigma fast so wie der Atomenergie. Kanzlerin Angela Merkel, die sich mit ambitionierten Klimaschutzzielen innenpolitisch profiliert, warnt bereits vor einer Diskriminierung der Kohle. „Im Stadtrat gegen Kohlekraftwerke zu sein und zuhause die Stand-by-Schaltung anzulassen, geht nicht“, meinte sie jüngst auf dem Steinkohletag in Essen.
Thomas Wels