Doping-Opfer setzen sich durch
BAYER büßt für JENAPHARM
Lange widersetzte sich BAYER Ansprüchen, die Dopingopfer an seine Tochterfirma JEANPHARM stellten, die in der DDR für die pharmakologische Sporthilfe verantwortlich war. Im Dezember 2006 musste der Konzern sich dann aber doch dem Druck der geschädigten SportlerInnen beugen.
Von Philipp Mimkes
In der DDR wurden schätzungsweise 10.000 SportlerInnen – darunter Kinder und Jugendliche – systematisch gedopt. Die Hormonpräparate stammten zum größten Teil von dem damaligen VEB JENAPHARM, das nach der SCHERING-Übernahme nun zum BAYER-Konzern gehört.
Bei dem Dopingprogramm kam das von JENAPHARM produzierte Anabolikum Oral-Turinabol zum Einsatz. Auch Hormonsubstanzen, die nicht für Menschen zugelassen waren, wurden verabreicht. Ein Großteil der SportlerInnen erlitt schwere Gesundheitsschäden, weshalb ein Drittel von ihnen heute arbeitsunfähig und auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die Betroffenen leiden unter anderem an Leberschäden, Krebs- und Herzerkrankungen und Persönlichkeitsstörungen. Weibliche Doping-Opfer zeigten Vermännlichungssymptome und brachten oftmals behinderte Kinder zur Welt.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Bundesregierung beschlossen im Dezember 2006, die 167 am schwersten betroffenen SportlerInnen mit jeweils 9.250 Euro zu entschädigen. Nach einer Aufforderung des DOSB-Präsidenten Michael Vesper an die Adresse JENAPHARMs, sich ebenfalls zu bewegen, kündigte die BAYER-Tochter an, den Geschädigten einen „sozialen Beitrag“ zukommen zu lassen. Juristische Verantwortung will JENAPHARM jedoch nicht übernehmen. Zuvor hatte das Unternehmen jahrelang eine finanzielle Wiedergutmachung verweigert – noch im Oktober signalisierten AnwältInnen die Abwehr aller Entschädigungsklagen. Im Auftrag der BAYER AG, dem neuen Besitzer von JENAPHARM, verhinderte die Kanzlei FRESHFIELDS BRUCKHAUS DERINGER die Zulassung einer Sammelklage. Und noch Anfang Dezember veranstaltete JENAPHARM „eine an Peinlichkeiten kaum zu überbietende so genannte wissenschaftliche Konferenz“, wie die Berliner Zeitung schrieb, auf welcher der Historiker Lutz Niethammer ein von JENAPHARM finanziertes Entlastungsgutachten präsentierte. „Hier ist niemals die Rede von den Opfern gewesen. Diese Veranstaltung war der Versuch, JENAPHARM reinzuwaschen“, protestierte der Vorsitzende des Dopingopfer-Hilfevereins, der Chirurg Klaus Zöllig.
Der BAYER-Konzern wurde bereits vor der Übernahme von JENAPHARM/SCHERING regelmäßig mit Doping in Verbindung gebracht. So warf Uli Eicke, ehemaliger Weltklasse-Ruderer und Leiter des Olympia-Stützpunktes, dem Konzern vor, seiner Leichtathletik-Abteilung über Jahre hinweg mit unlauteren Mitteln aus den eigenen Pharma-Labors Beine gemacht zu haben. Der Mittelstreckenläufer Walter Ewen äußerte, er habe „auf massiven Druck der BAYER AG“ Äußerungen zum Doping in der Laufabteilung des Unternehmens zurückgezogen. Auch andere aussagewillige AthletInnen seien beeinflusst worden.
Erst im vergangenen Sommer gab Rad-Profi Jörg Ludewig zu, in den 90er Jahren Dopingmittel eingenommen zu haben. Ludewig fuhr damals für den von BAYER gesponsorten Radrennstall EC Bayer Köln-Worringen. Die für BAYER Leverkusen startende Triathletin Nina Kraft, erste Gewinnerin des Ironman von Hawaii, wurde im vergangenen Jahr der Einnahme des Dopingmittels EPO überführt. Auch die bei SportlerInnen äußerst beliebten Schmerzmittel wie ASPIRIN – „manchmal haben wir uns die Dinger eingeworfen wie Bonbons“, sagt etwa der frühere BAYER-Zehnkämpfer Frank Busemann – erfüllen für den Sportmediziner Toni Graf-Baumann den Tatbestand „Doping“. „Für mich sind Medikamente gegen den Schmerz klassische Dopingmittel. Sie sind gesundheitsschädlich, und sie erlauben höhere Leistungen im Wettkampf“, so der Mediziner.