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[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

unlängst hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ die neuesten Zahlen zur Antibiotikaabgabe in der Tiermedizin vorgelegt. Was zunächst wie eine gute Neuigkeit klingt, nämlich: „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken – geringe, aber zunehmende Abgabe von Antibiotika der jüngeren Generation“, birgt in Wirklichkeit eine alarmierende Nachricht: Seit Beginn der Datenerhebungen ist der Verbrauch der für die Humanmedizin besonders wichtigen Reserveantibiotika in der Tiermedizin sprunghaft angestiegen. Bei den Cephalosporinen der 3. Generation stieg die Abgabe innerhalb von zwei Jahren um bis zu 25 Prozent, bei den Fluorchinolonen, zu denen unter anderem BAYERs BAYTRIL gehört, sogar um bis zu 60 Prozent. Zusätzliche Brisanz erhalten diese Daten, wenn man berücksichtigt, dass diese Antibiotika der jüngeren Generation wesentlich geringer dosiert werden – bis zu einem Faktor 70 pro Therapie-Zyklus !
Wegen dieser Entwicklung hat sich im Juni diesen Jahres in Hannover die „Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung“ gegründet. Sie sieht ihre Aufgabe darin, VerbraucherInnen und PatientInnen zu informieren, damit Ihnen die Folgen der Massentierhaltung stärker bewusst werden. In der Verantwortung für die Gesundheit unserer PatientInnen treten wir für einen sinnvollen Einsatz von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin ein und wenden uns daher gegen den systemimmanenten Einsatz von Antibiotika in der agrar-industriellen Tierhaltung mit ihren Gefahren für Menschen und Umwelt.
Die Ärzte und das Pflegepersonal in Praxen und Kliniken führen einen oft aussichtslosen Kampf gegen Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern. MRSA und ESBL-bildende Keime sind Bakterien, die gegen konventionelle antibiotische Therapien resistent sind. Das Auftreten von MRSA hat sich seit 1992 verzehnfacht. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 132.000 MRSA-Nachweisen pro Jahr in Deutschland und etwa 25.000 Todesfällen an antibiotikaresistenten Keimen pro Jahr in der EU. Nur besonders spektakuläre Fälle wie der ESBL-Tod von mehreren Frühgeborenen auf einer Station oder die EHEC/HUS-Epidemie finden Niederschlag in der Presse.
Die betroffenen PatientInnen müssen unter großem Aufwand in den Kliniken isoliert werden. Die manchmal noch wirksamen sogenannten Reserveantibiotika sollte man besser „ausrangierte Antibiotika“ nennen, da deren Anwendung wegen ihres Nebenwirkungspotentials früher z. T. aufgegeben wurde. Innovative Antibiotika fehlen, ihre Entwicklung verspricht keine großen Profite für BAYER & Co.
In den Gegenden mit einer hohen Dichte von Massentierställen im Nordwesten Deutschlands lässt sich nachweisen, daß eine zunehmende Anzahl von MRSA-Keimen aus der Nutztierhaltung stammt. Diese Keime (life-stock-associated oder LA-MRSA) machen nach einer Untersuchung der Uniklinik Münster 30 Prozent der MRSA aus. Hochrisiko-PatientInnen sind LandwirtInnen und ihre Angestellten, Schlachthof-Personal und TierärztInnen. LandwirtInnen, die konventionelle Schweinezucht betreiben, sind zu 50-86 Prozent Träger dieser Keime, TierärztInnen bis zu 100 Prozent.
Als ersten Schritt verlangt die Ärzteinitiative deshalb, unverzichtbare Antibiotikaklassen wie Fluorchinolone und Cephalosporine unverzüglich für den exklusiven Einsatz in der Humanmedizin zu reservieren. Zudem fordern wir eine bessere Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes und mehr Gelder für die Erforschung von Infektionen mit multiresistenten Erregern. Darüber hinaus treten wir dafür ein, statt der industriellen Landwirtschaft die tiergerechte Haltung in bäuerlichen Betrieben zu fördern.

Dr. rer. nat. Peter Sauer für die ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN MASSENTIERHALTUNG