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Keine Kohlekraft für BAYER
BAYERs Chemie-„Park“ in Krefeld muss ohne neues Kohlekraftwerk auskommen. Der Energie-Versorger TRIANEL beugte sich dem Druck der Öffentlichkeit und entschied sich für eine umweltschonendere Variante: ein Gas-und Dampfkraftwerk.
4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr, 4.000 Tonnen Schwefeloxide und Stickoxide, 400 Tonnen Feinstaub, sechs Tonnen Blei, zwei Tonnen Nickel, eine Tonne Arsen, 600 kg Quecksilber, 500 kg Cadmium und Thallium – das alles und noch viel mehr bleibt den KrefelderInnen erspart. Mitte Juli 2011 gab nämlich das Unternehmen TRIANEL bekannt, auf das geplante Kohlekraftwerk im Chemie-„Park“ von BAYER zu verzichten. Damit beugte sich die GmbH, ein Zusammenschluss von Stadtwerken, kommunalen und regionalen Energie-Versorgern, dem Druck der Öffentlichkeit.
Eine breite Allianz hatte sich zusammengefunden, um den Bau der Dreckschleuder zu verhindern. Das Kraftwerk sollte von der BAYER-Tochter CURRENTA betrieben werden und das Werk des Chemie-Multis mit Strom und Dampf versorgen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gehörte dem Bündnis ebenso an wie lokale Bürgerinitiativen, der BUND, der Niederrheinische Umweltschutz-Verein (NUV) und eine ÄrztInnen-Vereinigung. Sogar der Stadtrat sprach sich gegen das Vorhaben aus.
Immer wieder rief das Bündnis zu Demonstrationen in Krefeld auf. Zudem beteiligten sich die CBG, andere Initiativen und Privatleute an dem Genehmigungsverfahren und legten der Bezirksregierung mehr als zwanzigtausend Einwendungen vor. Auch auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlungen kam das Thema immer wieder. Aber wenn der Leverkusener Multi sich nicht gleich von aller Verantwortung lossagte und auf TRIANEL als Ansprechpartner verwies, pries er das „hochmoderne Kraftwerk“ in den ökologischsten Tönen und drohte mit Arbeitsplatz-Verlusten, falls es nicht ans Netz gehe. Ein Bündnispartner für diese Betonkopf-Politik fand der Konzern in der Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE UND ENERGIE (IG BCE), die auf das Drohszenario ansprang und bei Regionalratssitzungen und anderen Gelegenheiten Stimmung für die Steinzeit-Technologie „Steinkohle“ machte.
Bei TRIANEL jedoch zeigte die Kritik Wirkung. Die Stadtwerke von Dachau verließen den Verbund sogar wegen des in Krefeld geplanten Kohlekraftwerkes. Und als die Bundesregierung ihr neues Energiekonzept veröffentlichte, das stärker auf regenerative Energien setzte, kippte die Stimmung endgültig. „Gesellschafter votieren für Wechsel von Kohle auf Gas“, gab der Versorger am 7. Juli 2011 bekannt. Zeitdruck führte er als offizielle Begründung an. Das Unternehmen glaubte nicht mehr daran, den Bau rechtzeitig bis zur 2017 vorgesehenen Stilllegung der beiden alten Kohlekessel im Chemie-„Park“ abschließen zu können. Offenbar rechnete es mit vielen Verzögerungen im Planungsprozess durch die zahlreichen Einwendungen und den politischen Druck der KraftwerksgegnerInnen.
Für das anstelle des Klimakillers projektierte Gas- und Dampfkraftwerk reichte TRIANEL bereits Ende August 2011 erste Unterlagen für ein Genehmigungsverfahren ein. Allerdings ließ der Konzern sich ein Hintertürchen offen. „Trotz optimaler Ausrichtung des Konzeptes auf die Anforderungen der Energiewende sind aufgrund der hohen wirtschaftlichen Unsicherheiten bis zur erfolgreichen Realisierung des GuD-Kraftwerks noch etliche Steine aus dem Weg zu räumen“, erklärte der Manager Martin Hector. Zur Beseitigung der Hindernisse spekuliert er wie andere aus der Branche auf finanzielle Hilfe aus Berlin, und um die Bedürftigkeit zu unterstreichen, will TRIANEL den Antrag zum Bau des Kohlekraftwerkes vorerst nicht zurückziehen.
CURRENTA-Chef Stefan Dresely kündigte ebenfalls einen Plan B, ein BAYER-eigenes Kraftwerk, für den Fall an, dass der Stadtwerke-Verbund das GuD-Kraftwerk nicht realisiert. Nur zähneknirschend akzeptierte er die Krefelder Energie-Wende. „Da sich die wirtschaftlichen und energie-politischen Rahmenbedingungen in den vergangenen Monaten sehr stark verändert haben, verstehen wir die Entscheidung von TRIANEL“, gab Dresely zu Protokoll. Kein Verständnis hätte der Leiter des Chemie-„Parks“ allerdings für höhere Preise: Er erhebt auch für die Zukunft Anspruch auf eine Strom- und Dampfversorgung zu wettbewerbsfähigen Bedingungen.
Trotz aller noch vorhandenen Unwägbarkeiten dürfte das Gas- und Dampfkraftwerk jedoch kommen. Dennoch liegt damit noch längst nicht alles im grünen Bereich. Die Anlage ist nämlich deutlich überdimensioniert. Sie kann bis zu 1200 Megawatt Strom erzeugen – 450 Megawatt mehr als das ursprünglich avisierte Kohlekraftwerk und deutlich mehr, als der Chemie-„Park“ braucht. TRIANEL betont zwar, noch keine endgültige Entscheidung über die Kapazität getroffen zu haben und eine Leistung zwischen 800 und 1.200 Megawatt anzustreben, aber mehr als genug wird es auf jeden Fall sein. Der Konzern verfolgt offenkundig die Strategie, über die Massenproduktion den Wettbewerbsnachteil von GuD-Kraftwerken gegenüber Kohlekraftwerken wettzumachen.
So verlässt dann wohl ein Gutteil des Stroms den Chemie-„Park“, aber wie Klaus Lippert vom Bürgerverein Mündelheim feststellt: „Der Dreck bleibt doch bei uns“. Besonders in der Kritik steht der hohe CO2-Ausstoß. 2,8 Millionen Tonnen des Klimakillers – rund 60 Prozent des Kohlekraftwerk-Wertes – muss der Himmel über Krefeld verkraften, sollte TRIANEL die Anlage auf 1.200 Megawatt fahren. Und noch ein anderer ökologischer Vorteil des GuD-Kraftwerks schwände dahin: der technisch mögliche Wirkungsgrad von 90 Prozent. Dieser ergibt sich nämlich nur dann, wenn die Fertigungsstätten von BAYER & Co. den bei der Stromerzeugung anfallenden Dampf energetisch nutzen können, und das können sie bei einem 1.200-Megawatt-Kraftwerk nicht. Die überschüssige Prozesswärme ginge dann in den Rhein und würde dort für eine dem Ökosystem „Fluss“ abträgliche Aufheizung sorgen.
Darum begrüßt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zwar das GuD-Kraftwerk als Brückentechnologie hin zu einer wirklich umweltschonenden Stromerzeugung, kritisiert aber die Dimensionen. Zudem verlangt die CBG von BAYER selber eine Kehrtwende in der Energie-Politik. Sie fordert den Multi auf, den Anteil der regenerativen Energien drastisch zu erhöhen und auf energie-intensive Produktionen zu verzichten. Von Jan Pehrke