UN-Konferenz zu biologischer Vielfalt
Jatropha: Greenwashing mit „Bio“-Treibstoff
Im Mai findet in Bonn die 9. UN-Konferenz zur Konvention über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity) statt. Wichtige Themen werden dabei die negativen Auswirkungen von Agrar-Kraftstoffen, Pestiziden und Gentechnik für die biologische Vielfalt sein. Gleichzeitig versuchen BayerCropScience, Monsanto und andere Firmen, die UN als Werbeplattform für ihre Technologien zu mißbrauchen.
Mit großem Aufwand präsentierte Bayer CropScience Anfang Januar eine neue Kooperation mit DaimlerChrysler und dem Nahrungsmittel-Konzern Archer Daniels Midlands. Gemeinsam wollen die drei Unternehmen den Anbau der tropischen Ölpflanze Jatropha, eine der zur Zeit am meisten propagierten Kraftstoff-Pflanzen, forcieren.
BAYER behauptet, dass sich Jatropha auf „Grenzertragsböden in tropischen und subtropischen Klimata anbauen lässt, also auf Flächen, die sich nicht für die Produktion von Nahrungsmitteln eignen“. Allerdings ist geplant, die Ölfrucht auch auf Standorten anzubauen, die von der lokalen Bevölkerung intensiv genutzt werden, und zwar als Weideland und zur Sammlung von Nutzpflanzen. Ein Hektar kann je nach Ertrag etwa zehn Tankfüllungen pro Jahr liefern – aber durch einen Hektar Weideland kann auch eine Großfamilie ihre Ernährung erheblich und dauerhaft verbessern. Die Welternährungsorganisation FAO weist seit Jahrzehnten darauf hin, dass solche Ressourcen für Ernährung und Gesundheit armer Bevölkerungsschichten sehr wichtig sind.
Jatropha-Plantagen würden die Bevölkerung von ihrem gemeinschaftlich genutzten Land vertreiben, Armut und Hunger wären die Folge. Auch die Konkurrenz um Wasser würde durch den Anbau verschärft, denn mit Bewässerung liefern die Pflanzungen weit höhere Erträge.
Vertreibung droht
In Indien soll durch ein großangelegtes Regierungsprogramm drei Viertel der sogenannten „wastelands“ – bis zu 11 Millionen Hektar – durch Kraftstoff-Plantagen ersetzt werden. Zusammen mit DaimlerChrysler will BayerCropScience hierfür die Technologie liefern. BAYER arbeitet intensiv an Saatgut und Pflanzenschutzmitteln für Jatropha; es wird erwartet, dass langfristig auch gentechnische Herbizid-Resistenz eingesetzt werden soll. Damit würden Kleinbauern in die von Gentechnik-Mais, -Soja und -Baumwolle bekannte Abhängigkeit geraten.
Bereits jetzt wird in Indien Jatropha im Vertragsanbau von Kleinbauern produziert. Dabei werden Saatgut und Kredite von derselben Firma geliefert, die das Produkt zu üblicherweise vorher festgelegten Preisen aufkauft. In der Regel sind Kleinbauern im Vertragsanbau in einer ungünstigen Verhandlungsposition; sie tragen die Risiken von Ernteschwankungen, die auch bei Jatropha bestehen. Verschuldung tritt oft an die Stelle des erhofften festen Einkommens. Jatropha hat, wie Kaffee, unterschiedliche Reifezeitpunkte, so dass eine mechanische Ernte kaum infrage kommt. Wenn, wie in den Publikationen von BAYER, die Schaffung von Arbeit durch Jatropha-Anbau betont wird, sollte man nach dem Einkommen fragen, und eben auch nach der Verdrängung von Armen vom Gemeinschaftsland.
Wegen seiner Giftigkeit für Mensch und Tier wurde Jatropha zudem in manchen Ländern, so in Westaustralien, verboten. Die Risiken eines großflächigen Anbaus sind unbekannt.
Werbeplattform UN
BayerCropScience und DaimlerChrysler sammelten bereits im September 2007 in Madrid unter den Delegierten einer UN-Konferenz, der 8. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Wüstenbekämpfung (UNCCD), Unterschriften für den Anbau von Jatropha. Schon seit 2002 hat BayerCropScience, ein Teilkonzern der BAYER AG, einen Vertrag mit dem Sekretariat der Wüstenbekämpfungskonvention, das seinen Sitz in Bonn hat. Soweit bekannt, stellt BAYER einige PCs zur Verfügung. Im Gegenzug ist BayerCropScience bei den Verhandlungen der UNCCD-Vertragsstaaten mit großen Ständen präsent und hat direkten Zugang zu den Regierungsvertretern.
Auch im Vorfeld der UN-Konferenz über die Biologische Vielfalt im Mai in Bonn wird der Anbau von Jatropha beworben. Auf einem Vorbereitungs-Treffen in Hannover präsentierte DaimlerChrysler seine Jatropha-Aktivitäten. Ein Vertreter der Intermed Discovery, einer Management-Ausgründung von BAYER, die sich ebenfalls mit Jatropha befasst, durfte bei der feierlichen Vorstellung der Biodiversitäts-Strategie der Bundesregierung im Dezember 2007 in Berlin über internationale Aspekte der Biologischen Vielfalt sprechen.
Schon 2004 wurde mit der UN-Umweltbehörde UNEP eine Kooperation eingegangen. Im August 2007 fand im BAYER-Erholungsheim in Leverkusen gar die „Internationale Jugendumweltkonferenz“ der UNEP statt. Die BAYER AG bezahlte die komplette Veranstaltung, und ihr Vorstandsvorsitzender Werner Wenning hielt eine Eröffnungsrede (s. SWB 3/2007).
Pestizide und Artensterben
Zugleich trägt BAYER als weltgrößter Pestizidhersteller massiv zur Bodenerosion und zum Verlust biologischer Vielfalt bei. Obwohl die BAYER AG in ihrem Geschäftsbericht 1995 angekündigt hat, bis zum Jahr 2000 den Verkauf sämtlicher Pestizide der Gefahrenklasse 1a (extremely hazardous) und 1b (highly hazardous) einzustellen, verkauft der Konzern weiter solche Pestizide in Entwicklungsländern.
Auch gentechnisch verändertes Saatgut wird von BayerCropScience vertrieben. Der Konzern hofft, dass sich der weltweite Markt für gentechnisch verändertes Saatgut von Mais, Soja, Raps, Baumwolle und Reis von 2005 bis 2015 auf rund 3,6 Mrd verdoppeln wird. Herbizidresistentes Saatgut in Verbindung mit dem jeweiligen Agrogift trägt erheblich zur Vernichtung von biologischer Vielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie zur Bodenerosion bei.
Schlechte Nachrichten aus Indien
In Chhattisgarh, dem Jatropha-Vorreiter unter den indischen Bundesstaaten, wurden einigen der größten indischen Unternehmen 200.000 Hektar Land versprochen, ein Paradies für sogenannte „land-grabber“ – Profis, die sich Land aneignen, so ein Sozialarbeiter aus der Region. 2006 hatten bereits 30 Kleinbauern im Kampf um ihr Land ihr Leben verloren, berichtet die Umwelt-Zeitschrift Down to Earth. Die Umweltaktivistin Vandana Shiva kritisiert, dass Kleinbauern unter Androhung von Gefängnisstrafen ihr Reisland für den Jatropha-Anbau übergeben mussten. Auch aus der Region Patnagar wurden Verkäufe fruchtbaren Landes an Firmen für den Jatropha-Anbau berichtet.
Im Oktober 2007 wurde geschätzt, dass in Indien bereits 500.000 bis 600.000 Hektar Jatropha angebaut werden, und die Staatsbank vergab Millionen-Kredite an Kleinbauern. Aus der Grünen Revolution der Siebziger Jahre ist bekannt, dass solche Kredite häufig zur Verschuldung führen; hinzu kommt heute der Vertragsanbau zu Bedingungen, die ebenfalls häufig Verschuldung zur Folge haben.
von Susanne Gura (AG Biodiversität des Forum Umwelt und Entwicklung)