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[Duogynon] Primodos / Duogynon

CBG Redaktion

ARD Magazin „Brisant “, 17. Juni 2010, 17:15 Uhr

Hormonpräparat „Duogynon“

Geschädigt durch einen Schwangerschaftstest?

André Sommer kam missgebildet zur Welt – ohne Blase und mit deformiertem Penis. Seine Mutter hatte in den 70er-Jahren das Medikament „Duogynon“ von Bayer Schering genommen. Besteht ein Zusammenhang?

„Als ich zur Welt kam, war meine Blase außen am Körper. Das ganze nennt man Blasenekstrophie. Die Blase war an der Bauchdecke außen angewachsen. Ständig tröpfelte Urin raus. Zudem waren die Genitalien missgebildet.“ André Sommer kam missgebildet zur Welt. Seine Mutter hatte in den 70er-Jahren das Medikament „Duogynon“ von Bayer-Schering eingenommen. Bereits Ende der 60er-Jahre geriet das Hormonpräparat in den Verdacht, Missbildungen auszulösen. Doch eine Klage gegen Schering, den heutigen Bayer-Schering-Konzern, scheiterte. Ein Zusammenhang zwischen „Duogynon“ und Missbildungen konnte nie bewiesen werden. Für den Grundschullehrer André Sommer ist das bis heute unverständlich: „Ich habe im Laufe der Jahre immer wieder nachgefragt, warum damals der Prozess nicht weiterging. Und für mich selber war es klar, dass irgendwann, wenn ich alt genug bin, dass ich einmal das Thema abschließen wollte.“

Neuer Auskunftsanspruch
Bei unseren Recherchen stoßen wir auf den Medizin-Rechtler Jörg Heinemann. André Sommer hofft auf seine Hilfe. „Wenn man bedenkt, dass nach über 30 Jahren noch immer mehr als 1.000 Menschen rumlaufen mit teils sehr schweren Schädigungen. Und keiner von denen wurde jemals entschädigt. Das ist wirklich ein schreiendes Unrecht.“ Falls „Duogynon“ wirklich Schuld ist. Das lässt sich heute, dank eines neues Auskunftsanspruchs, vielleicht leichter herausfinden. Demnach können Betroffene von Pharmaherstellern die Herausgabe aller Unterlagen zu einem Medikament verlangen, und damit eventuell ihren Schadensersatzanspruch beweisen. André Sommer hofft, dass es zum Beispiel interne Studien oder Arztberichte gibt, die Bayer bisher unter Verschluss gehalten hat.

Seine Behinderung wird ihn ein Leben lang begleiten. Seit seiner Kindheit hat er eine künstliche Ersatzblase. Daraus fließt der Urin über einen Ausgang an der Bauchdecke direkt in einen Plastikbeutel. Doch Bayer lehnt jede Verantwortung für seine Behinderung ab. Auch gegenüber „Brisant“ äußert sich der Konzern nur schriftlich. „In den 70er- und 80er-Jahren wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, ohne dass sich daraus Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ‚Duogynon‘ und den gemeldeten Fällen von Missbildungen ergaben.“

Zweiter „Contergan-Fall“?
André Sommer hat jetzt auf Auskunft geklagt. Über seine Internet-Seite „www.dogynonoper.de“ melden sich täglich neue Betroffene. „Es ist so, dass sämtliche Mütter Betroffener “Duogynon„ genommen haben und auch keine andere Ursache ersichtlich ist. Ich denke, das spricht schon dafür, dass man hier einen zweiten Contergan-Fall hat“, sagt der Anwalt für Medizinrecht, Jörg Heymann. Auch im Fall des Schlafmittels Contergan sah es Anfang der 60er-Jahre zunächst aussichtslos aus. „Wenn Bayer wirklich der Meinung ist, dass es keine Beweise gibt, dann dürfte es ja kein Problem sein, dass die Akten offengelegt werden. Und darum geht es ja eigentlich“, sagt André Sommer. Er will endlich wissen, warum er missgebildet zur Welt gekommen ist. War es Zufall oder die Schuld eines Pharmakonzerns?

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