Prozess wg. Diskriminierung
„BAYER benachteiligt Frauen systematisch“
In den USA haben acht Frauen den Leverkusener Multi wegen Verstoßes gegen das Gleichberechtigungsgebot angeklagt.
„Der BAYER-Konzern hat sich der Nicht-Diskriminierung und der Gleichbehandlung aller Beschäftigten verpflichtet“, heißt es im neuesten Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns. Die Realität sieht jedoch anders aus: In den USA haben acht weibliche Belegschaftsangehörige eine 100 Millionen Dollar schwere Sammelklage gegen den Konzern wegen Diskriminierung eingereicht. Sie werfen dem Unternehmen vor, Frauen nicht den gleichen Lohn wie Männern zu zahlen und sie nicht angemessen zu fördern. Zudem bezichtigen die acht den Multi, Beschwerden über sexuelle Belästigungen nicht nachgegangen zu sein.
„BAYER benachteiligt seine weiblichen Angestellten systematisch“, sagt die Anwältin Katherine Kimpel und führt zum Beweis firmen-interne Dokumente an. So heißt es in einem Memo der US-amerikanischen Führungsebene von BAYER HEALTH CARE: „Frauen mit Macht sind unberechenbar und fühlen sich oft von Kollegen bedroht“. Nach Ansicht des Managements würde das gesamte Personal lieber unter männlichen Chefs arbeiten, weil diese „seltener versteckte Ziele verfolgen, Stimmungsschwankungen ausgesetzt sind oder sich in bürointerne Konkurrenz-Kämpfe einmischen“. Auch für entscheidungsfreudiger hält die Chef-Etage die Herren der Schöpfung. Ein Manager empfahl sogar, dass „BAYER aufhören muss, Frauen im gebärfähigen Alter einzustellen“. Folgerichtig haben laut Kimpel besonders Schwangere und Mütter unter den Diskriminierungen zu leiden.
„Die Situation bei BAYER ist ein gutes Beispiel dafür, wie fest die unsichtbare Barriere, die Frauen am beruflichen Aufstieg hindert, auch im Jahr 2011 noch steht“, resümiert Kimpel. Der Pharma-Riese hingegen weist die Anschuldigungen zurück. „Wir wehren uns entschieden gegen diese Vorwürfe und werden uns verteidigen“, verlautet aus der Konzern-Zentrale. Wie groß jedoch der kleine Unterschied im Unternehmen ist, belegen allein schon die Zahlen. Beträgt der Anteil der weiblichen Beschäftigten insgesamt 35 Prozent, so schmilzt dieser bis zur ersten und zweiten Ebene unterhalb des Führungsgremiums auf 6,5 Prozent zusammen, um dann ganz oben im vierköpfigen Vorstand auf Null zu kommen. Und in die 20er-Runde des Aufsichtsrates haben sich gerade mal zwei Frauen verloren.
Von einer Frauenquote hält der Global Player deshalb selbstverständlich nichts. Wie immer, wenn gesellschaftlicher Druck Maßnahmen verlangt, zaubert der Multi das altbekannte Hausmittel „Freiwillige Selbstverpflichtung“ aus dem Hut. „So wollen wir den Anteil von Frauen in Führungspositionen bis 2015 konzern-weit in Richtung 30 Prozent entwickeln“, gelobte BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011. Er hat zwar in letzter Zeit zwei hohe Posten mit Frauen besetzt, aber das reicht noch lange nicht. Aus diesem Grund ist auf den erzieherischen Wert einer saftigen Strafe zu hoffen. Bislang haben die Gerichte allerdings noch nicht über die Zulassung einer Sammelklage im Fall „Barghout et al. v. BAYER“ entschieden.
Von Jan Pehrke