Presse-Information vom 11. Januar 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren
BAYER-Fabrik in USA: hochgiftiges Pestizid ausgetreten
Dritter Vorfall in drei Monaten / Gefahren verharmlost / Behörde kündigt Strafe an
Seit zwei Wochen leiden die Anwohner des amerikanischen BAYER-Werks in Institute/West Virginia unter gesundheitsschädigenden Chemikalien-Dämpfen. Am 28. Dezember waren in der Fabrik mehrere Fässer mit dem Pestizid Thiodicarb geborsten. Seitdem hält im Umfeld des Werks eine starke Geruchsbelästigung an. Dutzende Anwohner mussten wegen Kopfschmerzen und Atemwegsproblemen behandelt werden, mindestens ein Betroffener liegt im Krankenhaus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet Thiodicarb als „extrem gefährlich“.
Der Präsident des zuständigen Verwaltungsbezirks Kanawha County, Kent Carper, übt scharfe Kritik an der Werksleitung: „Das Verhalten von BAYER nach dem Unfall war bodenlos, die veröffentlichten Informationen waren vollkommen unangemessen. Niemand wusste, was zu tun war“. Noch acht Stunden nach dem Vorfall am 28. Dezember lagen den Behörden keinerlei Informationen zu den ausgetretenen Chemikalien und deren Gefährlichkeit vor.
Anfang der Woche wurde BAYER von der Umweltbehörde des Bundesstaats West Virginia vorgeladen, zudem startete die Behörde eigene Luftmessungen. Der Vorfall kurz vor Sylvester war bereits der dritte innerhalb von nur sechs Wochen: Am 16. November waren 50 kg der Chemikalie Rhodimet ausgetreten, was zu einer zehntägigen Geruchsbelästigung führte. Am 20. Dezember traten stinkende Abgase aus einem Faultank aus. Earl Billingsley, Leiter der staatlichen Abteilung für Luftqualität, kündigte Strafzahlungen wegen der Vorfälle an. Die Höhe werde in den nächsten Wochen bekannt gegeben.
Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Behauptung der Werksleitung, Thiodicarb sei ungefährlich, ist unverantwortlich. Tatsächlich gehört Thiodicarb zu den gefährlichsten Agrogiften überhaupt, in der EU wurde der Wirkstoff deswegen verboten. Wir fordern BAYER auf, endlich alle Pestizide der Gefahrenklasse 1 vom Markt zu nehmen“. Im vergangenen Jahr hatten 154 Organisationen aus 35 Ländern den BAYER-Konzern aufgefordert, den Verkauf von Thiodicarb und weiterer hochgefährlicher Pestizide einzustellen.
Kritik kommt auch von der West Virginia State University, deren Gebäude direkt neben dem Werk liegen. Hazo Carter, Präsident der Universtität, schrieb gestern in einem Brief an den Leiter des Werks: „Ich möchte energisch unterstreichen, dass wir, die wir in der Nachbarschaft des Werks leben, arbeiten und studieren, ernsthafte Schritte von Bayer erwarten. Die Nachbarn müssen kurzfristig und detailliert über Unfälle informiert werden“. Carter kritisiert, dass ein von BAYER eingerichtetes Notfalltelefon nicht funktionierte und dass die Universitäts-Leitung erst aus dem Radio von dem Unfall erfuhr.
Das Werk in Institute gehörte früher zu UNION CARBIDE und war das „Schwester-Werk“ der Fabrik in Bhopal. In Bhopal fielen 1984 mindestens 4000 Menschen der Chemikalie Methyl-Isocyanat (MIC) zum Opfer. Heute ist Institute das einzige Werk in den USA, in dem MIC in großen Mengen produziert und gelagert wird. Etwa die vierfache Menge des in Bhopal ausgetretenen MIC lagert in der Fabrik, genaue Angaben verweigert die Werksleitung. Ein worst-case-Szenario kam 1994 zu dem Ergebnis, dass bei einem Großunfall in einem Umkreis von 15 km tödliche Vergiftungen auftreten könnten. Bevor das Werk von BAYER gekauft wurde, kam es in Institute zu mehreren schweren Unfällen mit Todesfolgen.
weitere Informationen:
Artikel “Bayer’s odor alert called abysmal
Liste “Unfälle bei Bayer
Hintergrund “Bayer plant still home to MIC stockpile / MIC killed thousands in Bhopal
Verbot von Thiodicarb in der EU: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:139:0028:0029:DE:PDF