Deutscher Meister BAYER 04 Leverkusen
BAYER 04 Leverkusen hat – verdient – die deutsche Fußballmeisterschaft gewonnen. Noch mehr aber gewinnt die Konzern-Mutter. Sie braucht nämlich dringend gute Nachrichten und setzt dabei schon immer auf ihre Werkself.
Von Max Meurer
„Tausende Arme werden sich in die Luft recken (…)“, prophezeite das Handelsblatt und erinnerte damit unbewusst an ein der BAYER AG nicht ganz unbekanntes Phänomen. Diesmal ging es aber nicht um Politik, zumindest vordergründig, sondern um Fußball. Die „Werkself“, BAYER Leverkusen 04, ist deutscher Fußballmeister. Im April ist ganz Leverkusen beflaggt – der Lokalpatriotismus in der nach dem Chemiker Carl Leverkus benannten Stadt kennt keine Grenzen mehr. Das freut auch den Chemieriesen BAYER, denn immerhin ist der Konzern nicht nur finanziell und politisch aufs engste mit der Stadt verwoben, er hat auch jahrzehntelang gut in Bayer 04 investiert.
Nicht nur änderte der DFB 1998 extra seine Statuten, um es zu ermöglichen, die betont auf proletarisch getrimmte Werkself in eine GmbH umzuwandeln, womit sie den Trendsetter für viele andere Teams abgab, nein, der Fußballclub sollte auch seinem Zweck nach Werbeträger für die BAYER AG werden.
Juristisch unumstritten war das damals nicht, immerhin nutzte der Multi eine Ausnahmebestimmung der sogenannten 50+1-Regelung aus, die es eigentlich verbietet, dass ein Unternehmen die Mehrheit der Aktien eines Fußballclubs besitzt. BAYER aber hält nichtsdestotrotz 100 % der Aktien und damit Stimmen. Diese Ausnahmeregelung kommt sonst nur beim eng mit der Volkswagen AG verwobenen VfL Wolfsburg und bei Hoffenheim (SAP) zur Geltung. Darum darf die BAYER AG auch die Gesellschafterversammlung selbstständig berufen. Dabei handelt es sich um das höchste Beschlussorgan des Fußballclubs, in dem dann neben dem bekannten Fußballer Rudi Völler auch BAYERs ehemaliger Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning vertreten ist. Rund 25 Millionen Euro lässt sich der Agro-Riese den Club Jahr für Jahr kosten.
Von Profis lernen?
Doch der fußballerische Erfolg der Werks-elf scheint der wirtschaftlichen Krise des BAYER-Konzerns geradezu komplementär entgegengesetzt. Bereits seit der Übernahme von MONSANTO und den bald darauf beginnenden Schadensersatz-Prozessen in Sachen „Glyphosat“ mit den Milliarden-Strafen befindet sich die Aktiengesellschaft auf Talfahrt und lässt das vor allem die Beschäftigten spüren. Arbeitsplatz-Vernichtung steht immer wieder auf der Tagesordnung.
OptimistInnen gibt’s jedoch sogar in BAYERs Chefetage. So zitiert das Handelsblatt den Vorstandsvorsitzenden Bill Anderson: „Wir sind stolz auf die Kollegen (sic!) von Bayer 04 und freuen uns, dass wir uns ein Beispiel an ihnen nehmen können.“ Und diesem Motto getreu hagelte es drum auch bald schon Phrasen, die die allgemeine Moral im Firmen-Vorstand heben sollen, denn zu mehr taugen sie offensichtlich nicht. Man anempfiehlt BAYER Kitsch der Marke „Das Team ist der Star“, „Die Kombination macht´s“, „Daten gezielt nutzen“ und „Leadership entscheidet“ (auf den Führerbegriff wollten die „UnternehmensberaterInnen“ aus Gründen der historischen Sensibilität wohl verzichten).
Fraglich ist zwar, was ein Unternehmen von den Strategien und Taktiken eines Fußballteams zu lernen vermag, das wissen wohl die LenkerInnen und LeiterInnen am besten, Fakt bleibt jedoch, dass BAYER 04 das marode Image des Konzerns durchaus aufpolieren könnte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEAHREN (CBG) erklärte dazu schon vor Jahren: „Dem Unternehmen BAYER gelingt es, mit Werbung und Sponsoring von Umweltschäden und hochgefährlichen Produkten abzulenken. Der beliebteste Sport der Welt wird degradiert zum bloßen Imagefaktor skrupelloser Konzerne.“
Anfang der 2000er ergab eine Umfrage, dass immerhin 36 % der deutschen Bevölkerung die Verbindung zwischen dem Chemieriesen und dem Fußballclub kannten. Aus der gleichen Zeit stammt eine Erhebung, die den Auftritt der Mannschaft im Fernsehen als PR für den Multi wertet und den Werbe-Wert auf rund 30 Millionen Euro taxiert (der Wert dürfte heute durchaus deutlich höher sein). Da schadet es auch kaum, dass die Werbeplätze auf den Trikots an andere Konzerne vergeben wurden. Und andersrum profitiert natürlich der Club von der Bayer-Mutterschaft – so hebt der Blog Miasanrot hervor: „Es ist letztlich egal, wie viel Umsatz die Fußball-GmbH macht, wie viel Schulden sie anhäuft und in welcher Höhe sie Gewinne oder Verluste schreibt, denn die Gewinne werden abgeführt, die Verluste werden ausgeglichen und für die Verbindlichkeiten steht zur Not die Mutter ein – wenn die Kredite nicht sogar gleich von ihr ausgegeben worden sind.“ Sprich: auf der Wettbewerbsebene ist der Club in einem solchen Umfang von BAYER abgesichert, dass er sich um erhöhte Ausgaben, bspw. für Spielertransfers, eigentlich keine Sorgen machen muss. Der Verein als Bayers wichtigster Werbeträger kann sich zwar weitestgehend selbst finanzieren, doch im Zweifelsfall kommt die Konzernmutter auf. Während sie ihr Engagement für den Breitensport schon markant zurückgefahren hat, würde sie die Fußball-Elf mit ihrem Imagefaktor niemals wirklich über die Wupper gehen lassen. Die CBG hielt dazu schon im Jahr 2005 fest: „BAYER ist für eine endlose Liste von Skandalen verantwortlich. Im „Schwarzbuch Markenfirmen“ wurde BAYER gar als „übelstes Unternehmen“ bezeichnet. Das umfangreiche Sport-Sponsoring ist ein durchsichtiger Versuch, das durch Störfälle und hochgefährliche Produkte verursachte Negativ-Bild des Konzerns zu verbessern.“
Sportwashing
Hochgefährliche Produkte wie jetzt etwa Glyphosat (s. o.), die BAYER Millionenklagen einbringen, aber auch solche, die der Öffentlichkeit bis dato eher unbekannt blieben wie LIPOBAY, das Nierenversagen begünstigte und deshalb 2001 vom Markt genommen werden musste oder PCB, das hunderte öffentliche Gebäude allein in Deutschland bis heute verpestet – die Liste ließe sich noch beliebig verlängern. All das soll die Fußball-Truppe ins Abseits drängen, oder wie es Meinolf Sprink, der ehemalige Sportbeauftragter des Unternehmens, Anfang der 2000er Jahre ungewohnt offen zum Ausdruck brachte: „Das Sponsoring mit Fußball passt perfekt auf die Schwachpunkte des Images und verbessert es.
Und so hilft man sich gegenseitig: BAYER 04 kickt für die BAYER AG und lenkt von den unschönen Erscheinungsformen der Chemiegroßindustrie ab, die BAYER AG sichert BAYER 04 finanziell ab und betreibt in massivem Umfang die weitere Kommerzialisierung des Fußballs. Letzteres ist zwar bei Fans und Ultras nicht so gern gesehen, tritt aber bei der Meisterschaft in den Hintergrund und fällt damit nicht so sehr ins Gewicht. Bleibt die Frage, wie lange die Menschen der AG diese Image-Poliererei noch abkaufen werden. ⎜