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[HV Bericht] STICHWORT BAYER 02/2008

CBG Redaktion

Hauptversammlung der BAYER-KritikerInnen

Verkehrte Profit-Welt

„Pipeline protest comes home“ hieß es auf der diesjährigen Jahreshauptversammlung von BAYER. Aber nicht nur die GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Leitung verdarben der Unternehmensspitze die Freude über „das bisher erfolgreichste Jahr“. Auch die Konzern-KritikerInnen, welche die Gentechnik, die Klimapolitik, die Agrotreibstoffe, die Pharma-GAUs oder die Welternährungskrise auf die Tagesordnung setzten, störten die Jubelfeier über den 4,7-Milliarden-Euro-Gewinn empfindlich.

Die Konzern-KritikerInnen waren als erste da: Schon lange vor Beginn der BAYER-Hauptversammlung hatten sich die Pipeline-GegnerInnen der verschiedenen Bürgerinitiativen, Mitglieder der SOLIDARISCHEN KIRCHE IM RHEINLAND und AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vor der Halle 8 der Kölner Messe aufgebaut, um die AktionärInnen in Empfang zu nehmen. Als diese schließlich aus den Bussen strömten, mussten sie sich den Weg zum Eingang zwischen Schildern mit dem einzig wahren BAYER-Motto „Science for a shorter life“, dem auf einem Transparent innig die CO-Pipeline umarmenden Gevatter Tod und Menschen bahnen, denen der Unmut über das Bauvorhaben auf den Leib geschrieben war: „Eure Dividende ist unser Tod – keine CO-Pipeline“ stand auf einem T-Shirt. Und die von zahlreichen flinken Händen verteilten Flugblätter boten noch mehr Lesestoff.

Da war dann in den Heiligen Hallen selber erst einmal Gehirnwäsche angesagt. BAYER empfing die AktionärInnen mit dem aufwändig produzierten Superhelden-Film „BAYER rettet das Weltklima“. In den Hauptrollen: die Jatropha-Pflanze als fossile Brennstoffe ersetzende Sprit-Alternative, die Biotechnologie als Beschützerin der zunehmend den Nebenwirkungen des Klimawandels ausgesetzten Nutzpflanzen und BAYER-Werkstoffe als ressourcen-schonende Wärmedämmer. Bis in die Nebenrollen hinein bot das Werk großes Kino. „Jeder einzelne Mitarbeiter ist eingebunden. So fördern wir den verstärkten Einsatz moderner Kommunikationsmittel, um Dienstreisen zu reduzieren“, hieß es im Kommentar.

„Ich glaube, der Film, den wir soeben gesehen haben und auch die Ausstellung im Foyer führen uns eines eindrucksvoll vor Augen: BAYER leistet wichtige Beiträge zur Reduzierung der C02-Emissionen“, konstatierte BAYER-Chef Werner Wenning zu Beginn seiner Eröffnungsrede, um dann aber gleich zu etwas „completely different“ zu kommen: dem Rekordgewinn von 4,7 Milliarden Euro, der Aktienkurs-Entwicklung und der Dividende. Nur im Mittelteil wurde Wenning noch einmal besinnlich: „Meine Damen und Herren, es besteht allerdings auch kein Zweifel, dass die Reputation und das Vertrauen in das Unternehmensmanagement in letzter Zeit deutlich gelitten haben. Dafür gibt es so manche Gründe, auf die ich hier nicht näher eingehen will“.

Die Pipeline …
Er wird schon gewusst haben, warum, und sah das Ganze eher von der geschäftlichen Seite. Die gesellschaftliche Akzeptanz eines Unternehmens bezeichnete der Große Vorsitzende als eine wesentliche Grundlage für den Erfolg und kam infolgedessen auch auf das Akzeptanz-Problem zu sprechen, das sich vor der Hauptversammlung Gehör verschafft hatte. „Ich will auch hier noch einmal betonen, dass wir von der Sicherheit und Notwendigkeit der CO-Pipeline überzeugt sind“. Weil der Konzern damit allein auf weiter Flur steht und unlängst nicht einmal das Oberlandesgericht Münster einsehen mochte, inwiefern die Enteignungen entlang des Streckenverlaufes der Allgemeinheit dienlich sein sollten, kündigte BAYER weitere Überzeugungsarbeit an. „Derzeit wird an Aussagen zum Gemeinwohl dieser Pipeline gearbeitet“, teilte Wenning mit. Einstweilen versuchte er jedoch, die starrsinnige Bevölkerung mit Drohungen zu ihrem Pipeline-Glück zu zwingen: „Wir müssen uns fragen, wie wir Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen wollen, wenn wir nicht für eine moderne, wettbewerbsfähige Infrastruktur sorgen“.

Die zahlreichen GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Leitung ließen sich davon nicht beeindrucken. So fragte sich Marlis Elsen von der Initiative BAUSTOPP DER BAYER-PIPELINE etwas ganz anderes. „Woher nehmen Sie die Überzeugung, dass die Sicherheitsvorkehrungen die gesetzlichen Vorgaben übertreffen und angemessen für ein derartig tückisches Gas sind“, wollte sie vom Vorstandsvorsitzenden wissen und verwies auf den angeblich hochreißfesten Werkstoff Geogrid, der Baggern standhalten sollte, aber im Praxistest nicht einmal einer einfachen Rosenschere trotzen konnte. „Das Leben von nahezu 200.000 Menschen wird in Gefahr gebracht, nur um den Gewinn eines Großkonzerns zu maximieren“, empörte sich Elsen.

Dieter Donner, der Pressekoordinator der Initiative „Bau-Stopp der BAYER-Pipeline“ vermochte in der Rohrleitung ebenfalls nichts dem Allgemeinwohl dienendes erkennen und warnte den Konzern davor, sich das grüne Licht für die Inbetriebnahme einfach auf dem kleinen Dienstweg von der Landespolitik zu holen. „Da die BAYER AG fremdes Eigentum in Anspruch nimmt, um diese Giftgas-Leitung zu bauen und zu betreiben, reicht es nicht, sich mit Landesregierung und Landtag zu einigen. BAYER wird letztlich darauf angewiesen sein, entweder das Gemeinwohl verfassungsrechtlich vor dem Bundesverfassungsgericht wirksam zu begründen oder sich mit den Klägern zu einigen. Beides wird nicht gelingen“, prophezeite Donner.

Der Krefelder Architekt Harald Jochums brauchte noch nicht einmal eigene Argumente gegen die Pipeline vorzubringen. Die Worte ihrer Befürworter sprachen seiner Ansicht nach für sich. „Es ist natürlich gefährlich, wenn das Gas ausströmt und Sie stehen daneben; dann fallen Sie natürlich um und sind auch tot“, zitierte er den Regierungspräsidenten Jürgen Büssow. Dann ließ der Fachmann für ökologisches Bauen einfach Fotos sprechen. Die Aufnahmen von den Verlegungsarbeiten zeigten, wie es konkret mit den Beteuerungen des Konzernes aussieht, alles Menschenmögliche für die Sicherheit des Projektes zu tun: Viele Baustellen sind seit Monaten verwaist, die Rohre modern im Wasser vor sich hin und verrotten. „Solche katastrophalen Baustellen habe ich in meinem nunmehr 35-jährigem Berufsleben noch nicht gesehen – und das bei so einem hochgefährlichen Medium!“, ereiferte sich Jochums.

Axel Köhler-Schnura von der CBG legte der Hauptversammlung dar, gegen welche enormen Widerstände der Konzern das Projekt vorantreibt: partei-übergreifende Ablehnung in fünf Städten, 80.000 Unterschriften, fast wöchentliche Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und andere Veranstaltungen, Sicherheitsbedenken von Polizei und Feuerwehr, kritische Fachgutachten und Urteile des Münsteraner Oberlandesgerichts. „Wann kehren Sie endlich auf den Boden der Demokratie zurück und stellen den Bau ein“, fragte der CBG-Vorständler angesichts dieser beeindruckenden Liste. Zudem machte er mit Blick auf die Geschichte der Coordination, die sich vor 30 Jahren nach einem Störfall in Wuppertal gründete, deutlich, in welcher Kontinuität das Pipeline-Projekt steht: „Alles, was aus den letzten 30 Jahren gelernt werden kann, ist, dass dieser Konzern mit seiner Profitgier, mit seinen Gefahren für Mensch und Umwelt gemeingefährlich ist“.

Aber Werner Wenning focht das alles nicht an. Er nahm für sich und seine Kollegen in Anspruch, aus der Geschichte gelernt zu haben – „Aber Sie haben das offensichtlich nicht gemerkt“ – und stand in Treue fest zur Giftgas-Röhre. Sie sei „das beste Transportmittel“, man habe die Alternativen sorgfältig abgewogen. Die Demonstrationen konnten ihn schon gar nicht davon abbringen: „Ob Demonstrationen das geeignete Mittel zum Dialog sind, muss jeder mit sich selber abmachen“. Und die Warnungen Dieter Donners vor einem Image-Verlust ignorierte der BAYER-Chef schnöde. „Ich weiß nicht, was Sie unter einem Image-Verlust verstehen. Wir wissen, dass wir Arbeitsplätze schaffen“, so Wenning. Der Vorstandsvorsitzende hatte allerdings auch gut reden, wohnen doch weder er noch seine Kollegen in unmittelbarer Nähe der Pipeline, wie der Manager auf eine entsprechende Frage hin zu Protokoll gab.

… und andere Katastrophen
Dabei ließ nicht nur der Blick in die Geschichte, den Axel Köhler-Schnura vornahm, den Umgang des Konzerns mit den Risiken und Nebenwirkungen seiner Geschäftstätigkeit als Wiederholungsfall erscheinen, auch das zur Verhandlung stehende Geschäftsjahr 2007 bot dafür genügend Anschauungsmaterial. So sprach CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes die Unfallserie am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute an, wo die 2-4fache Menge der gefürchteten Bhopal-Chemikalie MIC in Tanks lagert. In die Nähe des größten Chemie-GAUs der Menschheitsgeschichte wollte Wenning die Niederlassung jedoch nicht gerückt sehen: „Unsere Produktionsanlage in den USA mit Bhopal zu vergleichen, halten wir für völlig unangemessen“. Auch für die Fertigungsstätte in Baytown legte er seine Hand ins Feuer, obwohl eine neue Studie diese – vor allem wegen der Verbrennung von TDA-Rückständen – als viertgrößten Luftverschmutzer der USA brandmarkte. Sie entspräche dem jüngsten Stand der Technik, versetzte Wenning knapp, wohlweislich verschweigend, dass BAYER hier auf doppelte Standards setzt und die TDA-Produktion im heimischen Dormagen auf einem jüngeren Stand der Technik betreibt. Aber auch was die oft genug nicht eben sicheren Produktionsstätten des Multis verlässt, hat es Mimkes zufolge oft genug in sich. Bisphenol A (BPA) etwa, das in Plastikflaschen und Dosenbeschichtungen enthalten ist, kann den Hormonhaushalt schädigen. Die kanadischen Behörden haben den Stoff deshalb jüngst als „gefährliche Substanz“ eingestuft, woraufhin WAL-MART und andere Ketten die entsprechenden Flaschen mit Babynahrung umgehend aus ihrem Sortiment strichen. „Wann hören Sie endlich damit auf, die Risiken von BPA herunterzuspielen?“, fragte der CBGler den Ober-BAYER. „Im Gegensatz zu diesen Unterstellungen, dass wir die Risiken herunterspielen würden, gehen wir verantwortlich damit um“, erhielt er zur Antwort.

Ulrich Grubert vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN führte Mimkes‘ Mängelliste fort. Er widmete sich dem in BAYERs Krefelder Chemiepark geplanten Kohlekraftwerk, das nicht nur jährlich vier Millionen Tonnen Kohlendioxid sowie Feinstaub, Schwefeldioxid und Schwefeloxide ausstößt, sondern auch radioaktive Strahlung absondert. „Es wäre ein Skandal, wenn diese Niedrigstrahlung von Atomkraftwerke käme“, hielt Grubert fest. Bei seiner Frage zum genauen Ausmaß der ganzen Emissionen konnte Wenning dem Physiker nicht weiterhelfen. Da müsse er sich an den Betreiber TRIANEL wenden, beschied ihm der Vorstandsvorsitzende. Er wusste lediglich, dass das „hochmoderne Kraftwerk“ angeblich ein Fünftel weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre bläst als ältere Typen und mit einer Rohstoff-Einsparung von 20 Prozent die Bilanz entlastet. Da aber „grüne“ Argumente nicht recht weiterhalfen, griff Werner Wenning wie schon bei der Pipeline-Diskussion wieder zu seinem Totschlag-Argument und drohte im Fall eines Nichtbaus mit Arbeitsplatz-Verlusten.

Der Autor dieses Artikels erweiterte das im Schwarzbuch BAYER besonders umfangreiche Pharma-Kapitel und berichtete von dramatischen Zwischenfällen beim Test des Parkinson-Präparats Spheramine. Depressionen, Lähmungserscheinungen, motorische Störungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und Verwirrtheitszustände beobachteten die MedizinerInnen bei den ProbandInnen, denen sie Zellen zur Dopamin-Produktion ins Gehirn gespritzt hatten. Eine der TeilnehmerInnen an dem Versuch, der nicht den ethischen Standards der bundesdeutschen Aufsichtsbehörden entsprach und deshalb in den USA stattfinden musste, ist sogar für immer an einen Rollstuhl gefesselt und auf fremde Hilfe angewiesen. Da „fühlen wir mit der Patientin und haben bereits eine einvernehmliche Lösung gefunden“, klärte Wenning die Entschädigungsfrage – ohne allerdings die Schuldfrage zu beantworten. „Es ist nicht erwiesen, ob die bei den Patienten beobachteten Symptome in Zusammenhang mit Spheramine stehen“, sagte der BAYER-Chef, während er den Zusammenhang zwischen Spheramine und den angeblich festgestellten „Verbesserungen um 50 Prozent“ bei den Krankheitsverläufen als evident ansah. Zudem wäre man nach den strengsten wissenschaftlichen und ethischen Grundsätzen vorgegangen, tat Wenning kund, diese jedoch „können je nach Land unterschiedlich sein“.

Ein weiteres Sicherheitsrisiko machte CBG-Mitglied Ulla Krajewski in dem BAYER-Genreis aus, der gegen das Herbizid LIBERTY resistent ist. Obwohl noch gar nicht zugelassen, hatte er sich im Jahr 2006 in ganz normalen Supermarkt-Sorten wiedergefunden. Auf „höhere Gewalt“ führte das Unternehmen diese Verunreinigung zurück, was Krajewski nicht ganz mit dem BAYER-Bekenntnis „Wir vertreiben gentechnische Produkte oder Verfahren nur, wenn ihre Sicherheit und Umweltverträglichkeit nach dem Stand des Wissens und der Technik gewährleistet sind“ in Einklang bringen konnte. Werner Wenning brachte das erwartungsgemäß auch nicht zusammen. Eine Verletzung der gesetzlichen Bestimmung im Zusammenhang mit dem Reis läge nicht vor, und im Übrigen handle es sich um „gut erforschte Proteine“, unbedenklich für die menschliche Gesundheit und den Einsatz als Futtermittel, entgegnete er der CBGlerin. Wenning drohte sogar eine EU-weite Ausdehnung der Gefahrenzone an: „Wir sind zuversichtlich, nun auch bald eine Importgenehmigung zu erhalten“. Auf den Philippinen weckte ein solcher Zulassungsantrag die Ängste der Bevölkerung, wie Ulla Krajewski berichtete. Die LandwirtInnen sehen durch die westliche Laborfrucht die Artenvielfalt bedroht, die ihnen die Möglichkeit gibt, besonders widerstandsfähige Reis-Arten zu züchten. Weil das die Nahrungsmittelsicherheit gefährdet, protestierten die FarmerInnen massiv gegen das Vorhaben des Agro-Multis. „Was würden Sie der dortigen Bevölkerung sagen, um ihre Sorgen zu entkräften“, erkundigte sich die CBG-Aktivistin bei dem Konzern-Lenker, „Vermutlich würden Sie versprechen, dass der Anbau von gv-Früchten helfen wird, den weltweiten Hunger zu bekämpfen, aber meine Frage zielt auf konkrete Aussagen: Gibt es schon ein Beispiel, wie eine Genpflanze geholfen hat, den Welthunger zu lindern?“ Dem BAYER-Mann fiel gerade keines ein.

leere Mägen, volle Kassen
Der Welthunger interessiert den Manager nämlich herzlich wenig. Während es in vielen Teilen der Erde zu Aufständen kam, weil die Kosten für Nahrungsmittel ins Unermessliche stiegen, verkündete BAYER die frohe Botschaft: „Wir konnten an der positiven Entwicklung der Welt-Agrarmärkte partizipieren“. „Wie können Sie angesichts der massiven Verteuerung der Grundnahrungsmittel, angesichts des buchstäblichen Verhungerns von Millionen Menschen von einer ‚positiven Entwicklung der Weltagrarmärkte“ sprechen?“, fragte Andrea Will von der DKP den Vorstandsvorsitzenden, um der Hauptversammlung dann am Beispiel Haiti eine kleine Einführung in die Ökonomie des Welthungers zu geben. Das Land besaß Will zufolge noch vor 20 Jahre einen florierenden Reis-Anbau. Dann forderte die Weltbank eine Öffnung der Märkte ein, und die hoch subventionierten Lebensmittel made in USA kamen zu Dumpingpreisen in die Geschäfte. Die Farmer verließen ihre Felder, zogen in die Stadt, und arbeiteten in den Fabriken zu Löhnen, die gerade für die US-amerikanischen Importe reichten. Jedensfalls, solange die Preise für Weizen, Reis & Co. sich an den Warenterminbörsen noch im Rahmen hielten. Als diese aber explodierten, konnten die Menschen sich Brot und Butter nicht mehr leisten. „Und deshalb essen die Menschen in Haiti Lehm, um überhaupt etwas im Magen zu haben“, schloss die Kommunistin ihren Exkurs. Werner Wenning mochte da nicht folgen. Ohne die BAYER-Pestizide, die so „von den positiven Rahmenbedingungen auf den Weltagrarmärkten“ profitierten, wie er in seiner Eingangsrede dargelegt hatte, gäbe es „30 Prozent weniger Erträge“, behauptete der Unternehmensboss.

Susanne Gura vom FORUM UMWELT UND ENTWICKLUNG widerlegte das flugs. „Erst vorige Woche hat der Weltagrar-Rat eine radikale Reform der Landwirtschaft gefordert. Weltweit seien die Böden durch Agrar-Chemikalien geschädigt und daher seit Jahren die Ernten wichtiger Grundnahrungsmittel rückläufig. Die von 400 Wissenschaftlern erarbeiteten Empfehlungen drängen darauf, biologische Methoden anzuwenden“, erläuterte sie. Auch die vom Konzern wegen ihres Klima-Effektes viel gepriesense Biosprit-Pflanze Jatropha war für Gura ein Teil des Hunger-Problems. Die Frucht mit dem exorbitant hohen Öl-Anteil soll in Indien nämlich nicht wie von BAYER angegeben auf Grenzertragsböden wachsen, die sich nicht für die Kultivierung von Nutzpflanzen eignen, sondern auf Gemeinschaftsland, auf dem die Menschen Früchte, Nüsse, Medizinal- und Futterpflanzen sammeln. Jatropha-Plantagen würden den BewohnerInnen diese Möglichkeit der Selbstversorgung nehmen, führte Susanne Gura aus, „Armut und Hunger wären die Folge“. Aber Wenning ließ trotzdem nichts auf das Wolfsmilchgewächs kommen. „Jatropha ist ein vielversprechender Rohstoff“, insistierte er und versicherte, BAYER würde bei seiner Biosprit-Kooperation mit DAIMLER den sozialen Aspekt ebenso beachten wie den ökologischen der Biodiversität.

Wie wenig den Agro-Riesen jedoch alle Aspekte scheren, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Geschäftstätigkeit stehen, machte Ulrike Bey von der BURMA-INITIATIVE des Essener Asienhauses deutlich. Der Leverkusener Multi ist nämlich einer der wenigen Weltkonzerne, die wirtschaftliche Beziehungen zur burmesischen Militärdiktatur pflegen. Er unterhält eine Niederlassung in Rangun und plant das Land mit seinem Hybrid-Reis zu beglücken. „Wirtschaftliche Aktivitäten sind in Burma nicht ohne eine Kooperation mit dem Militärregime möglich. Ihm werden durch die Geschäfte Mittel zur Verfügung gestellt, die zum Kauf neuer Waffen und Militärausrüstung verwendet werden, welche auch gegen die eigenen Bevölkerung gerichtet werden“, stellte Bey fest und erbat Auskunft über die Höhe der Umsätze und Steuerzahlungen auf diesem Absatzmarkt. Werner Wenning rückte jedoch nicht mit Zahlen heraus und blieb im Allgemeinen. Der Global Player verfolge die politische Entwicklung in Burma zwar mit Sorge, aber wiederum auch nicht mit so viel, um seine Geschäftstätigkeit in dem Land einzustellen: „Ein Abbruch der wirtschaftlichen Aktivitäten würde nicht das Regime, sondern die Bevölkerung treffen“.

Antje Kleine-Wiskott vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE verfolgte hingegen die konzern-internen Entwicklungen beim Klimaschutz mit größter Sorge. „Im November stellten Sie Ihr neues Klima-Programm vor. Doch leider werden in diesem wichtige Problembereiche ausgespart, nämlich in der Hauptsache der Bezug von Energie aus Kohleverstromung, der beim Neubau von Kraftwerken über Jahrzehnte festgeschrieben wird. Wir von den KRITISCHEN AKTIONÄREN fragen uns, was ein solches Programm nutzt, wenn kritische Bereiche nicht mit einbezogen werden?“, monierte Kleine-Wiskott. Wie klimaschädigend diese kritischen Bereiche sind, führte sie dezidiert aus. So produziert allein das in Antwerpen geplante Steinkohlekraftwerk jährlich sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid. Und das ist noch nicht alles, denn Dreckschleudern dieser Art sollen auch an den Standorten Krefeld und Brunsbüttel entstehen. Aber solche kleinen „klimatischen Eintrübungen“ zählten für den Manager nicht; er sah den Konzern auf einem guten Weg. „Der Klimaschutz ist eine globale Aufgabe, deren Herausforderungen sich BAYER seit Jahren stellt“, gab er der kritischen Aktionärin zur Antwort.

In Abstimmung mit der Coordination informierten insgesamt 12 Redner und Rednerinnen die anwesende Aktionärsschaft über die Kehrseiten von Gewinn und Profit im abgelaufenen Geschäftsjahr. Besonders erstaunlich, dass auch von den übrigen RednerInnen aus der Aktionärsschaft kaum einer ohne Fragen zu Kohlenmonoxid-Pipeline, BAYER-Lobbyisten und Chemie-Unfällen das Mikrofon verließ. „Verkehrte Welt“ hieß es also bei der diesjährigen Hauptversammlung. Zu dieser gehörte allerdings auch, dass sich ausgerechnet eine Betriebsrätin zur Fürsprecherin BAYERs und zur Hauptkritikerin der KonzernkritikerInnen aufschwang. Aber das blieb eine tragikomische Randnotiz und so konnten die AktivistInnen denn nach getaner Arbeit schließlich zufrieden gegen 19 Uhr den Saal verlassen – natürlich standesgemäß fast als Letzte.
von Jan Pehrke