10 Fragen an den Vorstand der Bayer AG
von Susanne Gura, Forum Umwelt und Entwicklung
Wie im Geschäftsbericht 2007 auf Seite 5 ausgeführt, haben neben dem verbesserten Marktumfeld in Lateinamerika gestiegene Preise für landwirtschaftliche Grunderzeugnisse und der verstärkte Anbau von Pflanzen zur Herstellung von Biokraftstoffen zu einer Geschäftsbelebung für Bayer CropScience geführt.
Weltweit kommt es in vielen Ländern derzeit zu Unruhen aufgrund der Preisanstiege für Lebensmittel, besonders dort, wo nicht wie bei uns, durchschnittlich 12 Prozent des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben werden, sondern dort, wo bis zu 80 Prozent des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben werden. Agrarkraftstoffe konkurrieren mit Nahrungsmitteln um Land und Wasser.
Die Bayer AG investiert zur Zeit in eine Pflanze namens Jatropha, ein ölhaltiger Strauch mit ungenießbaren Früchten, der hauptsächlich in trockenen Regionen wächst. Die Samen bestehen zu über 30 Prozent aus Öl, wie der Bayer CropScience-Vorstandsvorsitzende Professor Berschauer auf der Jahres-Pressekonferenz vom 6. September 2007 erläuterte. Er führte aus (Zitat): „Jatropha lässt sich auf Grenzertragsböden in tropischen und subtropischen Klimata anbauen, also auf Flächen, die sich nicht für die Produktion von Nahrungsmitteln eignen“ (Zitat Ende)
Hier irrt sich Herr Prof. Berschauer. In Indien sollen durch ein großangelegtes Regierungsprogramm bis zu 11 Millionen Hektar Gemeinschaftsland durch Agrar-Kraftstoff-Plantagen ersetzt werden. Zusammen mit DaimlerChrysler will BayerCropScience hierfür die Technologie liefern Es handelt sich dabei um Flächen, die als „wastelands“ bezeichnet werden. Dies ist Gemeinschaftsland, das zwar nicht mit Reis oder Weizen bebaut werden kann, auf dem aber meist eine Vielfalt von Früchten, Nüssen, Medizinalpflanzen und Futterpflanzen für Nutztiere wachsen. Die Welternährungsorganisation FAO weist seit Jahrzehnten darauf hin, dass Weideland und andere nicht bebaute Land-Ressourcen für Ernährung und Gesundheit armer Bevölkerungsschichten sehr wichtig sind. Gerade diese Schichten haben kaum Möglichkeiten, von einer Privatisierung des Gemeinschafts-Landes zu profitieren und Jatropha-Anbau zu betreiben. Jatropha-Plantagen würden die Bevölkerung von ihrem gemeinschaftlich genutzten Land vertreiben, Armut und Hunger wären die Folge. Von diesem indischen Gemeinschaftsland sollen drei Viertel mit Jatropha bzw. Rizinus für den Agrarkraftstoffmarkt bebaut werden. Dieser befindet sich schon jetzt großenteils nicht etwa in Indien, sondern im Ausland.
1. Wie plant Bayer sicherzustellen, dass nur Land mit Jatropha kultiviert wird, das nicht von alters her von Dorfgemeinschaften als Weideland und durch Sammeln von Früchten und ähnlichem zur Ergänzung ihrer Ernährung und medizinischen Versorgung genutzt wird?
In Chhattisgarh, dem Jatropha-Vorreiter unter den indischen Bundesstaaten, wurden einigen der größten indischen Unternehmen 200.000 Hektar Land versprochen, und Aneignungen finden bereits statt. Bereits 2006 hatten 30 Kleinbauern im Kampf um ihr Land ihr Leben verloren. Die Trägerin des Alternativen Nobelpreises Right Livelihood Award Vandana Shiva kritisiert, dass Kleinbauern unter Androhung von Gefängnisstrafen ihr Reisland für den Jatropha-Anbau übergeben mussten. Auch aus der Region Patnagar wurden Verkäufe fruchtbaren Landes an Firmen für den Jatropha-Anbau berichtet.
2. Wie plant die Bayer AG zu verhindern, dass durch den Anbau von Jatropha künftig in Indien Kleinbauern vertrieben werden?
3. Wie plant die Bayer AG zu verhindern, dass fruchtbares Land von der Nahrungsmittelproduktion zur Jatropha-Produktion übergeht?
Auch die Konkurrenz um Wasser würde durch den Anbau verschärft, denn mit Bewässerung liefern die Pflanzungen weit höhere Erträge als ohne Bewässerung.
4. Wie plant die Bayer AG zu verhindern, dass Jatropha auf bewässertem Land angebaut wird?
5. Erwartet die Bayer AG, dass mit der Züchtung zu höheren Erträgen auch ein Bedarf an Wasser und Düngemitteln entsteht?
Bereits jetzt wird der Jatropha-Anbau mit festen Lieferverträgen vorgenommen, so daß Kleinbauern nicht zu anderen Abnehmern wechseln und von den steigenden Preisen profitieren können.
6. Wie plant die Bayer AG zu verhindern, dass durch feste Lieferverträge den Kleinbauern die freie Wahl der Abnehmer genommen wird?
Bereits jetzt stellen die indischen Banken großen Agrar-Spritverarbeitern Kredite zur Verfügung, mit denen ganze Bevölkerungsgruppen, wie bereits bei der so genannten Grünen Revolution der 80er Jahre, in die Verschuldung getrieben werden.
7. Wie plant die Bayer AG sicherzustellen, dass Jatropha-Bauern nach jeder Ernte die Kredite bedienen können und damit nicht in eine Schuldenfalle geraten?
BAYER arbeitet intensiv an Pflanzenschutzmitteln für Jatropha, auch wenn Jatropha als völlig genügsame Pflanze gilt, die nicht von Schädlingen oder Krankheiten befallen wird. Es soll langfristig auch gentechnische Herbizid-Resistenz in das Saatgut eingesetzt werden, denn es sollen Herbizide eingesetzt werden, die alle Pflanzen außer der gentechnisch resistent gemachten vernichten.
8. Erwartet die Bayer AG, dass mit der Züchtung der Jatropha-Pflanze hin zu höheren Erträgen die Resistenz gegenüber Schädlingen verloren geht?
Das von der Bayer AG zu Beginn des Jahres in der Presse erklärte Ziel, derartige Herbizide und entsprechende Resistenzen für Jatropha zu entwickeln, entspricht keinesfalls den Erkenntnissen und Zielen führender landwirtschaftlicher Wissenschaftler und politischen Entscheidungsträger. Erst vorige Woche hat der Weltagrar-Rat eine radikale Reform der Landwirtschaft gefordert. Weltweit seien die Böden durch Agrar-Chemikalien geschädigt und daher seit Jahren die Ernten wichtiger Grundnahrungsmittel rückläufig. Die von 400 Wissenschaftlern erarbeiteten Empfehlungen drängen darauf, biologische Methoden anzuwenden. Diese können die Welternährung sicherstellen, wenn der Konsum von Tierprodukten auf der Grundlage von Kraftfutter sich auf ein vertretbares Maß einstelle. Davon profitieren würden Gesundheit, Klima, Tierschutz und die Umwelt. BayerCropScience ist mit Pflanzenschutzmitteln am nicht nachhaltigen Anbau von Soja-Kraftfutter maßgeblich beteiligt.
9. Wie wird die Bayer AG künftig ihre Geschäftstätigkeit im Bereich BayerCropScience an diesen Empfehlungen und den zu erwartenden veränderten Regulierungsrisiken ausrichten und im Sinne der nachhaltigen Ernährung der Weltbevölkerung biologische anstelle der nicht nachhaltigen chemischen Methoden weiterentwickeln?
Der Geschäftsbericht kündigt auf S. 93 an, dass Bayer Crop-Science sich künftig in dem Segment Saatgut und Pflanzenbiotechnologie noch aktiver engagieren und den Umsatz von BioScience innerhalb der nächsten zehn Jahre auf rund 1 Milliarde ausbauen will. Auch dies lässt im Bereich Regulierung neue Risiken erwarten, denn dieses Geschäftsziel steht nicht im Einklang mit den oben genannten Empfehlungen, die weltweit mit Erleichterung aufgenommen wurden bzw eine weltweite Diskussion ausgelöst haben. Der Weltagrar-Rat spricht erstmals und in Einigkeit mit 54 Regierungen aus, was schon lange im Raum steht: Gentechnik und Patentierung von Saatgut kann die Entwicklung der Landwirtschaft in armen Ländern behindern, da die Bauern von den Großkonzernen abhängig würden.
10. Wie wird die Bayer AG angesichts der neuen Lage die Geschäftsziele im Bereich BayerCropScience überarbeiten?