Presse Information vom 2. September 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Explosion in US-Werk: Kritik an Krisenmanagement von BAYER
„Informationen vollkommen wertlos“ / tödliche Chemikalien gelagert / Risiken bereits in BAYER-Hauptversammlung diskutiert / Konsequenz für CO-Pipeline gefordert
Drei Tage nach dem schweren Störfall im BAYER-Werk Institute (USA) hält die Kritik an der Informationspolitik des Konzerns an. Vertreter der Rettungskräfte bemängelten, dass nach dem Unfall mehr als zwei Stunden lang unklar war, welche Chemikalien beteiligt waren. Im Falle eines Austritts gefährlicher Chemikalien wären hierdurch Tausende Anwohner gefährdet worden. Bei der verheerenden Explosion, die in einem Umkreis von 15 km zu spüren war, verlor ein Arbeiter das Leben, ein weiterer erlitt schwere Verbrennungen.
Der Präsident des zuständigen Verwaltungsbezirks Kanawha County, Kent Carper, hatte bereits in der Unglücksnacht scharfe Kritik geübt: „Wir bekommen aus dem Werk dürftige Informationen, das ist vollkommen wertlos.“ In einem Brief an die staatliche Aufsichtsbehörde Chemical Safety Board kritisierte Carper, dass die Rettungskräfte erst zweieinhalb Stunden nach der Explosion über die Menge und die Gefährlichkeit der ausgetretenen Chemikalien informiert wurden. Das Kanawha County werde daher einen eigenen Experten einstellen, um im Notfall künftig nicht auf Informationen aus dem Chemie-Werk angewiesen zu sein. Prentice Cline von der Arbeitsschutzbehörde Occupational Safety and Health Administration (OSHA) bemängelte nach einer Inspektion des Werks “signifikante Mängel der Sicherheitsabläufe“.
Die Sicherheit des Werks im Bundesstaat West Virginia steht seit langem in der Kritik, da es das einzige in den USA ist, in dem große Mengen der tödlichen Chemikalie Methyl-Isocyanat (MIC) gelagert werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte zur diesjährigen BAYER-Hauptversammlung einen Gegenantrag zur ungenügenden Sicherheits-Situation in Institute eingebracht; dieser wurde vom BAYER-Vorstand jedoch als „unbegründet“ abgewiesen.
Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Hochgefährliche Stoffe wie Phosgen oder MIC haben in der Massenproduktion nichts verloren – schon gar nicht in der Nähe der Wohnbevölkerung. Wir kritisieren daher, dass BAYER beim Bau neuer Produktionsanlagen, wie aktuell in China, weiterhin auf Vorprodukte wie Phosgen setzt. Auch die in NRW geplante Kohlenmonoxid-Pipeline gefährdet die Bevölkerung in vollkommen unnötiger Weise.“ Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG ergänzt: „Die Vernachlässigung von Gesundheit und Umwelt zugunsten von Konzernprofiten hat bei BAYER System. Durch die ständigen Sparmaßnahmen wird die Sicherheitslage in den Werken immer prekärer. Bereits seit den 80er Jahren fordern wir einen Ausstieg aus der Chlorchemie.“
Der Unfall vom Donnerstag ereignete sich in einer Produktionsanlage des Pestizids Methomyl. BAYER verwendet Methomyl als Vorprodukt des hochgiftigen Pestizids Thiodicarb (Markenname: Larvin). Bei der Herstellung kommt auch MIC zum Einsatz. Im betroffenen Werksteil ruht derweil die Produktion. Das U.S. Chemical Safety Board hat eine Untersuchung zu den Ursachen des Unfalls eingeleitet.
Das Werk in Institute gehörte früher zu UNION CARBIDE und war das „Schwester-Werk“ der Fabrik in Bhopal. In Bhopal fielen 1984 bis zu 15.000 Menschen einem Austritt von MIC zum Opfer. Etwa die vierfache Menge des in Bhopal ausgetretenen MIC sowie große Mengen des Giftgases Phosgen lagern in Institute. Ein worst-case-Szenario kam 1994 zu dem Ergebnis, dass bei einem Großunfall in einem Umkreis von 15 km tödliche Vergiftungen auftreten könnten. Bereits bevor das Werk im Jahr 2001 von BAYER gekauft wurde, kam es in Institute zu mehreren schweren Unfällen mit Todesfolgen. Ende letzten Jahres trat aus dem Werk das hochgefährliche Pestizid Thiodicarb aus. Erst vor wenigen Wochen hatte BAYER wegen der häufigen Vorfälle eine Strafzahlung geleistet.
weitere Informationen:
=> Forbes: 1 killed, 1 injured in West Virginia chemical plant blast
=> Artikel “Hochrisiko Fabrik Institute
=> Hintergrundinfos zum Werk Institute (engl.)
=> Dokumentation „Störfälle bei BAYER“