Hormonelle Schädigungen:
Zweiköpfige Fische nach Pestizideinsatz
Im australischen Noosa-Fluss werden Millionen von Fischen mit schweren Deformationen beobachtet. Als Auslöser gilt der exzessive Einsatz von Pestiziden in benachbarten Plantagen. Umweltgruppen fordern ein sofortiges Verbot des Pestizids Endosulfan, das u.a. von BAYER produziert wird. Endosulfan steht seit Jahrzehnten in der Kritik und ist für Tausende tödlicher Vergiftungen verantwortlich.
Von Philipp Mimkes
Im australischen Bundesstaat Queensland treten verstärkt Mutationen von Fischen auf. Der Veterinärmediziner Dr. Matt Landos berichtet von Fischen mit zwei Köpfen und Tieren, bei denen der Schwanz aus dem Kopf wächst. Nach dem Schlüpfen sterben die Larven innerhalb von 48 Stunden, eine Zuchtfarm verlor allein mehrere Millionen Barsche. Nach Angaben lokaler Fischer gingen die Bestände im Noosa-Fluss dramatisch zurück, nachdem sich in den neunziger Jahren Macadamianuss-Plantagen in der Gegend ansiedelten.
Das staatliche Industrie- und Fischereiamt DPI&F untersucht den Fall. Als Auslöser der Mutationen stehen Pestizide in Verdacht – namentlich das Insektizid Endosulfan und das Fungizid Carbendazim, beide im Sortiment des BAYER-Konzerns. Die Agrochemikalien, die auf den angrenzenden Plantagen in großen Mengen versprüht werden, können das Hormonsystem schädigen und dadurch Mutationen verursachen. „Bei Fischen und Amphibien ist seit Jahren ein weltweiter dramatischen Rückgang der Bestände bis hin zum Artensterben zu beobachten, die nach verschiedenen Studien auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen sind,“ erklärt Klaus Schenck von Rettet den Regenwald e.V. Den Verbrauchern in Deutschland empfehlt Schenck, australische Macadamia-Nüsse wegen der möglichen Pestizidbelastung nicht zu kaufen.
Endosulfan ist extrem toxisch und wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem. In Tierexperimenten wurden epilepsieartige Krämpfe, Leber- und Nierenschäden, Erblindungen sowie Schädigungen der Haut und Schleimhäute festgestellt. Beim Menschen rufen bereits geringe Konzentrationen Schäden des Hormonsystems hervor. Auch wird ein verstärktes Wachstum von Brust- und Prostatakrebszellen beobachtet. Bei BAYER gelangte der Wirkstoff im Jahr 2002 durch die Übernahme von AVENTIS CROPSCIENCE in das Sortiment.
Immer wieder kommt es zu Vergiftungen mit Endosulfan. Allein im kleinen westafrikanischen Land Benin führte der Einsatz des Pestizids innerhalb von zwei Jahren zu 348 Vergiftungen und 50 Todesfällen. In Indien starben im November fünf Schüler, nachdem sie mit Endosulfan vergiftete Milch getrunken hatten. Rund 10 Tonnen Endosulfan waren auch an Bord der philippinischen Fähre Princess of the Stars, die im Juni 2008 in einen Taifun geriet und sank. Die Ladung musste aufwendig geborgen werden, um eine Meeres-Verseuchung zu verhindern.
In mehr als fünfzig Ländern ist Endosulfan verboten, in Deutschland besitzt das Nervengift seit 1991 keine Zulassung mehr. Der BAYER-Konzern exportiert Endosulfan jedoch weiterhin unter den Handelsnamen Malix, Phaser und Thiodan in alle Welt, meist für den Einsatz im Baumwollanbau. Umweltgruppen fordern das Unternehmen seit langem auf, Produktion und Verkauf von Endosulfan einzustellen, da eine gefahrlose Anwendung prinzipiell nicht möglich ist. Armut, Analphabetismus und tropisches Klima, das den Einsatz von Schutz-Anzügen nicht erlaubt, tragen dazu bei, dass rund 99% aller Pestizid-Vergiftungen in Entwicklungsländern auftreten. Sarojeni V. Rengam, Geschäftsführerin des Pesticide Action Network Asia: „Es ist eine Tragödie, dass Pestizide wie Paraquat und Endosulfan, die unter den Anwendungsbedingungen im Süden extrem gefährlich sind, weiterhin großflächig eingesetzt werden. Wir fordern die Firmen BAYER, weltgrößter Produzent von Endosulfan, und Syngenta, Produzent von Paraquat, auf, die Herstellung dieser tödlichen Pestizide sofort einzustellen.“
Im vergangenen Oktober scheiterte der Versuch, Endosulfan auf der Vertragsstaatenkonferenz der Rotterdam-Konvention auf die Liste der gefährlichen Stoffe zu setzen. Das Prior Informed Consent (PIC) Verfahren gibt Entwicklungsländern das Recht zu entscheiden, welche der gelisteten Chemikalien sie für den Import zulassen und welche sie ausschließen wollen, weil sie deren Risiken nicht handhaben können. Die Produzenten sind verpflichtet, Exporte zu unterbinden, wenn sich das Importland dagegen entschieden hat. Vor allem Indien, Pakistan und China, wo Endosulfan weiterhin im großen Umfang eingesetzt wird, sprachen sich gegen eine Aufnahme in die Liste aus.