24.08.2007, German Foreign Policy
Im Namen der UNO
Begleitet von Protesten eröffnet der deutsche Chemiekonzern Bayer an diesem Wochenende die dritte Internationale Jugend-Umweltkonferenz der Vereinten Nationen. Tagungsort ist das private Bayer-Kommunikationszentrum am Firmenstammsitz in Leverkusen (Bundesland Nordrhein-Westfalen). Wie das United Nations Environment Programme (UNEP) mitteilt, soll die Konferenz das Umweltbewusstsein unter der heranwachsenden Generation stärken. Bayer hingegen nennt als Ziel, „internationale Netzwerke aufzubauen“, und will künftige Entscheidungsträger insbesondere aus Asien, einem Schwerpunktgebiet der Firmenexpansion, mit Hilfe der UNO an deutschen Ökoprogrammen schulen. Die aktuelle Tagung ist eingebunden in eine Kooperation zwischen dem deutschen Unternehmen und der UN-Behörde UNEP, die während der Amtszeit des deutschen UNEP-Exekutivdirektors Klaus Töpfer vertraglich vereinbart wurde. Töpfer war zuvor deutscher Bundesminister. Die von ihm gefestigte Zusammenarbeit mit Bayer begünstigt den weltweiten Absatz von Produkten der deutschen Umweltindustrie und wird auch unter der Amtsführung seines deutschen UNEP-Nachfolgers Achim Steiner fortgesetzt. Konzernkritiker protestieren gegen das offenkundige Zusammenspiel mit den Vereinten Nationen.
Die dritte Internationale Jugend-Umweltkonferenz der UN startet an diesem Sonntag im Kommunikationszentrum der Leverkusener Bayer AG. Veranstalter sind der deutsche Chemiekonzern und die UN-Behörde UNEP. Wie das Unternehmen mitteilt, werden der Bayer-Vorstandsvorsitzende Werner Wenning und UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner die Tagung am Montag offiziell eröffnen, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist für den Einführungsvortrag angekündigt. Mehr als 150 Jugendliche und junge Erwachsene aus Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Asien werden in Leverkusen fünf Tage lang unter dem Motto „Technik im Dienst des Umweltschutzes“ konferieren.
Unzureichend
Die aktuelle Veranstaltung ist der neueste Höhepunkt einer intensiven Kooperation mit UNEP, die Bayer bereits in den 1990er Jahren eingeleitet hat. Der Konzern wird bis heute heftig kritisiert, weil seine Werke die Umwelt in hohem Maße belasten. So werden nach wie vor Schadstoffe in erheblichem Umfang in den Rhein geleitet, die Kohlendioxid-Emissionen sind hoch (7,5 Millionen Tonnen jährlich) und werden durch den Bau eines Kohlekraftwerks durch den Konzern um zusätzliche 4,4 Millionen Tonnen im Jahr gesteigert. „In ökologischer Hinsicht sind die Umwelt-Maßnahmen von Bayer weiterhin unzureichend“, resümiert Philipp Mimkes vom Vorstand der konzernkritischen Coordination gegen Bayer-Gefahren. In mehreren Staaten Asiens, einem seiner Expansionsschwerpunkte 1, bietet der Konzern sogar Schädlingsbekämpfungsmittel an, die von der WHO als „extrem gefährlich“ eingestuft werden – mit fatalen Folgen: Im vergangenen Jahr mussten 79 Kinder auf den Philippinen stationär behandelt werden, weil sie in ihrer Schule in eine Giftwolke eines Bayer-Pestizidwirkstoffs geraten waren.2
Weltweit standardisieren
Werbewirksame Umweltaktivitäten des Bayer-Konzerns reichen über bloße Imagepflege hinaus. „Umweltschutz wird vor allem dann beherzigt, wenn damit steigende Erlöse oder Konkurrenzvorteile zu erzielen sind“, beobachtet Mimkes: So geben die Filialen des Unternehmens in China, das unter schweren Umweltproblemen leidet, weniger Schadstoffe ab als die einheimischen Wettbewerber; Bayer stellt etwa auch Kunststoffe her, die zur Produktion energiesparender Dämm-Materialien benötigt werden. Klaus Töpfer, Umweltminister der Bundesrepublik von 1987 bis 1994 und seit dieser Zeit mit den Wünschen der deutschen Industrie bestens vertraut, beschrieb die Ausfuhrchancen für Öko-Erzeugnisse vor einigen Jahren in einer Bayer-Publikation: Man könne im Westen zur „Etablierung von umwelt- und ressourcenschonenden Produktionsverfahren in der Dritten Welt (…) entscheidend beitragen“ – und zwar mit dem gewinnbringenden „Export von entsprechenden Technologien aus den Industrieländern“.3 „Indem wir die Technologiestandards globalisieren, erreichen wir weltweit einheitliche Bedingungen zum Schutz der Umwelt“, schrieb Töpfer über die industrielle Rationalisierung nach Maßstäben westlicher Produktions- und Profitnormen. Seit 1998 machte sich Töpfer für die weltweite Durchsetzung solcher Standards stark – als UNEP-Exekutivdirektor.
In verantwortlicher Position
Während Töpfer die lange als einflussarm geltende UN-Behörde grundlegend umstrukturierte, schloss sich Bayer seinen Standardisierungsbemühungen rasch an. Zu den wichtigsten Einflussprojekten des Konzerns gehört das 1998 gemeinsam mit UNEP gestartete Young Environmental Envoy Programme („Programm Junge Umweltbotschafter“). Es richtet sich an künftige Führungskräfte aus ärmeren Staaten, die jedes Jahr zu einer einwöchigen „Studienreise“ in die Zentrale des Konzerns nach Leverkusen geladen werden.4 Dort „informiert“ Bayer sie „über die Prinzipien und Methoden des modernen industriellen Umweltschutzes aus erster Hand“. „Die in Deutschland gesammelten neuen Erfahrungen und Erkenntnisse bringen die Jugendlichen nach ihrer Rückkehr in die Heimatländer“, schreibt das Unternehmen über den Zweck des Projekts: „Mancher junge ‚Umweltbotschafter‘ arbeitet heute in verantwortlicher Position im Umweltbereich – sei es in den Medien, Behörden oder in einer Nichtregierungsorganisation“. Er „kann so wichtige Impulse für eine nachhaltige Entwicklung in seinem Land geben“ – im Namen der UNO und vor dem Hintergrund der deutschen Einflussinteressen.
Integrität
Im Jahr 2004 hat das Leverkusener Unternehmen seine Kooperation mit der UNEP in einer Rahmenvereinbarung vertraglich festgelegt – als erste Privatfirma weltweit. „Derzeit organisieren Bayer und UNEP gemeinsam ein Dutzend Umweltprojekte für Jugendliche rund um den Globus“, teilt die Konzernzentrale mit. Bayer stelle „Finanzmittel in Höhe von einer Million Euro pro Jahr zur Verfügung.“5 Höhepunkt ist die alle zwei Jahre abgehaltene Internationale Jugend-Umweltkonferenz, die jetzt zum ersten Mal an den Firmenstammsitz einberufen worden ist. Konzernkritiker protestieren scharf gegen die enge Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit dem gewinnorientierten Konzern. Die Kooperation beschädige „die Integrität“ des United Nations Environment Programme, heißt es in einem Offenen Brief der Coordination gegen Bayer-Gefahren.6
Mit freundlicher Unterstützung
Adressat des Offenen Briefes ist der gegenwärtige UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner, der unmittelbare Nachfolger Klaus Töpfers.7 Dass mit ihm zum zweiten Mal ein Deutscher diese Spitzenposition erhielt, hat im vergangenen Jahr weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Gewöhnlich wird in den Vereinten Nationen darauf geachtet, keinen Staat offen zu bevorzugen. Steiner, der die Jugend-Umweltkonferenz am Montag in Leverkusen offiziell eröffnen wird, war zunächst in der deutschen Entwicklungspolitik tätig und hatte danach als Generaldirektor der World Conservation Union, einer der einflussreichsten Naturschutzorganisationen weltweit, ein Themenfeld bearbeitet, das auch für deutsche Unternehmen von hohem Interesse ist: den Schutz der natürlichen Artenvielfalt. Firmen wie etwa die Bayer-Agrarsparte legen darauf großen Wert, weil sie sich von den Gen-Reservoiren Erkenntnisse für die agrarindustrielle Sortenzüchtung und damit neue Konkurrenzvorteile erhoffen.8 In mehrfacher Hinsicht wegweisend mutet im Nachhinein eine Vortragsveranstaltung an, zu der die Universität Mainz im Juli 2004 einlud. Klaus Töpfer und Achim Steiner sprachen über „Biodiversität“; laut Untertitel drehte es sich dabei um „Internationale Naturschutzpolitik im Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Shareholder Value“. Wie aus dem Einladungsschreiben hervorgeht, wurde die Veranstaltung „mit freundlicher Unterstützung der Bayer CropScience AG“ durchgeführt.
1 s. dazu Tödliches Gift
2 s. dazu Mit Abstand Marktführer
3 Partnerschaftlich die Zukunft gestalten; Bayer research 16, www.research.bayer.de/Download_Center.aspx
4 Junge Umweltbotschafter; www.bayer.de/de/Jugend-Umweltprogramm.aspx. Die Entsendestaaten messen dem Programm große Bedeutung bei, schreibt Bayer: „In Thailand nimmt ein Mitglied des Königshauses im Rahmen einer Audienz die Ernennung der Umweltbotschafter vor. Und auf den Philippinen werden die ‚Bayer Envoys‘ vor ihrer Abreise nach Deutschland von der Staatspräsidentin empfangen.“
5 Bayer und UNEP: Partner für Jugend und Umwelt; www.bayer.de/de/Jugend-Umweltprogramm.aspx
6 Stop Partnering with Bayer; www.cbgnetwork.org/2089.html
7 s. auch Deutschen-Quote
8 s. auch Die Schatzinsel und Mordsgeschäfte (II)