Volles Haus bei CBG-Jahrestagung
Die Gentech-Seilschaften
So viele BesucherInnen hatte eine Jahrestagung der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) noch nie: Über 60 Interessierte lockte das Thema „Gentech-Mafia – Die Seilschaften von Bayer, Monsanto & Co.“ ins Düsseldorfer Umweltzentrum. Und der erste Referent Jörg Bergstedt, der gerade eine 6-monatige Haftstrafe wegen einer Feldbefreiung verbüßt hatte, hielt sich auch gar nicht groß dabei auf, hochwissenschaftlich Kritikpunkte zur Risikotechnologie zusammenzutragen oder gar Chancen und Risiken gegeneinander abzuwiegen. Der Öko-Aktivist von der Projektwerkstatt Saasen ließ einfach die Befürworter für sich sprechen. „Die Möglichkeiten, eine Pflanze durch gentechnische Veränderungen zu verbessern, sind gering“, zitierte er aus Unterlagen der Firma Monsanto. Gleich eine Reihe von Ursachen zählt die Firma für diesen Umstand auf. „So lassen sich die Effekte eines spezifischen Gens auf das Wachstum der Pflanze (…) nicht genau vorhersagen. Dazu kommt die geringe Erfolgsrate bei der gentechnischen Manipulation, der Mangel an präziser Kontrolle über das Gen (…) und andere ungewollte Effekte“. Und der Gentech-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker, unter anderem BAYER-Aufsichtsrat, glaubt ebenso wenig an eine Beherrschbarkeit der Labor-Früchte: „Absurd sind auch die Abstandsregelungen für Versuchsfelder etwa von MON810, denn der Maispollen fliegt kilometerweit“.
Da blieben dann keine Fragen mehr offen. Deshalb beließ es Bergstedt dabei, das absurde Theater eines sich selbst genügenden Systems zu beschreiben, das sich pro forma in die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft, Aufsichtsbehörden und Lobby-Organisationen aufspaltet, um wider besseren Wissens und nur finanziellen Interessen folgend die Gentechnik zu promovieren. So geht eine Wissenschaftlerin wie Inge Broer („Im Moment ist es hauptsächlich Forschung in der Gentechnik, weil es dafür Geld gibt“) dahin und gründet eine Handvoll Firmen (alle mit ein- und derselben Post-Adresse), bindet in eine von ihnen sogar die staatliche Zulassungsbehörde, das Julius-Kühn-Institut, ein, mit dem es wiederum auch gemeinsam „Anbau-Begleitung“ betreibt und meldet überdies in Tateinheit mit BAYER fleißig Proteine und gentechnische Verfahren zum Patent an.
Der Leverkusener Multi verkauft seinen Einsatz für die „grüne Gentechnik“ gerne als Engagement gegen den Welthunger, aber diese Illusion konnte Philipp Mimkes von der CBG schnell zerstören: Der Konzern hat keine einzige dürre-resistente oder sich sonstwie besonders für Armutsregionen eignende Ackerfrucht im Angebot. Mit Soja und Mais geht zudem ein Gutteil seiner Produktpalette in die Produktion von Futtermitteln für die Fleischindustrie. Als reine Rationalisierungstechnologie, welche die arbeitsintensive, aber Schadinsekten im Zaum haltende Fruchtfolgen-Wirtschaft durch vermehrten Gifteinsatz ersetzt, bezeichnete Mimkes das Pflanzen-Tuning daher. Dem Agro-Riesen dient es hauptsächlich dazu, den Absatz seiner Pestizide zu befördern, denn so verschieden die Labor-Kreationen anmuten mögen, sie basieren alle auf einer Technologie. Raps, Soja, Reis oder Mais made by Bayer weist immer eine Immunität gegen das Unkrautmittel Liberty auf und wird deshalb stets im Kombipack mit der Agro-Chemikalie vermarktet. Daran hat sich mittlerweile die auf den Feldern unerwünschte Vegetation ebenso gewöhnt wie an entsprechende Substanzen von Monsanto & Co., weshalb die Hersteller in ihrer Not schon zur Co-Produktion von Pflanzen mit multiplen Resistenzen übergehen müssen, berichtete der Geschäftsführer der CBG.
Auch sonst läuft es nach Mimkes Einschätzung nicht eben rund für den Multi. In diesem Jahr war er gezwungen, US-FarmerInnen im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs 750 Millionen Dollar Entschädigung zu zahlen. Die LandwirtInnen hatten BAYER verklagt, weil 2006 nicht zugelassener Liberty-Reis weltweit in normalen Supermarkt-Packungen auftauchte, zahlreiche Staaten daraufhin ein Import-Verbot für Reis aus den USA erließen und die Bauern und Bäuerinnen deshalb fast auf ihrer gesamten Ernte sitzen blieben. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte schon vor diesem bislang größten Gen-GAU der Geschichte auf das Auskreuzungsrisiko hingewiesen und in ihrer Kampagne gegen den „LL601“-Reis zudem vor einer Zerstörung der Artenvielfalt und der kleinbäuerlichen Strukturen in den klassischen Anbau-Ländern gewarnt. Darum unterstützte die CBG die FarmerInnen auch in ihrer Auseinandersetzung mit dem Gen-Giganten, hielt Kontakt mit den AnwältInnen und setzte das Thema auf die Agenda der BAYER-Hauptversammlung.
So gestand Philipp Mimkes am Ende seines Vortrags zwar zu, dass BAYER & Co. mit ihren Seilschaften eine große Macht im Lande darstellen, billigte den Gegenkräften aber durchaus Chancen zu. „Erfolge sind also möglich“, resümierte er und schrieb es vor allem den Aktivitäten der Gentech-GegnerInnen zu, Europas Äcker bislang weitgehend vor den Produkten von BAYER & Co. bewahrt zu haben.
Ob jedoch die CBG mit ihrem Einsatz weiterhin zu diesen Erfolgen beitragen kann, steht derzeit in Frage. Das Netzwerk ist nämlich in argen Geld-Nöten. CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura gab als letzter Vortragender einen Überblick über den Stand der Dinge. Er erklärte die eigentlich immer schon prekäre Lage vor allem mit dem besonderen Charakter der Coordination als einer explizit gegen die Konzern-Macht gerichteten Initiative. Dies setze sie einem immerwährenden Druck aus und schneide sie von öffentlicher Förderung ebenso ab wie von Unterstützung durch die meisten Stiftungen oder kirchlichen Einrichtungen, führte der Diplom-Kaufmann aus. Von Beginn an hat BAYER Köhler-Schnura zufolge versucht, die Finanzierung der Initiative zu erschweren. So intervenierte der Multi bei den Finanzbehörden, um einen Eintrag der CBG als gemeinnütziger Verein zu verhindern und zog die Konzern-KritikerInnen überdies in Unsummen kostende Gerichtsverfahren.
Als Ursache für die aktuelle Krise benannte der Diplom-Kaufmann das durch das Verarmungsprogramm der Bundesregierung zurückgehende Spendenaufkommen bei gleichzeitigen Kostensteigerungen. Aber er konnte auch schon Hoffnungsvolles über die im Frühjahr angelaufene Rettungskampagne berichten. Sie hat bereits geholfen, über 50 Prozent des Haushaltslochs zu decken. „Dass zeigt, dass sehr viel Solidarität da ist“, gab sich Köhler-Schnura optimistisch. Der ehemalige BAYER-Manager, welcher der CBG schrieb: „Ich freue mich zu sehen, dass ihr Verein offensichtlich aus dem letzten Loch pfeift und bald Schluss ist mit Hetze, Hass-Ideologien, Falschinformationen und Geschäft mit German Angst“, könnte sich also zu früh gefreut haben.
Es bestehen viele Möglichkeiten, der Coordination gegen Bayer-Gefahren beizustehen: durch eine Fördermitgliedschaft, eine einmalige Spende oder eine dauerhafte Unterstützung als Garant. Nähere Informationen unter www.CBGnetwork.org. Von Jan Pehrke (CBG)