29.04.2005, junge Welt
Mehr Profit, weniger Jobs
Bayer präsentiert glänzende Geschäftszahlen. »Sparprogramm« sorgte für höhere Dividenden, Manager- und Aufsichtsratsvergütungen. Tausende Arbeitsplätze vernichtet
Die Bayer-Aktionäre dürfen auf der heute stattfindenden Hauptversammlung zufrieden mit ihrem Unternehmen sein. Der Leverkusener Multi hob seinen Umsatz um mehr als eine Milliarde auf 29,76 Milliarden Euro und erhöhte seinen Shareholdern deshalb die Dividende auf 55 Cent je Aktie. Auch sich selbst genehmigte die Chefetage einen kleinen Bonus: Die vier Vorstandsmitglieder strichen gut zwei Millionen Euro mehr ein als im Geschäftsjahr 2003. Allein Bayer-Boß Werner Wenning kam bei einem Jahresgehalt von 2,36 Millionen Euro auf eine Lohnerhöhung von 48 Prozent. Da mag auch der Aufsichtsrat nicht länger zurückstehen. Er will sich von den Aktionären eine Aufstockung der Grundvergütung um 20000 auf 60000 Euro im Jahr genehmigen lassen. Hinzu kommen erfolgsabhängige Zahlungen von etwa 30000 Euro – lukrativer war Kopfnicken selten.Generiert wurde der Geldregen durch ein Kosteneinsparungsprogramm mit einem Volumen von einer Milliarde Euro und das Abstoßen von Betriebsteilen. Die Rationalisierungsoffensive vernichtete allein an den bundesdeutschen Standorten 2400 Arbeitsplätze, dieses Jahr trifft es weitere 750 Stellen. Zusätzliche Jobs kostet die Trennung von Teilen des Kunststoff- und Chemiegeschäfts. Plaste und Elaste erschwerten das Erreichen des Profitziels von 19 Prozent allzu sehr und firmieren nunmehr selbständig unter dem Namen »Lanxess«. Seit das neue Unternehmen im Januar an die Börse ging, setzten nicht etwa seine Aktien, sondern die von Bayer zum Höhenflug an. Lanxess hingegen wartet allmonatlich mit Hiobsbotschaften auf. Im April erst kündigte die neue Firma zwei Werksschließungen und die Beseitigung von über 1000 Arbeitsplätzen an.Trotzdem brachten nicht etwa die wachsenden Erträge den Konzern dazu, aus der Portokasse zur Abwechslung auch mal wieder Gewerbesteuer zu zahlen. Eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt deckte vielmehr ein paar nicht ganz legale Steuertricks auf und zwang Bayer zu Nachzahlungen. Aber nicht nur auf Kosten von Jobs und Staatseinnahmen versucht der Pillenproduzent sein Kapital zu mehren, auch zu Lasten der Umwelt. Nicht zuletzt die starke Arbeitsverdichtung im Konzern führt zu einer Zunahme von Störfällen. Allein im US-amerikanischen Addyston kam es binnen acht Wochen zweimal zum Austritt von krebserregendem Acrylnitril-Gas. Der Global Player schreckt nicht einmal davor zurück, sich der Kinderarbeit zu bedienen: Bei den Zulieferfirmen seiner indischen Saatgut-Tochter ProAgro leisten bis zu 1650 Kinder Frondienste. Zudem erweist sich der rechtliche Rahmen oftmals als zu eng für ein vernünftiges Wirtschaften. Dreimal stand der weltgrößte Agrochemie-Produzent wegen illegaler Preisabsprachen bei Kunststoffen und einmal wegen Kartellbildungen bei Diabetesgeräten vor Gericht. Die gezahlten Strafen summierten sich dabei auf über 100 Millionen US-Dollar. Dennoch kann sich Bayer-Chef Wenning das neuerliche Aufkommen von Kapitalismuskritik nicht erklären. »Ich verstehe gar nicht: Wen meint Herr Müntefering eigentlich«, gestand er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Wenig anzufangen wußte Wenning auch mit der Frage: »Ab welcher Höhe wird Profit unanständig. Wo beginnt der Exzeß, vor dem Müntefering warnt?« »Mit diesen Schlagworten kann ich nichts anfangen«, antwortete er. Da werden die Coordination gegen Bayer-Gefahren und die von ihr eingeladenen Initiativen dem Konzernchef in ihren Gegenreden zum Geschäftsbericht auf dem Aktionärstreff gehörig auf die Sprünge helfen müssen.
Udo Hörster