Dr. Beate Kirk Duogynon und die Hormonspirale Mirena
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich spreche zum Thema Frauenarzneimittel, und es wundert mich nicht, dass ich vergessen wurde, denn das Thema interessiert bei Bayer wohl nicht so besonders. Aber okay … ich halte jetzt meine ursprüngliche Rede (Beate Kirk hatte sich frühzeitig in die RednerInnen-Liste eingetragen, wurde aber trotzdem nicht aufgerufen, erst nach ihrer Beschwerde konnte sie ans Mikrofon treten, Anm. CBG)
„Paracelsus würde sich vor Lachen krümmen.“
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Beate Kirk und ich spreche zum Thema Duogynon und zur Hormonspirale Mirena.
Sehr geehrter Herr Baumann,
Meine Frage an Sie als führenden Repräsentanten Ihres forschenden Arzneimittelunternehmens lautet:
Ist das, was Sie persönlich auf die Fragen von Dr. Arnold zum Fall Duogynon von sich gegeben haben, allen Ernstes der teratologische (Teratologie: Erforschung von Missbildungen, Anm. CBG) Wissensstand im Hause Bayer?
Ich bin Apothekerin, ich bin Pharmaziehistorikerin, und ich bin erschüttert.
Und ich persönlich halte die Aussagen aus dem Hause Bayer für hochgradig unglaubwürdig.
Den Fall Duogynon möchte ich nicht erneut schildern.
Aufgrund der Redebeiträge, Veröffentlichungen und Rechtsstreitigkeiten früherer Jahre ist er Ihnen unzweifelhaft ein Begriff.
Am 13. Februar 2018 wurden die Forschungsergebnisse des Arbeitskreises um den Aberdeener Wissenschafter Dr. Neil Vargesson in „Nature“ veröffentlicht.
Vargesson hat mit den Inhaltsstoffen von Duogynon Tabletten Missbildungen an Zebrafischen erzeugen können. Durch diese Tierexperimente wurden die am Menschen gewonnenen Erfahrungen bestätigt.
Das ist übrigens eine Art Analogiefall zur Reproduktion der „Contergan“-typischen Missbildungen durch Somers bei Tierexperimenten an Kaninchen.
Ihr Haus wurde im Fall „Duogynon und Aberdeener Forschungsergebnisse“ um Stellungnahme gebeten. Die Antwort sinngemäß: Damit sei nichts bewiesen, Tierversuche an Primaten wären erforderlich. Grundsätzlich seien Experimente an geeigneten Versuchstieren nicht auf den Menschen übertragbar.
Dieses Statement aus dem Hause Bayer konnte ich zuerst kaum glauben.
Gerade im Hause Bayer sollte bekannt sein:
„Die Dosis macht das Gift“.
Dies sind die Fakten:
Aufgrund von Zeitzeugenberichten ist bekannt, dass Duogynon in den 1960er und 1970er Jahren mittels Überdosierung als Abortivum verwendet wurde. Die Einnahme von 4 oder 6 statt der in der Gebrauchsanweisung empfohlenen 2 Tabletten führte zum Abbruch der Schwangerschaft.
Wie ist dies möglich bei vollständiger Unschädlichkeit?
Paracelsus würde sich vor Lachen krümmen.
Als logisches Fazit der Forschungsergebnisse aus Schottland teilten die britische Premierministerin Theresa May und der britische Gesundheitsminister Jeremy Hunt dem britischen Parlament im Februar 2018 mit: Es wird eine Neubewertung geben.
In Großbritannien soll jetzt alles auf den Tisch kommen.
Und in Deutschland?
Wie geht es im „Fall Duogynon“ hierzulande weiter?
Das liegt auch bei Ihnen, meine Damen und Herren Aktionäre.
Die Fa. Bayer blickt auf eine langjährige Erfahrung in Sachen Auswirkungen von Arzneistoffen auf das ungeborene Kind zurück. In den Roten Listen der Jahrgänge von 1969 bis 1980 wurde das Arzneimittel Cyren mit dem Inhaltsstoff DES in der Produktpalette der Fa. Bayer durchgängig aufgelistet. Zu den Erfahrungen mit DES-haltigen Arzneimitteln sei verwiesen auf den Bericht der Bundesregierung vom 30. Oktober 1990.
Im Fall Duogynon bemühen sich seit 2009 Vertreter der „Kindergeneration“, Licht ins Dunkel zu bringen. Aber die Fa. Bayer beharrte bisher auf Verjährung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Arzneimittel-„Katastrophen“ verjähren grundsätzlich nicht.
In Großbritannien wird also jetzt alles nochmal gründlich untersucht.
Diese Aufklärungsarbeit muss hier bei uns in Deutschland auch geleistet werden.
Mit oder ohne Unterstützung des Bayer-Konzerns.
Für Sie als Mitglieder des Vorstandes und als Aktionäre und Aktionärinnen wäre das erstere besser. Stehen Sie endlich zu Ihrer Verantwortung.
Gern richte ich Ihnen an dieser Stelle schöne Grüße aus. Die Betroffenen kämpfen weiter und haben den Verein Netzwerk Duogynon gegründet. Es geht weiter.
Ein aktueller Arzneimittel aus dem Hause Jenapharm/Bayer macht übrigens anscheinend ähnliche Probleme wie Duogynon: die Hormonspirale Mirena mit dem Inhaltsstoff Levonorgestrel.
Sehr geehrter Herr Baumann,
in der Info an die Gynäkologen wird dringend empfohlen, beim Eintritt einer Schwangerschaft unter liegender Hormonspirale „die Mirena“ trotz erhöhter Abortgefahr zu entfernen.
Als Grund wird die Gefahr der Virilisierung, also Vermännlichung, von weiblichen Föten genannt.
Sehr geehrter Herr Baumann,
es geht um Mädchen. Sind deren Schicksale Ihnen persönlich eigentlich egal?
Schwangerschaften unter Hormonspirale sind keinesfalls selten.
In der Presse wurde 2017 über den Fall „Baby Dexter“ berichtet.
Einfach mal googeln. Ob Dexter Spätfolgen von 9 Monate Levonorgestrel-Input aus der Hormonspirale im Plazentagewebe der Gebärmutter direkt nebenan haben wird, wird erst sein Leben zeigen.
Als Pharmaziehistorikerin und Apothekerin, die sowohl den Fall Contergan als auch den Fall Duogynon kennt, bin ich entsetzt, dass ein börsen-notiertes Unternehmen wie Bayer sich aufs Ignorieren und Aussitzen versteift hat.
Ich persönlich finde das skandalös und auf Dauer auch für Bayer suboptimal.
Ich plädiere dafür, diesen Vorstand auf keinen Fall zu entlasten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.