10. Januar 2013
Konzernkritiker und Antifaschist
Coordination gegen BAYER-Gefahren trauert um Dr. Janis Schmelzer
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) trauert um Dr. Janis Schmelzer. Der Historiker, seit 1999 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Coordination, starb am 28. Dezember im Alter von 85 Jahren.
Janis Schmelzer war ein exzellenter Kenner der politischen Geschichte deutscher Konzerne, insbesondere der IG Farben. Seine Spezialgebiete waren Faschismus, Zwangsarbeit, Konzentrationslager sowie der Aufstieg der IG Farben zum größten europäischen Konzern. In seinen Veröffentlichungen beleuchtete Schmelzer die Machtfülle der IG Farben in verschiedenen Staatsformen (Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich) und deren Entwicklung zum NS-Musterbetrieb. Auch für die Entschädigung überlebender Zwangsarbeiter sowie für die Auflösung der bis zum vergangenen Jahr (!) existierenden IG Farben (in Abwicklung) setzte sich Schmelzer bis zuletzt ein.
Dr. Janis Schmelzer lehrte u. a. an der Universität Halle-Wittenberg. Zu den von ihm veröffentlichten Büchern gehören „IG Farben. Vom Rat der Götter“, „Devisen für den Endsieg“, „IG Farben, Auschwitz, Massenmord“ sowie die Untersuchung „Die Herren Generale“, in der die Unterstützung der deutschen Chemie-Industrie für das Franco-Regime beleuchtet wird. Nach der Angliederung der DDR erhielt er aufgrund der von der Bundesregierung betriebenen „Säuberung“ von Universitäten, Schulen und Behörden, wie tausende mit ihm, de facto Berufsverbot und musste den Rest seines Lebens – immerhin 22 Jahre – zusammen mit seiner Frau Ilse in Berlin unter kargen Umständen leben.
Einer seiner besonderen Verdienste um den Antifaschismus liegt schon länger zurück: Er war maßgeblich an dem Gutachten beteiligt, das in den 50er Jahren das drohende Verbot der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) verhinderte. Janis Schmelzer sorgte auch dafür, dass die Firmenarchive der IG Farben und anderer für die faschistischen Verbrechen mitverantwortlicher Konzerne nach 1989/90 nicht heimlich, still und leise „entsorgt“ werden konnten. Die Konzerne wollten nur allzu gerne die Akten ihrer ehemaligen Betriebe auf dem Gebiet der DDR abtransportieren und verschwinden lassen. Auch Dank des Engagements von Janis Schmelzer landete das Material im Bundesarchiv (wie es dort gehandhabt wird, ist allerdings ebenfalls nicht befriedigend).
Regelmäßig schrieb Janis Schmelzer für „Stichwort BAYER“, die Zeitschrift der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Für die Stiftung ethecon – Ethik & Ökonomie betreute er seit deren Gründung im Jahr 2004 ehrenamtlich die Geschäftsstelle in Berlin.
Die CBG verliert mit Janis Schmelzer einen wichtigen Ratgeber zur Geschichte der deutschen Chemie-Industrie. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und sein konzernkritisches und antifaschistisches Werk fortführen.
(Urnenbeisetzung am Freitag, 25. Januar 2013 um 11.30 Uhr auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde/Gudrunstraße in Berlin).