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[Kongo] STICHWORT BAYER 02/2006

CBG Redaktion

Ressourcensicherung im Kongo

Bundeswehr auf BAYER-Mission

Anfang Juni stimmte der Bundestag dem Einsatz der Bundeswehr im Kongo zu. Die SoldatInnen sollen die dort am 30. Juli stattfindenden Wahlen absichern, so lautet der offizielle Auftrag. Der inoffizielle folgt weit weniger hehren Motiven: Die Miltärpräsenz dient dazu, BAYER & Co. einen ungehinderteren Zugang zu den Rohstoffen des Landes zu verschaffen.

Von Jan Pehrke

Die jüngere Geschichte des Kongo ist geprägt von Raubökonomie. Die Beute – Gold, Diamanten, Kupfer, Wolfram, Germanium, Kobalt, Tantal und andere Bodenschätze – teilen sich Schmugglerbanden, korrupte Eliten und Konzerne untereinander auf. Einer der Global Player in diesem schmutzigen Spiel: die BAYER-Tochter HC STARCK. Sie verarbeitet Rohstoffe wie Zinn, Kobalt, Wolfram und vor allem Tantal. Mit Zwischenprodukten aus diesem Material hat es das Unternehmen mittlerweile zu einer Weltmarkt-Spitzenposition gebracht; es beliefert unter anderem die Elektronik-Branche, Autofirmen und Flugzeughersteller. Im Zuge des Handy-Booms stieg besonders die Nachfrage nach Tantal-Kondensatoren, was BAYERs Tochtergesellschaft astronomische Gewinne bescherte.

Als es zu Zeiten des 1998 beginnenden kongolesischen Bürgerkriegs galt, den Nachschub an dem seltenen Metall zu sichern, scheute HC STARCK nicht einmal davor zurück, Handel mit den Kämpfern der „Kongolesischen Sammlung für Demokratie” zu treiben, welche die Minen kontrolliert und mit dem Tantal-Verkauf Waffen und Ausrüstung finanziert. So wurde der Konzern in der blutigen Auseinandersetzung, die sich laut UN „hauptsächlich um die Kontrolle und den Handel mit mineralischen Ressourcen dreht” zu einem bedeutenden Faktor der Kriegswirtschaft und feuerte so das Morden noch an. „Die Verbindung zwischen der Fortsetzung des Konflikts und der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht einige, die nicht zu den Konflikt-Parteien zählen, eine Schlüsselrolle gespielt hätten“, befand deshalb ein Report der Vereinten Nationen und kritisierte das Treiben von HC STARCK, CABOT INC. und NINGXIA massiv.

Auf die Dauer jedoch schien den ManagerInnen Risiko und Ertrag nicht mehr in einem gesunden Verhältnis zueinander zu stehen, zumal auch die Veröffentlichungen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) über den „Kriegsgewinnler HC STARCK“ für eine schlechte Presse an der Heimatfront sorgten. „Lediglich wenige, relativ kleine und risikobereite Bergbauinvestoren können unter den Bedingungen der andauernden gesellschaftlichen Instabilität und des Fehlens eines effektiv arbeitenden Verwaltungsapparats aufgrund ihrer Flexibilität in Sachen Sicherheit erfolgreich agieren und so einen Premiumgewinn abschöpfen“, analysierte der Afrika-Experte Ruben Eberlein die Ausbeutungslage im Kongo.

Parallel dazu entwickelte sich die Beschaffung von Rohstoffen und Energieträgern für BAYER & Co. zu einem globalen Problem. So suchten Vertreter von BAYER und HC STARCK gemeinsam mit ihren anderen KollegInnen von der Deutschland AG auf dem vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) ausgerichteten Kongress „Rohstoffsicherung – Herausforderung für die Industrie“ nach anderen Mitteln und Wegen zur Akquirierung von Tantal, Öl, Kobalt & Co.. Im Gefolge des Meetings bildete sich eine Arbeitsgruppe „Internationale Rohstofffragen“, welcher mit Karl Heinz Dörner nicht ganz zufällig der Präsident der „Wirtschaftsvereinigung Metalle“, der Unternehmensvereinigung von HC STARCK & Co., vorsaß. Im März veranstaltete die Ressourcen-Runde die Tagung „Für eine sichere Rohstoffversorgung“. Den Kongo zählte Dörner auf dieser Veranstaltung zu den derzeit am meisten Kopfschmerzen bereitenden „unberechenbaren politischen Regimen“, die für die rohstoff-abhängige bundesdeutsche Industrie ein „geostrategisches Risiko“ darstellten.

Und zur Minimierung dieses „geostrategischen Risikos“ gab es jetzt dank der immer gewaltbereiter auftretenden bundesdeutschen Außenpolitik ein probates Mittel: die Bundeswehr. Rudolf Adam von der „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ etwa optierte auf dem Branchentreffen ganz offen für „militärische Kräfte“, „um bestimmte Handelsrouten freizuhalten“ oder BAYER & Co. auf andere Weise Flankenschutz im Importgeschäft zu bieten.

Das publizistische Sprachrohr von Dörner & Co., die Financial Times Deutschland, schlägt noch deutlichere Töne an. „Der schwarze Kontinent ist unser Hinterhof. Dort sind auch die Ressourcen zu finden, die wir in Zukunft für unsere eigene wirtschaftliche Entwicklung brauchen. Die Chinesen haben das erkannt, sie kämpfen in Afrika schon längst um Öl-Lizenzen, bauen Straßen und Eisenbahnlinien. Die EU kann es sich nicht leisten, im Kongo zu scheitern. Deswegen muss sie klotzen, nicht kleckern: Nicht 1.000 Soldaten müssen nach Kongo, sondern 10.000 oder mehr“, schreibt das Blatt. „Rohstoff-Imperialismus“ nennt der Grünenpolitiker Ralf Fücks die neuerliche Phase der wehrhaften Weltwirtschaftspolitik deshalb treffend.

An den Voraussetzungen für eine als Exekutive von BAYER & Co. fungierende Armee bastelt die Politik schon seit 30 Jahren. Das ganz von der Ölkrise geprägte Weißbuch von 1975/76 bezeichnet die Beschaffungsprobleme beim „schwarzen Gold“ und anderen Rohstoffen als „sicherheitspolitische Bedrohung“ der Bundesrepublik. 1992 schlug der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen“ dem Aufgabenbereich der Bundeswehr zu. Und heutzutage spricht der zuständige Minister Franz Josef Jung ohne viel Federlesens von den deutschen Interessen, denen das Heer zu dienen habe. „Stabilität in Afrika, unserem Nachbarkontinent, liegt in unserem Interesse“, sagte er in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und auf die Nachfrage des Journalisten: „Und wirtschaftliche Interessen, Versorgungs- und Ressourcensicherung?“ antwortete er: „Das gehört dazu“. Auch für Bundespräsident Horst Köhler hat sich die Bundeswehr um die Belange von BAYER & Co. zu kümmern. „Dass wir auch deutsche Interessen identifizieren und einbringen, möchte ich doch schwer hoffen!“, so der CDU-Politiker.

Die deutsche Interessenslage im Kongo eruiert das Auswärtige Amt schon seit geraumer Zeit. „Mittelfristig, insbesondere nach Ende des gegenwärtigen länderübergreifenden Konfliktes, dürfte vor allem die DR Kongo aufgrund ihrer Größe, ihres Rohstoffreichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen“, heißt es in einem Strategiepapier von 2003, das auch gleich eine Inventur vornimmt und fein säuberlich alle Bodenschätze der Region auflistet. Die AutorInnen machen in dem Land Ansätze für Kooperationen auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet aus, wobei sie recht einseitige Vorstellungen von Teamwork entwickeln: „Ziel sollte es sein, dass die Umsetzung der Globalziele von den afrikanischen Partnern im vollen Umfang als eigene Zielvorstellung übernommen und nicht nur versucht wird, ‚pro forma‘ einer (westlichen) Erwartungshandlung zu entsprechen“. Aber umsonst ist diese Überzeugungsarbeit nicht zu leisten. Nicht zuletzt, weil schon „eine Tendenz seitens internationaler Großkonzerne und einzelner Industriestaaten erkennbar ist, sich auf wirtschaftspolitischem Gebiet für eine post-Konflikt-Phase strategisch zu positionieren“, mahnt das Dossier finanzielle Unterstützung an.

Diese bekam die Afrikapolitik auch, und so mischte die Bundesrepublik bei den Positionskämpfen um den Platz an der Sonne im Kongo kräftig mit. Sie ließ dem rohstoffreichen Osten des Staates umfangreiche Hilfslieferungen zukommen, schickte die „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) vor Ort und versicherte sich bei Projekten des Beistandes der CDU-nahen „Konrad-Adenauer-Stiftung“. Während Stabsoffiziere der Bundeswehr sich um die Ausbildung kongolesischer Soldaten kümmerten, bildete der Bundesgrenzschutz „Sicherheitskräfte“ aus. Zudem bahnte die Bundesregierung eine Waffenbruderschaft mit Nambia an. Sie bestückte die Armee mit Ausstattung im Wert von 2,5 Millionen Euro und erwartet als Gegenleistung im Falle eines Falles Einsatzbereitschaft im Nachbarland.

Wenn der Hamburger Afrikaverein konstatiert: „Der Kuchen wird jetzt verteilt“, so ist die Bundesrepublik bestens gerüstet. Es gilt nur noch, die Bundeswehrtruppe darauf vorzubereiten, dass die Verteilungskämpfe angesichts „marodierender Banden und Milizen“ wohl kaum ohne Blessuren abgehen werden. So stellt der Brigadegeneral Johann Berger die 780 SoldatInnen schon einmal prophylaktisch auf „schreckliche Bilder“ ein, denn: „Wer nicht physisch, psychisch und mental entsprechend ausgebildet ist, braucht da gar nicht erst hingehen. Ein zerfetzter Mensch sieht nicht gut aus“.

Es könnten also wieder einmal Menschen Blut für BAYER lassen, wie im Zweiten Weltkrieg, dessen Planungen die damaligen Vorstände nicht zuletzt mit Blick auf die verlockenden Rohstoffvorkommen in Osteuropa maßgeblich mit vorantrieben.

Zitate aus www.german-foreign-policy.com