Provisorische Zulassungsverlängerung scheitert
Der EU-Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel lehnte am letzten Freitag eine provisorische Verlängerung der Glyphosat-Zulassung ab, die am 15. Dezember ausläuft. Einen entsprechenden Antrag, den zuständigen Gremien ein Jahr länger Zeit zu geben, die von dem Mittel für Mensch, Tier und Umwelt ausgehenden Gefahren abzuschätzen, hatte die EU-Kommission vorgelegt. Und auch BAYER sowie die anderen in der „Glyphosat Renewal Group“ organisierten Hersteller des Herbizids forderten – allerdings gestützt „auf die überzeugenden wissenschaftlichen Argumente für eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung“ – einen solchen Beschluss ein. Doch dafür kam keine qualifizierte Mehrheit zustande.
„Die Coordination gegen BAYER-Gefahren begrüßt das Votum. Völlig zu Recht empfanden es die Ausschuss-Mitglieder als unverantwortlich, Glyphosat ohne aktuelle Risikoprüfung weiter auf dem Markt zu lassen. Nicht von ungefähr zeigte sich die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides ‚zutiefst besorgt‘ über die sich in die Länge ziehende Bewertung des Herbizids. Umso peinlicher, dass das grün geführte deutsche Landwirtschaftsministerium die Entscheidung im Ausschuss nicht mittrug und sich stattdessen der Stimme enthielt“, so CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.
Die Bundesregierung sähe die Verzögerung im Verfahren zwar kritisch, wolle aber der Europäischen Kommission „bei der formal-administrativen Verlängerung um einen kurzen Zeitraum“ nicht im Weg stehen, heißt es in einer Erklärung des „Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft“. Solche „formal-administrativen Verlängerungen“ ohne fundierte wissenschaftliche Basis gehören in Brüssel zur üblichen Praxis. „Die Wiedergenehmigungsverfahren auf EU-Ebene werden (…) oft über Jahre verzögert: Wenn das geschieht, wird die Genehmigung über die gesetzlichen Fristen hinaus immer wieder verlängert“, kritisierte das Umweltbundesamt Anfang des Jahres. Als ein Beispiel nannte es dabei den unter anderem in BAYER-Produkten enthaltenen Wirkstoff Flufenacet, der bereits seit 18 Jahren in aller Ruhe Ehrenrunden dreht.
Einer immerhin einjährigen Ehrenrunde dürfte, trotz des negativen Bescheids vom Freitag, Glyphosat entgegensehen, dank des Berufungsausschusses oder aber der Kommission selbst, die in der Sache das letzte Wort hat. Der langerwartete Bericht der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zu den Risiken und Nebenwirkungen des Pestizids ist jetzt für Juli 2023 angekündigt. Derjenige der Europäischen Chemikalien-Agentur ECHA liegt schon vor. Sie empfahl Anfang Juni die Wiederzulassung, ohne neuere Untersuchungen zu der von der Substanz ausgehenden Krebsgefahr oder zu den blinden Flecken der von BAYER & Co. vorgelegten Studien zur Kenntnis genommen zu haben. Das Urteil der EU über die Agro-Chemikalie erfolgt dann voraussichtlich im Dezember 2023. Selbst wenn dieses positiv ausfallen sollte, beabsichtigt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, an dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Glyphosat-Ausstieg festzuhalten. Das Ergebnis der Prüfung, ob das EU-Recht ein solches Vorgehen erlaube, stehe jedoch noch aus, schränkte er ein.
Für die CBG hätten die wissenschaftlichen Befunde zu dem Glyphosat-Gefährdungspotenzial schon im Jahr 2017 ausgereicht, um das Pestizid aus dem Verkehr zu ziehen. Und nicht nur das: „138.000 krebskranke KlägerInnen, die Entschädigungsansprüche an BAYER stellen, sprechen eine deutliche Sprache“, konstatiert Marius Stelzmann abschließend.
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