OFFENER BRIEF
An die Bundesregierung; die Stiftung „Denkmal für die Ermordeten Juden Europas“ sowie die BAYER AG
Datum: 8. Dezember 2003
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) verurteilt Beteiligung des BAYER-Konzerns am Bau des Denkmals für die Ermordeten Juden Europas
CBG-Sprecher Hubert Ostendorf: „Profiteure des Holocaust müssen vom Gedenken ausgeschlossen werden“
Wie erst jetzt bekannt wurde, ist der BAYER-Konzern als Auftragnehmer in den Bau des Holocaust-Denkmals in Berlin involviert. Ähnlich wie DEGUSSA war auch der Leverkusener Multi an der Ermordung der Juden durch das Nazi-Regime beteiligt. Hubert Ostendorf von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die Profiteure des Holocaust müssen vom Gedenken ausgeschlossen werden“. Die CBG beleuchtet seit 25 Jahren die alte und neue Geschichte des Unternehmens BAYER ( www.CBGnetwork.org ).
Es war BAYER-Chef Carl Duisberg, der die Idee zur Gründung des unheilvollen Chemiekartells IG FARBEN entwickelt hatte. Er erdachte schon im 1. Weltkrieg das „System Zwangsarbeit“ und setzte sich früh für die Finanzierung der Nazis ein. Die IG FARBEN profitierten in jeder nur erdenklichen Weise – Zwangsarbeit, tödliche Menschenversuche und Lieferung des „Vernichtungsgases“ ZYKLON B durch ihre Tochterfirma DEGESCH inbegriffen – von den Nazis und umgekehrt. Entsprechend kondolierte Hitler zum Tode Carl Duisbergs: „Die deutsche Chemie verliert in ihm einen ihrer ersten Pioniere und einen erfolgreichen Führer, die deutsche Wirtschaft einen ihrer großen Organisatoren. Sein Name wird in Deutschland in Ehren weiterleben.“
Einige Jahre vorher hatte Carl Duisberg bei einer Feier anlässlich seiner Pensionierung frohlockt: „Ich freue mich auf einen Lebensabend unter unserem Führer Adolf Hitler.“ Das System Zwangsarbeit – von Duisberg erfunden – wurde von den IG FARBEN mit äußerster Brutalität und Menschenverachtung umgesetzt. Das IG-Vorstandsmitglied Christian Schneider proklamierte: „Oberster Grundsatz bleibt es, aus den Kriegsgefangenen so viel Arbeitsleistung herauszuholen, als nur irgend möglich. Alle diese Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, dass sie bei denkbar sparsamsten Aufwand die größtmögliche Leistung vollbringen.“ Die Wahl des Standortes Auschwitz-Monowitz für ein neues IG-Werk mit nahezu unerschöpflichem „Arbeitskräfte-Reservoir“ lag ganz in dieser „Logik“. Die BAYER- Jubiläumsschrift „Meilensteine“ rühmt sich allen Ernstes noch damit, die SklavenarbeiterInnen „zusätzlich mit einer heißen Mittagssuppe verköstigt“ zu haben – um sie schlussendlich mit dem IG FARBEN-Gift ZYKLON B umbringen zu lassen.
Im Nürnberger IG FARBEN-Prozess wurde der spätere BAYER- Aufsichtsratsvorsitzende Fritz ter Meer als Kriegsverbrecher verurteilt. Kommentar „Meilensteine“: „In der Industrie war man bestürzt über dieses Urteil. Man wusste, dass ter Meer kein Nazi gewesen war.“ Dieser hatte bei den Nürnberger Prozessen ausgesagt, den ZwangsarbeiterInnen sei kein besonderes Leid zugefügt worden, „da man sie ohnedies getötet hätte.“ Etwa durch Menschenversuche im KZ, an denen auch BAYER-Ärzte beteiligt waren. In der berühmt-berüchtigten „Frauenkorrespondenz“ beschwert sich ein BAYER-Mitarbeiter bei der SS, dass zu Menschenversuchen angeforderte Frauen im schlechten Zustand waren und reklamiert den vereinbarten Preis als „zu hoch“.
In der Zeit von 1933-1945 konnte die IG-FARBEN ihr Firmenvermögen beträchtlich vermehren, nicht zuletzt aufgrund der Ausbeutung hunderttausender ZwangsarbeiterInnen. Als die Alliierten den Konzern nach dem Krieg schließlich entflochten, war BAYER Hauptprofiteur, denn dem Chemie-Unternehmen wurde mit AGFA und WEILER-TER MEER die gesamte ehemalige Niederrheingruppe der IG FARBEN zugeschlagen. Die von der IG in der Region gebildeten Schwerpunkt- Produktionen „Pharma“ und „Agrochemikalien“ boten der neugegründeten FARBENFABRIK BAYER „gute Startbedingungen“, wie die „Meilensteine“ unumwunden zugeben. Aus den Erfindungen, Entdeckungen und neu entwickelten Verfahren der IG-Ära wie Perlon, Synthese-Kautschuk, Lackrohstoffen, Sulfonamiden, synthetischen Gerbstoffen und der Silbersalzdiffusion schlägt BAYER bis heute Profit. So war das dunkle Kapitel für die Menschheit ein lukratives für BAYER.
Die CBG fordert, alle Firmen, die geholfen haben, das Naziregime zu installieren und die von der verbrecherischen Diktatur profitiert haben, vom Bau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas auszuschließen. Noch immer sind die Leidtragenden und ihre Nachkommen nicht angemessen entschädigt. Daran ändert auch die von Bundesregierung und Industrie getragene Stiftung zur „Entschädigung“ der ZwangsarbeiterInnen nichts, die in Wirklichkeit nur dazu da ist, die Betroffenen mit einem Butterbrot abzufinden und Rechtsansprüche abzuwehren.
Die CBG begrüßt die Absicht, die Geschichte der am Verbrechen des Nazi-Regimes beteiligten Unternehmen zu dokumentieren und fordert, dass diese fester Bestandteil der Dauerausstellung wird. Die CBG bietet an, Materialien für diese Ausstellung zu Verfügung zu stellen.