Nach anhaltenden Protesten:
BAYER stoppt Gentechnik in Indien
Auch außerhalb Europas wird die Luft für die Gentechnik dünner. In Indien stößt sie auf massiven Widerstand, weshalb BAYER in dem Land für die Zukunftstechnologie keine Zukunft mehr sah.
Von GREENPEACE/CBG
Indische Greenpeace-Aktivisten haben am 30. September bis in die Nacht vor der BAYER-Zentrale in Bombay gegen umstrittene Gentechnik-Experimente des Konzerns protestiert. Sechs Demonstranten ketteten sich elf Stunden lang an das Eingangstor des Gebäudes fest und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER vergiftet unsere Nahrung“ hoch. GREENPEACE verlangt Informationen über Versuche der indischen BAYER-Tochter PROAGRO mit gen-manipulierten Gemüsesorten wie Kohl und Blumenkohl. Die Blockade wurde erst beendet, als BAYER einem Treffen zustimmte und in die Herausgabe von Versuchsergebnissen einwilligte.
Die Proteste richten sich gegen die Verwendung des Allergie-erzeugenden Gens Cry9C, das in menschlicher Nahrung nicht eingesetzt werden darf. Divya Raghunandan von GREENPEACE-India: „In Anbetracht der großen Gesundheitsrisiken des Cry9C-Gens sorgen wir uns um die Auswirkungen für Verbraucher und Landwirte. Wir fordern BAYER auf, alle Versuche mit dieser Gen-Veränderung einzustellen und alle bisherigen Forschungsergebnisse offen zu legen“.
Das Cry9C-Gen steht im Mittelpunkt des bislang größten Skandal der grünen Gentechnik: die Firma AVENTIS hatte in den USA Schäden in dreistelliger Millionenhöhe begleichen müssen, nachdem vor vier Jahren genmanipulierter Mais der Sorte STARLINK in Nahrungsmitteln gefunden worden war. AVENTIS CROPSCIENCE wurde daraufhin von der Firma BAYER übernommen, die seitdem weltweit zweitgrößter Anbieter von Gen-Saatgut ist.
Mit dieser und anderen Aktionen hatte die Gentechnik-GegnerInnen schließlich Erfolg. Mitte November konnte GREENPEACE melden: „BAYER gibt die Forschung an genmanipulierten Pflanzen in Indien auf“. Nach einer an das indische GREENPEACE-Büro adressierten Konzern-Mitteilung „will BAYER CROPSCIENCE in den nächsten Jahren seinen Schwerpunkt auf die normale Pflanzen-Züchtung verlegen“. Alle bisherigen Projekte wurden gestoppt. Zu den Pflanzen-Arten, an denen BAYER in Indien geforscht hat, gehören Kohl, Raps, Blumenkohl, Tomaten und Senf. Bereits im März 2004 gab der Konzern seinen Rückzug in England bekannt, im Juni wurde der Versuch aufgegeben, Gen-Raps in Australien zu verkaufen.
„BAYER sollte auch in Europa klare Zeichen setzen und jetzt seine Zulassungsanträge zu Gen-Reis, Gen-Raps und Gen-Mais zurückziehen“, fordert Christoph Then, Gentechnik-Experte von GREENPEACE Deutschland. „Weder wollen die Verbraucher Gen-Food essen, noch lassen sich diese Pflanzen in Europa anbauen, ohne die gentechnik-freie Landwirtschaft durch Pollenflug massiv zu belasten. So fliegt der Pollen beim Gen-Raps mehr als 20 Kilometer weit.“ Ein BAYER-Sprecher bestätigte am Freitag den Ausstieg und sagte, man wolle sich auf bestimmte Teilbereiche konzentrieren und beobachte die konstante Verbraucher-Ablehnung in Europa mit Sorge. An einen generellen Rückzug werde hier allerdings nicht gedacht.
„Wir brauchen keine Gen-Pflanzen in Indien“, sagt Divya Raghunandan, Gentechnik-Expertin von GREENPEACE-Indien. „Global gesehen haben sich die Versprechungen der Gen-Industrie nicht erfüllt, ob es sich nun um höhere Erträge oder um eine Verringerung der Spritzmittel handelt. BAYER hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Geschäft mit den Gen-Pflanzen zurückgezogen. Der Konzern weiß genau, dass die Verbraucher in Indien das Gen-Gemüse nicht akzeptieren werden.“
Das nach China bevölkerungsreichste Land der Welt, in dem 80 Prozent der Menschen ihr Auskommen in der Landwirtschaft finden, bietet einen gewaltigen Markt für Agrochemie und Saatgut-Unternehmen. Der Rückzug von BAYER aus dem Geschäft mit Gen-Pflanzen dürfte auch ein alarmierendes Zeichen für andere Konzerne sein. Mit seiner Entscheidung, sich aus dem Geschäft mit Gen-Pflanzen zumindest in Teilbereichen zurückzuziehen, steht BAYER nicht alleine. Auch die Firma MONSANTO, die weltweit das meiste Saatgut für Gen-Pflanzen verkauft, hat in diesem Jahr die Forschung an Gen-Weizen gestoppt, ebenso die Forschung an Gen-Raps in Australien.