Agrar-Politik für BAYER & Co.
Irak: Das Feld ist bestellt
Von Jan Pehrke
Die Medien zeichnen nach wie vor ein verheerendes Bild von der Lage im Irak. Kaum ein Tag vergeht ohne Anschläge, die Infrastruktur liegt brach und die Konflikte zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden gefährden die territoriale Integrität. Aber inmitten dieses Chaos‘ arbeiten die USA mit Hochdruck daran, das Land weltmarkt-kompatibel zu machen. Die Rahmenbedingungen dazu haben die 100 Erlasse des Statthalters Paul Bremer geschaffen. Ehe der US-Verwalter seine Mission im Juni 2004 beendete und die Souveränitätsrechte an die provisorische Regierung übertrug, hatte er bereits einen kapitalistischen „fait accompli“ produziert. Die nötige Zustimmung der irakischen PolitikerInnen dürfte reine Formsache bleiben.
Für die Geschäfte von BAYER & Co. ist der Erlass Nr. 81 von besonderer Bedeutung. Er gewährleistet „die Beherrschung der irakischen Landwirtschaft durch MONSANTO, SYNGENTA, BAYER, DOW CHEMICAL & Co. – die Riesen-Konzerne, die den Saatgut-Handel rund um den Erdball kontrollieren“. Das stellt die Initiative GRAIN, welche sich seit langem der globalen Agrar-Politik widmet, in ihrer detaillierten Analyse fest (1).
Der entsprechende Erlass enthält Bestimmungen über „Patente, Industrie-Muster, unveröffentlichte Informationen, integrierte Schaltkreise und Pflanzen-Sorten“, die das irakische Patent-Recht von 1970 ergänzen. Dieses enthielt keine Regelungen zu Saatgut, weil die Verfassung Patente auf biologische Ressourcen untersagte. So folgten die LandwirtInnen über Generationen hinweg vererbten Traditionen und hoben nach der Ernte Samen auf, um sie in den nächsten Jahren wieder auf ihren Feldern einzupflanzen.
Das können sie jetzt nur noch tun, wenn sie BAYER & Co. dafür Abgaben zahlen, denn der Erlass 81 spricht den Agro-Multis Urheberrechte auf Pflanzen-Sorten zu. Gleichzeitig schafft der Paragraf auch die rechtliche Basis für die Einführung der „grünen Gentechnik“. Ohne Copyright-Ansprüche lässt sich das Geschäft mit gen-manipulierten Pflanzen nämlich nicht gewinnbringend betreiben. So dient die Regelung dann auch keinesfalls dazu, die Versorgung mit qualitativ hochwertigem Saatgut im Irak sicherzustellen, wie es von offizieller Seite heißt. Sie dient vielmehr dazu, optimale Verwertungsbedingungen für die Agrar-Konzerne sicherzustellen.
Mit der Kleinarbeit der Etablierung privatwirtschaftlicher Strukturen im Landwirtschaftssektor haben die Verantwortlichen passenderweise Privat-Unternehmen betraut: SAGRIC aus Australien und DEVELOPMENT ALTERNATIVES INC. aus den Vereinigten Staaten. Die US-Firma arbeitet wiederum eng mit der texanischen A & M-Universität zusammen, einer führenden Hochschule im Bereich „Biotechnologie“.
Da erleichtert es die Zusammenarbeit ungemein, dass die amtierende irakische Landwirtschaftsministerin ihre Studien-Jahre auf US-amerikanischen Hochschulen verbracht hat. Sawsan Ali Magid al-Sharifi besuchte die Uni von Iowa und machte einen Doktor in „Tierzucht“. Auf ihrem neuen Posten bemüht sie sich emsig, das Gelernte umzusetzen und die Gründung von Tier-Fabriken voranzubringen. Die „Food and Agriculture Organisation“ (FAO) der Vereinten Nationen unterstützt sie bei diesem Vorhaben tatkräftig. Für ein Projekt zur „Tier-Produktion“ stellt die FAO drei Millionen Dollar zur Verfügung; sieben Millionen gewährt sie für eine veterinär-medizinische Einrichtung. Die Förderung einer Station zur künstlichen Besamung von Kühen steht ebenfalls in Aussicht. Da die Massentierhaltung massenhaft Bedarf an Medikamenten hat, eröffnen sich dem Leverkusener Multi als einem der weltgrößten Hersteller von Tier-Arzneien glänzende Perspektiven. Zusätzliche Ackerbau & Viehzucht-Gelder geben die staatlichen „Entwicklungshilfe“-Agenturen Australiens und der Vereinigten Staaten frei. Der US-Kongress bewilligte außerdem 50 Millionen zur Erneuerung des Maschinenparks.
Mit all diesen Maßnahmen will Sawsan Ali Magid al-Sharifi den Anteil der Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt wieder von 35 auf 50 Prozent erhöhen. Dabei hat sie allerdings mit einigen Hindernissen zu kämpfen. Die US-Finanziers drängen darauf, die finanzielle Unterstützung für die LandwirtInnen bis April 2004 einzustellen. Die Ministerin sträubt sich einstweilen noch dagegen. Sie hält Subventionen für Pestizide, Düngemittel und Saatgut für notwendig, um die Agrarwirtschaft in ihrem Schutz aufzupäppeln und so „wettbewerbsfähig“ zu machen. Warum sollte sie auf Subventionen verzichten, wo diese Praxis doch auch in den USA und anderswo üblich sei, fragte sie in einem Interview mit der UN-Nachrichten-Agentur IRIN. Darin beklagte die Politikerin sich auch über ihre KollegInnen vom Handelsministerium. „Was den Handel betrifft, so sollten sie mehr an unsere Farmer denken. Das Handelsministerium sollte auf das zählen, was wir produzieren, anstatt Weizen im Ausland zu kaufen und den einheimischen zurückzuweisen. Sie belegen unser Getreide mit harten Restriktionen“, kritisiert sie. Möglicherweise unterliegt das Ressort den Einflüsterungen australischer oder amerikanischer BeraterInnen, die gar kein Interesse an einer starken irakischen Landwirtschaft haben, das Land vielmehr ihren eigenen LandwirtInnen als Absatzmarkt erschließen wollen.
Die Getreide-Großproduzenten Australien und USA ringen miteinander um Einfluss im Irak. Während des Embargos verschafften sich die Australier einen Platzvorteil. Im Rahmen des „Lebensmittel für Öl“-Programms führten sie im großen Stil landwirtschaftliche Produkte ein. In der Nachkriegszeit versuchten sie diese Stellung zu verteidigen und suchten den kurzen Draht zur Administration. So sicherte sich Trevor Flugge von der Weizen-Institution „Australian Wheat Board“ den Posten als oberster Berater des irakischen Landwirtschaftsministeriums. Dem US-Senator Kent Conrad kam das einer feindlichen Invasion gleich. Unter der Überschrift „Der Irak braucht einen US-amerikanischen Berater, keinen australischen“ verfasste er eine Presse-Erklärung, in der er Bush Blauäugigkeit vorwarf. „Es ist absurd. Wir betrauten einen unserer größten Konkurrenten auf dem Agrar-Markt damit zu helfen, das irakische Landwirtschaftsministerium aufzubauen, in einem Land, das einen großen Markt für Exporte der US-Landwirtschaft darstellt“, empört er sich. Die USA haben Flugge zwar in weiser Voraussicht einen der ihren als Co-Berater zur Seite gestellt, aber der war noch gar nicht vor Ort, als Flugge mitsamt seinem Team die Arbeit antrat. Conrad ist sowieso nicht fürs Macht-Teilen. „Wir übernahmen im Krieg die Führung und sollten sie auch im Frieden übernehmen“, heißt seine Devise. „Jemand sollte die Verantwortung übernehmen, und es sollte ein erfahrener US-Beamter sein, der die Iraker gut beraten kann, unsere Verbündeten gut behandelt und die Interessen der US-Agrarwirtschaft in einem Schlüsselmarkt für den Export schützt“, meint der Senator.
Sollte noch jemand an hehre Ziele US-amerikanischer Außenpolitik geglaubt haben, so dürften ihn spätestens diese klaren Worte auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben.
Die Leidtragenden dieser Politik werden wieder einmal die irakischen LandwirtInnen sein. Unter Saddam Hussein hatten sie sich einer autoritären Agrar-Politik zu beugen, die andere Ziele als das Wohl der Bauern und Bäuerinnen verfolgte. Projekte zur Wasser-Gewinnung zerstörten fruchtbare Böden. Im Zuge des Arabisierungsprogramms vertrieb der Diktator im Nord-Irak gezielt Bauern und Bäuerinnen von ihrem Land. Zudem enthielt er dem Agrar-Sektor dringend benötigte Gelder vor und steckte sie in den Militär-Bereich. Während des Embargos herrschte Mangel an Ersatz-Teilen, Dünger, Saatgut und Pestiziden. Letztere galten als „Double-Use-Güter“, aus denen WissenschaftlerInnen Chemie-Waffen entwickeln können und durften nicht in das Land. So konnten die LandwirtInnen die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln nicht gewährleisten. Im Rahmen des „Lebensmittel für Öl“-Programms übernahmen das FarmerInnen aus Australien und anderen Ländern. Und jetzt haben es die Bauern und Bäuerinnen zum ersten Mal mit dem Agrar-Weltmarkt und den Weltmarkt-Führern wie BAYER zu tun. Nicht nur mit Lizenz-Gebühren für Saatgut werden sie das zu zahlen haben, für nicht wenige steht auch die berufliche Existenz auf dem Spiel. Bei der in Aussicht stehenden Industrialisierung der Landwirtschaft ist nämlich für Besitzer kleinerer Felder kein Platz mehr. Kriegsgewinnler dürften somit nur BAYER und die anderen großen Agrar-Konzerne sein.
(1) Das neue irakische Patent-Gesetz: eine Kriegserklärung an die Bauern, GRAIN (www.grain.org). Übersetzung: BUKO-KAMPAGNE GEGEN BIOPIRATERIE