Westdeutsche Zeitung, 16.12.05
Feuerwehr Wuppertal: Bayer-Wache in der Kritik
In einem offenen Brief an die Stadt wird der Sparkurs auf Kosten der Retter und der Sicherheit kritisiert. Der Feuerwehrchef verspricht Verbesserungen.
Wuppertal. Das Schild am Bayer-Werktor 3 an der Friedrich-Ebert-Straße lässt keine Zweifel aufkommen: Seit Juli ist die städtische Feuerwehr auch für die Sicherheit im Werk zuständig. Das Pilotprojekt trägt den Namen „Feuerwache 3“ und wird sowohl von der Stadt als auch von Bayer als Gewinn gefeiert. Fakt ist: Das Geld, das das Projekt in die städtischen Kassen spült, hat die Feuerwehr bitter nötig.
Die Berufsfeuerwehr muss ab 2006 jährlich mit rund 500 000 Euro weniger auskommen. Der Fehlbetrag soll mit Geld aus der Kooperation mit Bayer und der gemeinsamen Leitstelle mit Solingen gedeckt werden.
Doch schon mit Beginn der Diskussion um die neue Wache 3 rumorte es an der Basis. Jetzt hängt der Haussegen bei den Wuppertaler Rettern endgültig schief. In einem offenen Brief an die Stadt wird unverhohlen Kritik an dem neuen Projekt geübt.
Auslöser war offenbar der Großbrand an der Vogelsaue am vergangenen Wochenende (die WZ berichtete). Weil das Bayer-Werk quasi um die Ecke liegt, rückten natürlich die städtischen Retter der neuen Wache 3 zum Löschen aus. Soweit alles in Ordnung. Der Haken ist nur: Sobald die Löschmannschaft aus dem Bayer-Werk in der Stadt im Einsatz ist, muss innerhalb kürzester Zeit Ersatz her, um die Wache aufzufüllen. Und zwar mit Rettern, die speziell für etwaige Einsätze in einer Chemie-Fabrik ausgebildet sind.
So griff die Leitstelle in jener Brandnacht zum Telefon und musste um 3.58 Uhr Feuerwehrleute alarmieren, die eigentlich dienstfrei hatten. Das so steht es zumindest in dem offenen Brief geschieht mittlerweile regelmäßig; zumindest seit es die Wache 3 gibt. Der Vorwurf: Das Konzept der neuen Bayer-Wehr gehe voll auf Kosten des Personals und damit letztlich auch auf die Sicherheit.
Indirekte Kritik gibt es in dem Schreiben auch an Bayer: Weil der Chemie-Riese bestimmte Areale geheim halte, dürften beispielsweise Kräfte der Freiwilligen Feuerwehren die Wache 3 im Ernstfall nicht auffüllen.
Zumindest diesen Punkt kann Feuerwehrchef Siegfried Brütsch zurückweisen: Es gebe keine Geheimhaltungstaktik von Bayer. Es müssten eben entsprechend ausgebildete Retter in der Wache 3 Dienst tun. Dienstfreie Kräfte zu aktivieren sei ein durchaus probates Mittel, das in dem Konzept für die Bayer-Wache ausdrücklich aufgeführt und von der Bezirksregierung genehmigt worden sei.
Die personellen Probleme sind dem Feuerwehrchef allerdings voll bewusst. Er verspricht: „Wir werden uns insbesondere den Einsatz in der Vogelsaue noch einmal genau anschauen und für die Zukunft nachbessern, wo das möglich ist.“
Um die Sicherheit in der Stadt müsse sich aber niemand sorgen. So unausweichlich der Sparkurs samt Wache 3 und gemeinsamer Leitstelle scheint; Brütsch und seine Führungsriege werden noch einmal viel Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen leisten müssen.
Denn nicht erst mit der Einweihung der Wache 3 im Juli wurde hinter vorgehaltener Hand deutlich: Längst nicht jeder Berufsretter ist von der Aussicht begeistert, hinter dem Werktor 3 Dienst zu schieben.
Von Andreas Spiegelhauer und Boris Glatthaar