Reise um die halbe Erde ist nicht akzeptabel
Interview mit australischer Umweltschützerin. Firma vor Ort hat ein Angebot zur Entsorgung gemacht
Die australische Regierung hat dem Export des HCB-haltigen Abfalls der Firma Orica zugestimmt. WAZ Redakteurin Angelika Wölke sprach mit der australischen Umweltschützerin Dr. Mariann Lloyd-Smith.
Stimmen Sie mit der Einschätzung des australischen Umweltministers Malcolm Turnbull überein, dass der giftige HCB-haltige Abfall der Firma Orica in Down Under nicht entsorgt werden kann?
Lloyd-Smith: Nein. Das NTN (die im Pazifikraum agierende Umweltorganisation National Toxics Network) ist überzeugt, dass Australien den Müll entsorgen kann. Die Firma Dolomatrix hat Orica ein Angebot gemacht. Da die Kapazitäten des Werks momentan nicht ausreichen, hat Dolomatrix eine Erweiterung in Aussicht gestellt, sobald sie den Auftrag erhält. Die Firma ist überzeugt, sie könnte sofort mit der Entsorgung beginnen.
Turbull hat im Zusammenhang mit seiner Export-Genehmigung erklärt: „Die Regierung hält die von Orica getroffenen Verschiffungsmaßnahmen den internationalen Standards entsprechend und angemessen.“ Sehen Sie das auch so?
Lloyd-Smith: Nein.Wir glauben nicht, dass es angemessen oder akzeptabel ist, eine solche Menge an hochgiftigen Abfällen (22 000 Tonnen HCB-Abfälle in 60 000 Fässern) einmal rund um den Globus zu schicken. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Schiffsunfälle, die zu immensen Umweltverschmutzungen geführt haben. Eine Verschiffung beinhaltet aber auch einen Lade- und Entladevorgang sowie den Transport über die Straßen in Deutschland. Die Risiken sind einfach zu groß.
taz, 29.5.2007
giftmüll verbieten: jetzt aber wirklich!
Uhlenbergs Torschlusspanik
Endlich macht Eckhard Uhlenberg ernst. Nach einem halben Jahr Spekulationen darüber, ob der Landesumweltminister zuständig ist. Nach 11.000 Unterschriften von BürgerInnen gegen den Giftmüll. Jetzt, wo die Lieferung schon von der australischen Regierung genehmigt worden ist, wird er erstmals aktiv gegen den Transport des hochgiftigen Hexachlorbenzol nach NRW. Gut, dass er reagiert, wenn auch spät.
Dass Giftmüll erst um die halbe Erde geschickt wird, um es in der nordrhein-westfälischen Provinz verbrennen zu lassen, darf nicht einfach durchgewunken werden. Der Transport erzeugt nicht nur unnötig viel klimaschädliches Kohlendioxid, der Müll birgt auch große Gefahren für die Umwelt. Die australische Regierung sollte lieber selbst moderne Verbrennungsanlagen bauen, bevor sie das Gift verschippert.
Die Probleme hat Minister Uhlenberg längst erkannt, aber bisher gezögert. So hat er ein schmutzig-lukratives Geschäft für einige NRW-Unternehmen gedeckt. Dabei haben sowohl die Bundesregierung, als auch die EU-Kommission inzwischen bestätigt, dass Uhlenberg die Giftmüll-Lieferung verbieten darf. Das sollte er jetzt machen. Ein Umweltminister muss vor allem die Belange der Umwelt berücksichtigen. Für die wirtschaftlichen Interessen sind andere zuständig.
Kommentar MORITZ SCHRÖDER
WAZ, 29. Mai 2007
Der Protest formiert sich
Australische Regierung stimmte am Wochenende dem Export von 22 000 Tonnen Hexachlorbenzol-Abfälle zu. Von Angelika Wölke
Herten. Vorläufig kommt der Giftmüll aus Australien nicht. Da NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hat, in dem geklärt werden soll, ob Deutschland zum Import der 22 000 Tonnen hochgiftiger Hexachlorbenzol-Abfälle (HCB) verpflichtet ist, wird sich die Zu- oder Absage an die Australische Regierung noch ein wenig verzögern. „Ein Zeitpunkt ist schwer zu benennen“, sagt Uhlenbergs Sprecher Markus Fliege. „Aber ich denke, dass ein Ergebnis nicht vor Ende Juni vorliegt.
Am Wochenende hatte die Regierung in Canberra dem Export zugestimmt. Und vor Ort im Vest – 5000 Tonnen sollen bekanntlich im Hertener RZR verbrannt werden – hat sich über Pfingsten bereits der Protest formiert.
In einer Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz hat Claudia Baitinger, Sprecherin des BUND Landesarbeitskreises Abfall NRW, den Regierungspräsidenten (RP) in Münster angeschrieben. Dieser ist zuständig für die Genehmigung des Importes – muss jetzt allerdings, so Fliege, die Ergebnisse des Rechtsgutachtens abwarten.
Unter anderem bezieht sich Baitinger in ihrer Anfrage auf die vier Brände im neuen Gebindeschredder des Müllofens RZR, die bis Ende März gemeldet wurden. “Wie wird sichergestellt, dass bei Bränden die Rauchgase entsprechend den Grenzwerten des Bundesimmissionsschutzgesetzes behandelt werden„, möchte Claudia Baitinger jetzt wissen.
Parallel zum BUND hat die Bürgerinitiative “Pro Herten„ den RP angeschrieben. Bezug nehmend auf das Informationsfreiheitsgesetzes NRW fordert sie Akteneinsicht in die für den HCB-Import erforderlichen Unterlagen. Als Entscheidungshilfe schickt Joachim Jürgens von der Bürgervereinigung Pro-Herten dem RP eine 16-seitige Einschätzung der australischen Umweltorganisation “National Toxics Network“ mit, in der widerlegt wird, dass Australien den Giftmüll nicht selbst entsorgen kann.
Viele Behörden sind zuständig
Der Export-Stempel des Umweltministers in Canberra ist der erste Akt, dem weitere folgen müssen, bevor der Giftmüll tatsächlich in Herten ankommt. In Südafrika etwa müssen die Hafenbehörden von Durban einen Schiffs-Zwischenstopp genehmigen. Der Bund ist zuständig für die Anlandung in Brunsbüttel, das Land NRW für den Transport nach und die endgültige Entsorgung in Herten.