Kapital & Arbeit
BAYER streicht 220 Stellen in Grenzach
„Die Kollegen sind entsetzt“
Der Leverkusener Multi will am Pharma-Standort Grenzach massiv Arbeitsplätze vernichten. Er kündigte an, rund ein Drittel der 670 Stellen zu streichen.
Von Jan Pehrke
„Die Kollegen sind spürbar entsetzt, fassungslos und enttäuscht“, so beschreibt der Betriebsratsvorsitzende Armin Schranz die Reaktion der Belegschaft auf den BAYER-Beschluss, am Standort Grenzach im großen Stil Jobs abzubauen. 220 der bisher 670 Stellen will der Konzern bei seiner Tochter-Gesellschaft streichen, die nicht nur Salben, Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel produziert, sondern auch Fertigspritzen und Injektionsfläschchen für andere Pharma-Unternehmen befüllt. Mit ausbleibenden Aufträgen von eben diesen Fremdfirmen begründet der Pillen-Riese nun die drastische Maßnahme, die LeiharbeiterInnen ebenso betrifft wie Beschäftigte mit befristeten und unbefristeten Verträgen.
Noch zwei Jahre zuvor, bei der feierlichen Verabschiedung des Geschäftsführers Christian Baumann, hatte BAYERs damaliger „Consumer Care“-Boss Thomas Wozniewski besonders den Erfolg Grenzachs im Drittkunden-Geschäft gepriesen und sich generell hochzufrieden mit der Unternehmenspolitik gezeigt. Der zu der Zeit amtierende Bürgermeister Jörg Lutz bedankte sich bei Baumann sogar persönlich für die glänzende Entwicklung der BAYER-Tochter und bezeichnete diese als Vorzeige-Unternehmen.
Unter Baumanns Nachfolger Claus Rubensdörfer ließ die Auslastung dann nach, und das Führungspersonal bemühte sich nicht groß, nach neuen Kunden zu suchen. Sie suchten lieber das Weite, wie Armin Schranz kritisiert: „Erfahrene Manager, die uns bis dahin geführt haben und die wir eigentlich in diesen schwierigen Zeiten dringend benötigen, verließen uns nach und nach und ließen uns mit unseren Sorgen und Problemen alleine.“
Und die Sorgen und Probleme begannen eigentlich schon, als BAYER die Produktion im Jahr 2004 übernahm. Die Fertigungsstätte gelangte im Zuge eines Mega-Deals mit ROCHE in den Besitz des Leverkusener Multis: Für 2,4 Milliarden Euro erwarb er von dem Schweizer Pharma-Riesen dessen gesamte Sparte mit rezeptfreien Medikamenten. Und wie bei solchen Geschäften üblich, war auch sogleich von Einspar-Möglichkeiten die Rede. „Wenn man zwei Organisationen dieser Größe kombiniert, gibt es ein großes Synergie-Potential: Beispielsweise in der Beschaffung und bei den internen Dienstleistungen“, sagte der inzwischen pensionierte BAYER-Manager Gary S. Balkema und fuhr fort: „Darüber hinaus gibt es weltweit verschiedene Stellen, die doppelt besetzt sind. Das werden wir analysieren und lösen müssen.“
Und das tat der Global Player. Er gab die Niederlassung in Eppstein auf und verkaufte 2011 die Arznei-Fabrik im französischen Gaillard an DELPHARM. Auch in Grenzach gab es nach dem Eigentümer-Wechsel entsprechende Befürchtungen. Deshalb forderte die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE von BAYER sogleich ein Bekenntnis zum Standort ein. Ein solches kam den ManagerInnen allerdings nicht über die Lippen, sie ließen die Beschäftigten bewusst im Ungewissen, um ihnen Zugeständnisse abtrotzen zu können. So mussten „altgediente Mitarbeiter nach dem Betriebsübergang von ROCHE zur BAYER AG zur Sicherung des Standortes große Verluste der Betriebsrenten-Ansprüche hinnehmen“, beklagt Armin Schranz und warnt den Konzern vor Wiederholungstaten. Er verlangt von ihm, nun wenigstens den übriggebliebenen Betriebsteil – die Fertigung von Salben und deren Verpackungen – zu stärken. Dazu hat sich das Unternehmen formell auch bereit erklärt. „Grenzach bleibt ein strategisch wichtiger Standort für die Salben-Herstellung im weltweiten Produktionsnetzwerk von BAYER“, heißt es aus der Zentrale.
Damit gibt sich der Betriebsrat aber nicht zufrieden. Er strebt in den Verhandlungen mit der Firmen-Leitung eine Standortsicherungsvereinbarung an. Eine solche ist der Leverkusener Multi nämlich längst nicht mit allen Beschäftigen der bundesdeutschen Werke eingegangen. Nur die Belegschaftsangehörigen der BAYER AG, also der großen Niederlassungen in Leverkusen, Dormagen, Krefeld, Brunsbüttel und Wuppertal, kamen bisher in den „Genuss“ eines solchen Vertrages, nicht aber die KollegInnen der BAYER-GmbHs in Bitterfeld, Grenzach und anderswo. Er gilt somit bloß für rund 60 Prozent der insgesamt 36.000 BAYER-Beschäftigten in Deutschland, und auch nur für diese ist der Gesamtbetriebsrat zuständig. Ob es Schranz gelingt, daran etwas zu ändern, und ob er es des Weiteren schafft, bei der vom Global Player in Grenzach geplanten Arbeitsplatz-Vernichtung das Schlimmste zu verhindern, wird sich spätestens im Frühling zeigen.