20.9.2006, die tageszeitung
Der Gentech-Raps kommt nach Europa
Weil sich die EU-Agrarminister nicht einigen konnten, darf die Kommission nun allein entscheiden
Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis der Bayer-Konzern seinen in Übersee angebauten Gentech-Raps auch in die EU einführen darf. Die EU-Agrarminister konnten sich am Montag auf ihrer Sitzung zwar nicht über den von Bayer CropScience eingereichten Antrag für den Import von Gentech-Raps einigen. Weder für noch gegen den Antrag gab es eine „qualifizierte Mehrheit“. Damit kann jetzt aber die EU-Kommission im Alleingang die Zulassung aussprechen. Es wird erwartet, dass sie auch den Import freigeben wird. Bisher durfte Gentech-Raps nur im verarbeiteten Zustand, als Rapsöl oder -mehl, in die EU eingeführt werden.
Bayer CropScience will mit seinen Antrag erreichen, dass seine drei verschiedenen, in den USA bereits angebauten Rapslinien auch als ganze Körner in die EU eingeführt und dann in den hiesigen Ölmühlen verarbeitet werden können. Die Rapssorten sind mit einer Resistenz gegen das Bayer-Herbizid Liberty Link ausgestattet worden. Gentech-Raps wird als besonders umweltschädlich angesehen, weil es so gut wie unmöglich ist, die Ausbreitung von Pollen oder Samen zu verhindern.
In der Kritik steht auch die EU-Zulassungspraxis. Denn alle in den letzten Jahren zugelassenen Gentech-Pflanzen sind allein von der EU-Kommission genehmigt worden, da sich die Agrarminister jedes Mal nicht einigen konnten. Am Montag sprachen sich zum Beispiel lediglich 6 EU-Staaten für den Bayer-Antrag aus, darunter auch Deutschland, 13 Staaten waren dagegen, 6 enthielten sich. Um den Antrag abzulehnen, reichen diese Stimmen jedoch nicht aus.
Das Resistenzgen für das Bayer-Herbizid Liberty Link ist übrigens auch in dem Gentech-Weizen enthalten, den das Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben, Sachsen-Anhalt, dieses Jahr noch freisetzen will. Bei den Pflanzen soll der Proteingehalt erhöht werden. Heute läuft die Einspruchsfrist gegen den Versuch aus. Fast 30.000 Einwendungen hat das Münchener Umweltinstitut gegen den Gentech-Versuch in den letzten Wochen zusammenbekommen.
Auch hier wird befürchtet, dass der Weizen sich unkontrolliert verbreiten kann. Zu bedenken sei zudem, dass das IPK auch einer der größten Genbanken besitzt, sagt Andreas Bauer vom Umweltinstitut München. „Es besteht die Gefahr, dass die dort eingelagerten Saatgutbestände kontaminiert werden.“ WOLFGANG LÖHR
Telepolis (Brigitte Zarzer), 20.09.2006
Seehofer verärgert Bauern und Gentech Kritiker
Der deutsche Verbraucherminister stimmt in Brüssel für den Import von Rapssamen
Gentechnisch veränderter Raps gilt unter Experten als besonders auskreuzungsfreudig und deshalb als kaum koexistenzfähig. Minister Horst Seehofer sprach sich deshalb in der Vergangenheit immer wieder gegen einen Anbau in Europa aus. Im Agrarministerrat stimmte Deutschland jetzt aber für die Zulassung der GV-Rapssorten Ms8, Rf3 und Ms8xRf3 der Firma Bayer aus. Bei einer Absegnung durch die EU-Kommission könnte dadurch erstmals gentechnisch veränderter Rapssamen in die EU gelangen. Kritiker sind empört.
Auf einer Sitzung des Agrarministerrats am 18. September wurde über die Zulassung der Einfuhr von Samen aus GV-Raps der Linien Ms8, Rf3 und den daraus abgeleiteten Hybriden Ms8xRf3 von Bayer CropScience beraten. Sie sind herbizidtolerant und sollen männliche Sterilität besitzen. Die EU-Mitgliedsstaaten wurden sich allerdings wieder einmal nicht einig. Dreizehn Länder stimmten dagegen. Das ist allerdings keine qualifizierte Mehrheit, womit der Ball nun wieder bei der EU-Kommission liegt, die in ähnlichen Fällen dann so gut wie immer für eine Zulassung gestimmt hatte.
Empört reagieren Gentech-Kritiker, zumal sich Deutschland für eine Zulassung ausgesprochen hat. Denn bisher sind in der EU nur Futtermittel und raffinierte Öle aus Gentech-Raps zugelassen. Mit dem jetzt verhandelten Bayer-Antrag könnte man sich aber Verunreinigungen einschleppen, befürchten Kritiker. Die Grünen wettern, dass Minister Seehofer wieder einmal seinem Ruf als „Genhofer“ gerecht geworden sei, der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft wirft ihm vor, sich mit dem Abstimmungsverhalten in Widersprüche verwickelt zu haben. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft skizziert mögliche praktische Probleme und ökonomische Konsequenzen:
Die Ausrede‘ der Bundesregierung, der gentechnisch veränderte Raps komme ja nicht auf die Äcker, sondern gelange als Importerzeugnis gleich in die Ölmühlen, zeugt angesichts der illegalen Gentechnik-Maisimporte 2005 und des jetzigen Reisskandals entweder von großer Naivität oder ist ein Akt der bewussten Verunreinigungsstrategie, weil niemand ausschließen kann, dass nicht doch der Raps auf die Äcker ausgebracht wird oder unkontrolliert z.B. durch Transportverluste auskreuzt. Gerade der gentechnikfreie Rapsanbau in Europa hat gegenüber den Märkten in Kanada, USA und Australien große wirtschaftliche Vorteile für die hiesigen Rapserzeuger. Sollen wir diesen lukrativen Markt aufgeben? Soll Unilever, die Soja wegen gentechnischen Veränderungen durch Raps ersetzt haben, irgendwann sagen, wir ersetzen auch den Raps, womit ein großer Nachfrager auf dem Markt sich verabschieden würde? Oder hat die Angelegenheit System und versucht die Bayer AG durch schleichende Verunreinigung die Erzeugung ohne Gentechnik systematisch zu unterlaufen?
Bayer sieht kein Risiko
Bayer hingegen widersprach diversen Bedenken. An einen Anbau sei nicht gedacht, so das Unternehmen. Die eingeführte Ware würde sofort verarbeitet und es würden ausreichend Vorkehrungen getroffen werden, um Verunreinigungen zu verhindern. Ein Antrag auf Anbau in der EU wurde 2005 zurückgezogen.
Dem EU-Abgeordneten der Grünen, Friedrich Wilhelm zu Baringdorf, reicht das nicht. Es bestehe die Gefahr, dass die Samen etwa beim Verladen doch in die freie Natur gelangten und dort aufkeimten. Ein Problem sei außerdem, dass „die kleinen Rapskörner, die sich aus den Ritzen und Nischen von Lagern und Verarbeitungsmaschinen selten vollständig entfernen lassen, sauber von der gentechnikfreien Ware zu trennen“. Die stellvertretende verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Elvira Drobinski-Weiß, erklärte, dass die „Zustimmung Deutschlands zur Einfuhrgenehmigung für gentechnisch veränderten Raps nicht nachvollziehbar und inkonsequent“ sei, da, wie wissenschaftliche Studien gezeigt hätten, „Raps nicht koexistenzfähig ist“. Für „Die Linke“ im Bundestag verlagert Seehofer mit seinem Verhalten die „Koexistenzproblematik ins Ausland“:
Die Verlagerung des Problems ins Ausland führt zu weiteren Schwierigkeiten, wie Auskreuzungen und Mehrfachresistenzen in Kanada belegen. In den so genannten Entwicklungsländern wird die Exportabhängigkeit weiter vertieft und es werden neue Umweltprobleme geschaffen. Der Wegfall von Wald und kleinbäuerlicher Landwirtschaft durch die massive Ausbreitung riesiger Sojaflächen für den Export trägt zur Verarmung der Bevölkerung in ländlichen Regionen bei.
Die Kritik ist durchaus berechtigt, denn zumindest aus Kanada weiß man inzwischen um die großen Probleme, die dort Gentech-Raps – primär Roundup Ready-Raps aus dem Hause Monsanto – verursacht hat. In Westkanada gibt es kaum mehr Saatgut, das nicht einen gewissen Grad an Verunreinigung mit RR-Raps aufweisen würde. Legendär ist auch der Prozess Monsanto gegen den kanadischen Bauern Percy Schmeiser wegen angeblichen Gen-Klaus. Auch die kanadischen Imker trugen großen Schaden davon. Ihr einst so begehrter Raps-Honig ist bei den großen Lebensmittelverarbeitern wie Langnese nicht mehr gefragt.