Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

[Konzernkritik] STICHWORT BAYER 01/2005

CBG Redaktion

Wider den Götzendienst von Mammon, Macht, Krieg

Globalisierungskritik aus christlicher Sicht

„Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“
Jesus von Nazareth (Mt 6,24; Lk 16,13)

Hier in Düsseldorf haben am 1. Dezember 2002 vier Gruppen in der Franziskaner-Kirche erstmals eine Bekenntnis-Liturgie gegen den Götzendienst von „Mammon-Macht-Krieg“ gefeiert. (vgl. www.ofdc.de) Mit diesen drei Stichwörtern möchte ich vorab meine Zeitansage markieren:
1. Mammon: Sämtliche Bereiche des Lebens auf diesem Planeten werden derzeit dem Profit-Prinzip untergeordnet. Alles im zwischenmenschlichen Bereich soll ein Preisschild bekommen. Öffentliche Aufgaben werden zum privatwirtschaftlichen Tummelplatz. Der Lebens-Code soll via Patentrecht zum Konzern-Eigentum werden. Das kulturelle Leben wird global gleichgeschaltet. Mit einer Art „spirituellen Manipulation“ reglementieren Konzerne sogar das Seelenleben der Menschen. Gepriesen wird allerorten das Individuum, und betrieben wird eine Gleichschaltung der KonsumentInnen, ein Kollektivismus der Megastufe.
2. Macht: Die enorme Konzentration wirtschaftlicher Macht zerstört – wie das Beispiel USA am deutlichsten zeigt – jedes Modell demokratischer Kontrolle. Auch hierzulande kann von einer freien Entscheidung der ParlamentarierInnen kaum noch die Rede sein. (Der verfassungswidrige Psycho-Terror gegen AbweichlerInnen vollzieht sich in aller Öffentlichkeit.) Bedroht sind damit also nicht nur die sozialen Grundrechte, sondern auch die bürgerliche Freiheit.
3. Krieg: Der Krieg als Mittel so genannter Politik wird in dreister Missachtung der UN-Charta allenthalben rehabilitiert, als habe man aus 200 Millionen Toten des 20. Jahrhunderts rein gar nichts gelernt: in den Militärdoktrinen der USA und Frankreichs, im Entwurf der EU-Verfassung, in den Verteidigungspolitischen Leitlinien Deutschlands … Tausend Milliarden Dollar steckt man in einer Welt des Elends jährlich der Rüstungsindustrie und damit dem Militär in den Rachen.
Wir nennen diese drei Mächte „Götzen“ und meinen damit, dass sie sich absolut setzen – gegen alle Vernunft und gegen alle Fakten. Der Glaube an den freien Markt ist eine fundamentalistische Religion. Argumente braucht man nicht mehr. Dieser freie Markt funktioniert so gut, dass tausend Milliardäre inzwischen soviel besitzen wie die Hälfte der Menschheit auf der Verlierer-Seite. Alle wirklichen Probleme des Planeten bleiben ungelöst, weil sie sich mit dem Prinzip „Gier“ eben nicht lösen lassen. Und trotzdem verkünden die Herolde im Reich des Mammons: „Alles läuft bestens. Alles geschieht mit höchster Vernunft. Wir brauchen keine Alternative, und es gibt auch keine!“
Ich möchte dazu nur einen Aspekt unseres religiös motivierten Widerstandes benennen: In der jüdisch-christlichen Tradition verlangt das Vertrauen in Gott, dass nichts und niemand auf der Welt sich so absolut setzen darf. Gott aber definieren wir nicht, und wir besitzen ihn auch nicht. Wir deuten aber bestimmte Erfahrungen als seine Gegenwart. Etwa: Wenn Menschen die vorhandenen Güter so gebrauchen, dass es allen zum Leben verhilft; wenn Menschen ihr Zusammenleben nicht mittels Macht gestalten, sondern durch Dialog; oder: Wenn Menschen Konflikte gewaltfrei – ohne hochgerüsteten Egoismus – lösen. All diese Erfahrungen zeigen das genaue Gegenteil vom Herrschaftsbereich der Götzen Mammon-Macht-Krieg. Unser wichtigstes Kriterium: Götzen sind tot und bringen eine Kultur des Todes hervor. Gottes Gegenwart aber lässt uns lebendig werden und ermöglicht Leben.

Die frühen solidarischen Wirtschaftsgesetze der Bibel
Was nun ist aus unser Sicht zu sagen zu einer Reichtumsvermehrung, aus der nur eine ganze kleine Minderheit ihren Nutzen zieht? Die früheste Antwort darauf kommt von unserem älteren Bruder, dem Judentum. Sie besteht aus einer „Hausordnung der Thora“ (Franz Segbers), deren Teile man in den ersten Büchern der Bibel nachlesen kann. Seit dem achten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gibt es im Alten Israel religiösen Widerstand gegen eine neu aufkommende Wirtschaftsform. Wenige Großgrundbesitzer werden u.a. mit Hilfe der neuen Geldwirtschaft immer reicher. Immer mehr Menschen verelenden und geraten in Schuld-Sklaverei. Im Gefolge der radikal sozialkritischen Propheten reagiert die biblische „Weisung“ darauf mit den ersten solidarischen Wirtschaftsgesetzen der Geschichte. Die Ausbeutung der VolksgenossInnen – zum Beispiel durch Zinswirtschaft – ist verboten. Die Rechte der Armen und Fremden sind unantastbar. Verschuldungsverhältnisse sind klar begrenzt. (Unser Wort „Jubel“ geht auf diesen erfreulichen Schulden-Erlass zurück.) Nach einer Weile muss armen Familien das Land zur Selbstversorgung zurückgegeben werden. Alleiniger Besitzer der Erde ist Gott. Die Menschen müssen den Gebrauch aller Güter der Erde so organisieren, dass alle leben können und niemand am Hungertuch nagt.

Jesus und die Gütergemeinschaft der ersten Christen
Für Jesus sind diese Grundregeln der jüdischen Gesellschaft selbstverständlich. Wenn den einen der Bauch platzt, während andere betteln müssen, dann ist etwas an der Wurzel faul. Jesus warnt gleichzeitig davor, aus dem Geld einen Götzen zu machen. Wer die Gier zum obersten Prinzip erhebt, der wird innerlich tot und kann nicht mehr menschlich leben. Die früheste christliche Gemeinde in Jerusalem hat das alles nach Auskunft der Apostel-Geschichte sehr ernst genommen. Die ersten Christen betrachteten allen Besitz als etwas Gemeinsames. (vgl. dazu meinen Beitrag in: Marxistische Blätter 5/2003) Überflüssige Immobilien wurden verkauft oder für Wohnungslose zur Verfügung gestellt. Die Gemeinschaft konnte Ausgleich organisieren, wenn es in ihrer Mitte Bedürftigkeit gab. Eigentum war natürlich erlaubt, doch man ging damit „verhältnismäßig“ um: Im Ernstfall galt das Elend des Ärmsten als das maßgebliches Kriterium. Wie die Juden meinten die ersten Christen: Erst wenn wir keine Elenden in unserer Mitte haben, kann man erkennen, dass wir unser Zusammenleben wirklich im Sinne Gottes gestalten. Paulus organisierte dann als erster grenzüberschreitende Solidarität. Er sagte: „So ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“

Der relative Eigentumsbegriff der Alten Kirche
Die Jerusalemer Tradition der Güter-Gemeinschaft hat sich noch eine Weile im transjordanischen Juden-Christentum gehalten, und prägte später das Mönchstum. Aus den ersten Jahrhunderten der Christenheit gibt es eine Fülle von Zeugnissen, die dem zitierten Grundsatz des Paulus treu bleiben. Ganz radikal bezeichnen die pseudo-clementinischen Homilien Eigentum als Diebstahl. Die so genannte Apostel-Lehre (90 n. Chr.) und der Barnabas-Brief (Anfang 2. Jh.) sagen, niemand solle seinen Besitz als uneingeschränktes Eigentum betrachten, solange es Bedürftige gibt. Clemens von Alexandrien (gestorben um 215) tröstet die Reichen: Auch Ihr könnt Erlösung finden, wenn Ihr Euer stattliches Kapital in den Dienst des allgemeinen Wohls stellt. Eine syrische Kirchen-Ordnung aus dem 3. Jahrhundert (Didaskalia) nennt klare soziale Kriterien: In Notlagen sollen die reichsten Gemeinde-Mitglieder entbehrliche Besitztümer verkaufen. Ausgebildeten und Arbeitsfähigen soll man Arbeit vermitteln. Arbeitsunfähige und Arbeitslose haben Anspruch auf solidarische Unterstützung.

Im Römischen Reich organisieren die reichen Oberschichten das ganze Imperium rücksichtslos nach ihren Interessen. Die Christen Kleinasiens betrachten dieses System schon im 1. Jahrhundert als Bestie, weil es mit MilitärGewalt alle Güter der Erde und auch Menschen als Handelsware für Rom reklamiert. Die Cäsaren halten sich derweil für Götter und ermorden Christen, wenn sie den römischen Standbildern kein Weihrauch opfern. Unter den bedürftigen Massen spricht es sich herum, dass die christlichen Gemeinden im Gegensatz zu den Machthabern Solidarität mit den Schwächsten ganz groß schreiben. Kaiser Julian klagt später: Die Christen „ernähren außer ihren Armen auch die unsrigen; die unsrigen aber ermangeln unserer Fürsorge!“

In dieser Zeit gilt es noch als unanständig, den Kirchen-Leitungen hohe Gehälter zu zahlen. Bischof Cyprian von Kathargo († 258) lässt sich vom Grundsatz leiten „Kirchengut ist Armengut“. Sehr leidenschaftlich gegen Wucher und die eiskalten Reichen predigt der hl. Bischof Basilius in Kappadokien († 379). Er selbst ist ursprünglich Großgrundbesitzer. Seine Ländereien verwandelt er in ein christliches Gemeinwesen. Zu Notzeiten organisiert er Hilfe auch für landfremde Flüchtlinge, Nichtchristen und Juden. Der hl. Ambrosius († 410) warnt die Oberschicht vor selbstgerechter Nächstenliebe: „Es ist nicht dein Gut, mit dem du dich gegen den Armen großzügig erweist. Du gibst ihm nur zurück, was ihm gehört. Denn du hast dir herausgenommen, was zu gemeinsamer Nutzung gegeben ist. Die Erde ist für alle da, nicht nur für die Reichen.“

Exkurs: Christlicher Internationalismus
Der christliche Beitrag zur Globalisierungskritik heute ist notwendig internationalistisch. Die frühen Christen beschimpfte man als Vaterlandsverräter, weil sie der nationalen Identität betont wenig Wert beimaßen. Deutlich lässt Minucius Felix im dritten Jahrhundert den christlichen Kosmopolitismus in seinem Dialogwerk von Octavius formulieren: „Wir unterscheiden Stämme und Nationen; aber für Gott ist diese ganze Welt ein Haus.“ Zu dieser Zeit kann die vielgestaltige Weltkirche auf Seiten des Imperiums bereits als „Staat im Staate“ höchsten Argwohn auslösen. Widerwillig konstatiert – nach Eusebius – das Edikt des Galerius im Jahre 311, dass es den Christen tatsächlich gelungen sei, „die verschiedenen Völker zu einer relativen Einheit“ zu verbinden. Lactantius liefert in seinen vor 313 verfassten „Divinae Institutiones“ (VI.,6,19ff) eine glänzende christliche Kritik von Patriotismus und Nationalismus: „Was sind die ‚Vorteile des Vaterlandes‘ anderes als die Nachteile eines zweiten Staates oder Volkes, das heißt das Gebiet auszudehnen, indem man es anderen gewaltsam entreißt, das Reich zu mehren, die Staatseinkünfte zu vergrößern? Alles dieses sind ja nicht Tugenden, sondern es ist die Vernichtung von Tugenden. Vor allem nämlich wird die Verbundenheit der menschlichen Gesellschaft beseitigt, es wird beseitigt die Redlichkeit, die Achtung vor fremdem Gut, schließlich die Gerechtigkeit selbst… Denn wie könnte gerecht sein, wer schadet, wer hasst, wer raubt, wer tötet? Das alles aber tun die, welche ihrem Vaterlande zu nützen streben.“ Die großen Staaten bezeichnet später noch Augustinus als „Räuberbanden“. Heute sind die Weltkirchen Anwalt einer rechtsstaatlichen Internationalen Ordnung und verurteilen jegliches Hegemonial-Bestreben.

Thomas Morus und die französische Nationalversammlung
Die praktische Kritik an rücksichtsloser Bereicherung ist in der ganzen Kirchen-Geschichte nie verstummt. Der englische Humanist und Staatsmann Thomas Morus (1478-1535), ein Heiliger der katholischen Kirche, stellt in seinem Werk „Utopia“ fest: „Wo es noch Privatbesitz gibt, wo alle Menschen alle Werte am Maßstab des Geldes messen, da wird es kaum jemals möglich sein, eine gerechte und glückliche Politik zu betreiben.“ Höchst realistisch und aktuell ist die folgende Wahrnehmung dieses Märtyrers: „Wenn ich alle unsere Staaten im Geiste betrachte und darüber nachdenke, so stoße ich auf nichts anderes, so wahr mir Gott helfe, als auf eine Verschwörung der Reichen, die den Namen und Rechtstitel des Staates missbrauchen, um für ihren eigenen Vorteil zu sorgen.“
Solche Einsichten konnten sich in den folgenden Jahrhunderten leider nicht durchsetzen. Die französische Nationalversammlung erklärt am 26. August 1789 allen Ernstes, das Eigentum sei „ein unverletzliches und heiliges Recht“. Die katholische Soziallehre kennt kein absolutes Recht
auf Privateigentum. Dieses liberalistische „Dogma“ hat z. B. die katholische Kirche bis zur Stunde hartnäckig abgelehnt, obwohl sie die anderen Menschen- und Freiheitsrechte der bürgerlichen Revolution heute ohne Vorbehalte verteidigt. Papst Paul VI verweist auf den vorrangigen gemeinsamen Gebrauch aller Reichtümer der Erde durch die Menschen: „Das Privateigentum ist also für niemand ein unbedingtes und unumschränktes Recht.“ (Populorum Progressio). In der gleichen Enzyklika verurteilt er scharf einen ungehemmten Kapitalismus, nach dem „der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an den Produktionsmitteln ein absolutes Recht, ohne Schranken, ohne entsprechende Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft“ darstelle. Bekannt ist dieser Papst ja vor allem wegen seiner Ablehnung der Antibaby-Pille. Viel wichtiger aber war für Paul VI der Grundsatz, „dass die Wirtschaft ausschließlich dem Menschen zu dienen hat“. Der derzeitige Papst Johannes Paul II hat diese Anschauungen in vollem Umfang übernommen (Rundschreiben: Laborem excercens, Solicitudo rei socialis; Centesimus annus). Gerne wird verschwiegen, dass er gleichermaßen Staatssozialismus wie Kapitalismus angeprangert. Wegen der „vorrangigen Achtung der menschlichen Arbeit“ (Laborismus) gibt es auch für ihn kein unantastbares „ausschließliches Recht des Privateigentums an den Produktionsmitteln“. Mit Blick auf zügellose Markt-Mechanismen spricht er von „Strukturen der Sünde“. Die kapitalistische Ideologie überlasse „ihre Lösung in einem blinden Glauben der freien Entfaltung der Markkräfte.“ Wo die Gier nach Profit Wirtschaft und Politik bestimmt, sieht Johannes Paul II „wahrhafte Formen von Götzendienst“ verborgen.

Die Globalisierungskritik des Papstes
Deutlich aktualisiert Johannes Paul II. den Internationalismus der katholischen Soziallehre mit Blick auf eine Globalisierung, die dem Ziel „Lebensmöglichkeiten für alle“ gerade nicht dient: Er verurteilt die „bösartige“ Ideologie des „materialistischen Konsums“, bei der „die negativen Auswirkungen auf andere Menschen für völlig unbedeutend gehalten werden“ und „Nationen und Völker das Recht auf eine Beteiligung an den Entscheidungen, die ihre Lebensweise oft so grundlegend verändern“, verlieren. Ihre Hoffnungen würden „grausam zerstört“ durch eine Markt-Ordnung, in der „politische und finanzielle Macht konzentriert sind“, während die Finanzmärkte unberechenbar fluktuieren und „Wahlen manipuliert werden können“. Zu den Kern-Elementen einer „neuen Vision weltweiten Fortschritts in Solidarität“ müssten Garantien für das „weltweite Gemeinwohl und die Ausübung ökonomischer und sozialer Rechte“ sowie die „nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft“ gehören. (Neujahrsbotschaft 1999; vgl. Chomsky: War against People 2001, 87). Im Hintergrund hört man das kleine Prophetenbuch Habakuk (2,5-8: Völker werden ausgeplündert, der große Reichtum vergießt Blut unter den Menschen und verübt Gewalttaten an Ländern und ihren Bewohnern.) Unmissverständlich angesprochen ist hier auch der von GlobalisierungskritikerInnen unermüdlich aufgezeigte Angriff auf Demokratie und Partizipation! Zwei grundlegende Negativ-Seiten sieht Johannes Paul II. im gegenwärtigen Globalisierungsgeschehen: Die kulturelle Vielfalt und Identität der Erdregionen wird zugunsten einer übergreifenden Profit-Kultur nivelliert. Gleichzeitig kommt es zu einer zunehmenden Entsolidarisierung innerhalb der Völkerwelt.

„Wirtschaft im Dienst des Lebens“
Ganz ähnlich wie der Papst verlangte bereits 1975 der ökumenische Weltrat der Kirchen als Hauptziel der Weltwirtschaftsordnung: „Niemand darf seinen Wohlstand vergrößern, solange nicht alle das Existenz-Minimum haben.“ Seit den 1980er Jahren gibt es eine breite ökumenische Bewegung für Gerechtigkeit, die derzeit um ein klares Bekenntnis gegen die Mammon-Diktatur ringt. Der Evangelische Pressedienst präsentiert in einer eigenen Dokumentation eindrucksvolle „Texte zum ökumenischen Prozess für Alternativen zur neoliberalen Globalisierung“ aus der Weltkirche zwischen 1986 und 2002. VertreterInnen westeuropäischer Kirchen haben auf einer ökumenischen Konsultation im niederländischen Soesterberg im Juni 2002 unter dem Titel „Wirtschaft im Dienst des Lebens“ Antworten auf die Fragen der Globalisierung formuliert. Die Ergebnisse sind zusammen mit einem Begleitbrief der Generalsekretäre der beteiligten ökumenischen Organisationen und Weltbünde (ökumenischer Rat der Kirchen, Reformierter Weltbund, Lutherischer Weltbund, Konferenz Europäischer Kirchen) vom 18.9.2002 versandt worden. Darin schreiben die Generalsekretäre mit Blick auf zwischen 2003 und 2006 anberaumte Vollversammlungen: „Die ökonomische Globalisierung ist am stärksten im Bereich des internationalen Finanz- und Geldsystems vorangeschritten. Die Beziehung zwischen der Macht der Finanzmärkte und der Macht der Nationalstaaten hat sich auf dramatische Weise verschoben. Eine alles erfassende Hinwendung zu den auf Profit ausgerichteten Interessen der AktienbesitzerInnen (“shareholder value„) hat Geldströme und finanzielle Transaktionen in zunehmenden Maße von der realen Ökonomie abgekoppelt. Das Kapital konnte dadurch zum Selbstzweck werden, anstatt ein Mittel zu sein, das den Bedürfnissen der Menschen dient. Neben anderen Entwicklungen hat dies bereits zu einer ganzen Reihe verheerender finanzieller Krisen geführt und in der Folge zu einer fortwährenden Umverteilung des Reichtums von den Armen zu den Wohlhabenden, sowohl innerhalb wie zwischen einzelnen Ländern. Das Ergebnis ist ein noch nie da gewesenes Ausmaß globaler Ungleichheit und Instabilität.“ (Hinweise und Kontakte: www.kairoseuropa.de)
Die Bergpredigt Jesu bittet darum: „Euer Ja sei ein Ja. Euer Nein sei ein Nein!“ Namentlich die Reformierten Christen bereichern die Ökumene an dieser Stelle mit ihrer Entschiedenheit. Sie hielten schon im Nazi-Reich nichts von einer Ehe zwischen Staat und Kirche, wie sie Bonhoeffer als unnormal empfand. In Südafrika hat sich das reformierte Bekenntnis-Charisma gegen den Rassenwahn bewährt. Heute fordert es die Weltchristenheit dazu auf, vor dem blutigen Thron des Götzen Mammon nicht die Knie zu beugen.

Nachtrag: Irritationen?
Ich habe zumindest an einigen Beispielen aufgezeigt, dass christliche GlobalisierungskritikerInnen sich auf eine lange Tradition berufen können und keineswegs eine modische Erscheinung sind. Zumal für Nichtchristen in der Bundesrepublik bleiben nun aber einige Irritationen, wenn sie die zahmen Volkskirchen bei uns mit der Weltkirche vergleichen. Ratlos steht man etwa vor dem Bündnis zwischen rheinischem Katholizismus und CDU. Was soll daraus folgen? Parteiausschluss bei der CDU, weil man die Kapitalismus-Kritik des Papstes zitiert? Oder kirchliche Maßregelung, weil man in der Gesellschaft ganz andere Prinzipien als die der katholischen Soziallehre umsetzt?
In den USA haben wir nicht nur jene Großkirchen, die einmütig z. B. den Irak-Krieg abgelehnt haben. Daneben gibt es breite Bewegungen, die sich „moralisch“ und „christlich“ nennen. Sie stützen rechtsextreme Ansichten, militärischen Massenmord und den von Großkonzernen finanzierten Wahlkampf der Elite. Wie soll ein Außenstehender da zwischen Christen und so genannten „Christen“ unterscheiden?

Schließlich denkt man an die Unheilsgeschichte des christlichen Antikommunismus – und an das Feindbild Karl Marx. Er wollte sich – in bester jüdisch-christlicher Gesellschaft – nicht mit Verhältnissen abfinden, in denen der Mensch ein verachtetes und geknechtetes Wesen ist. Osswald von Nell Breuning, der wichtigste katholische Sozialethiker Deutschlands, meinte, nur im Gefolge dieses Mannes könne man die moderne Wirtschaft richtig bewerten. In Süd- und Mittelamerika wurden viele Christen ermordet, weil man ihren Kampf für Gerechtigkeit als kommunistisch betrachtete. Zentrale Anliegen der Befreiungstheologie wie die „Option für die Armen“ und der Blick auf „Strukturen der Sünde“ sind später gottlob auch in Rom bestätigt worden.
In der Bundesrepublik gibt es noch einen anderen Problemkomplex. Je mehr Papst-Messen auf dem Bildschirm zu sehen sind, desto weniger hören wir von den zahlreichen engagierten Stimmen in der Weltkirche, die für eine solidarische Globalisierung der Humanität einsteht. Stattdessen werden beim Thema „Kirche“ alte Sex-Geschichten und Streitigkeiten ums Abendmahl endlos aufgewärmt. In kaum einem anderen Land verdienen die TheologInnen so viel Geld wie bei uns. Sogar in Frankreich oder Italien sind die Pastöre eher arme Leute. Im deutschen Fernsehen werden nun fast ausschließlich gut dotierte Bischöfe und Theologie-Professoren zu Sozialfragen gehört. Mein Vorschlag: Zukünftig sollten auch hierzulande offiziell mehr Leute für die Kirche sprechen, die selbst nicht im sicheren Boot sitzen. Geeignet wäre zum Beispiel ein arbeitsloser Familienvater, der auf niedrigem Sozialhilfe-Niveau mehrere Kinder unterhalten muss. Außerdem ist ein lückenloser Nachweis für die ethische Anlage von kirchlichem Kapital unabdingbar.

Am 22.11.2003 fand in Düsseldorf die Jahrestagung 2003 der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „Globalisierung ohne Alternative? Die Welt im Griff der Konzerne“ statt. Stichwort BAYER dokumentiert hier den Vortrag von Peter Bürger, der aus christlicher Sicht Stellung zur konzern-kritischen Arbeit bezieht, und damit eine Diskussion über das Gemeinsame und Trennende von religiös und politisch motiviertem Engagement anstieß. Bürger ist katholischer Theologe, aktiv bei PAX CHRISTI und im ÖKUMENISCHEN FRIEDENSNETZ DÜSSELDORFER CHRISTINNEN & CHRISTEN.