Proteste in Leverkusen
BAYER versus Artenvielfalt
Als einer der größten Pestizid-, Gentechnik- und Saatgut-Konzerne der Welt gefährdet BAYER massiv die Artenvielfalt. Auf der Bonner UN-Konferenz zur Biodiversität tat der Konzern alles dafür, um diesen Raubbau an der Natur weiter fortsetzen zu können. KleinbauerInnen-Organisationen, UmweltschützerInnen und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierten dagegen.
Von der SWB-Redaktion
Pestizide von BAYER gefährden massiv die Biodiversität: Böden und Gewässer werden vergiftet, Pflanzen- und Tierarten ausgerottet, das ökologische Gleichgewicht wird durch pestizidresistente Schädlinge gestört. Das Gen-Sortiment des Konzerns stellt ebenfalls eine Bedrohung der Artenvielfalt dar. Für seinen gegen das Herbizid LIBERTY resistenten Reis hat der Multi bei der EU bereits eine Importzulassung beantragt. Der großflächige Anbau dieses LL-Reises in Asien würde unweigerlich zur Kontamination und Verdrängung traditioneller Sorten führen. Hierdurch würde langfristig die Ernährungssicherheit gefährdet. Während die LandwirtInnen ihr Saatgut bislang durch Tausch und Eigenzüchtungen selbst produzieren, würden sie künftig wegen des Patentschutzes in Abhängigkeit der Saatgut-Unternehmen geraten.
Gen-Reis von BAYER war auch für den bislang größten Kontaminations-Skandal verantwortlich: Im Jahr 2006 kam die herbizidresistente Sorte LL601 weltweit in den Handel – ohne Zulassung und ohne Kenntnis der Risiken für die VerbraucherInnen. US-Amerikanischen Farmern entstand ein Schaden von über einer Milliarde Dollar. BAYER führt die Verunreinigungen auf „höhere Gewalt“ zurück und lehnt eine Entschädigung ab. In Australien und in der Bundesrepublik sorgte derweil Raps made by BAYER für einen Gen-GAU. Trotzdem arbeitet der Agro-Riese schon an der nächsten Generation der Laborfrüchte: dem Terminator-Saatgut. Dabei handelt es sich um eine Technologie, welche die Pflanzen unfruchtbar macht. Dies soll verhindern, dass LandwirtInnen einen Teil ihrer Ernte aufbewahren und im folgenden Jahr als Saatgut verwenden. BAYER und Co. versuchen hartnäckig, das bestehende Moratorium für Terminatorpflanzen zu kippen.
Auch im Bereich „Agrardiesel“ ist BAYER aktiv. Der Konzern will sowohl aus Raps wie auch aus der tropischen Pflanze Jatropha Agrosprit gewinnen. Im Fall von Raps drohen große Monokulturen und ein hoher Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Jatropha lässt sich laut BAYER auf „Grenzertragsböden in tropischen und subtropischen Ländern anbauen“, die sich nicht für die Produktion von Nahrungsmitteln eignen. Tatsächlich werden diese Flächen jedoch intensiv genutzt, z. B. als Weideland. Nach Angaben der Welternährungsorganisation sind solche Ressourcen für Ernährung und Gesundheit der ärmsten Teile der ländlichen Bevölkerung lebensnotwendig. In Indien kam es schon zu Vertreibung Landloser von solchem „Brachland“. Ein großflächiger Jatropha-Anbau würde Naturlandschaften zerstören, Kleinbauern und -bäuerinnen vertreiben und zu mehr Hungertoten führen.
Auf einer von der UNO veranstalteten Konferenz zur Wüstenbekämpfung sammelte BAYER von den teilnehmenden Ländern Unterschriften zum Jatropha-Anbau ein. Auch sonst tut der Leverkusener Multi alles, damit die Umweltpolitik der Vereinten Nationen seinen Aktionsradius nicht hemmt. So hievte er seine Managerin Annik Dollacker auf den Posten der Co-Leiterin der „Task Force Biodiversität“. Diese Arbeitsgruppe der internationalen Handelskammer ICC beschäftigt sich nach Selbstauskunft im Allgemeinen „mit allen Aspekten der Biodiversitätskonvention (CBD) der Vereinten Nationen, bei denen die Wirtschaft betroffen ist“, und im Besonderen mit der Bonner Konferenz zur Artenvielfalt. „Ein Schwerpunkt der Task Force wird die Begleitung der 9. Vertragsstaatenkonferenz zur Konvention über die biologische Vielfalt sein, die in Bonn vom 19. – 30. Mai 2008 stattfindet“, so die ICC. Diese „Begleitung“ hatte dann unter anderem zur Folge, dass es in Bonn zu keiner verbindlichen Regelung über die Frage der Haftung bei Verunreinigungen durch Gen-Pflanzen kam. Die führenden Saatguthersteller wie MONSANTO, DUPONT, SYNGENTA oder BAYER CROPSCIENCE könnten weiter beliebig mit der Gentechnik verfahren, beklagte sich daraufhin der GREENPEACEler Martin Kaiser laut Frankfurter Rundschau.
Aber wo die Gefahr wächst, da wächst das Rettende auch. Es war nämlich nicht nur BAYER in Bonn vor Ort. Kleinbauern und -bäuerinnen, UmweltschützerInnen und AktivistInnen aus aller Herren Länder reisten nach Deutschland, um für eine Agrarwende zu streiten. Sie besuchten „Planet Diversity“, den Gegenkongress zum UN-Meeting, nahmen am 12. Mai an der Demonstration zur Artenvielfalt teil und hatten sogar einen Lokaltermin bei BAYER.
Hundert Menschen machen sich am 17. Mai von Bonn aus nach Leverkusen auf. Mit Straßentheater, Demo-Ballett und kunstvoll gestalteten Figuren machten sie ihrem Unmut über die Geschäftspolitik des Agro-Multis Luft. „Wir protestieren gegen BAYERs Lobby-Anstrengungen, die Patentgesetze noch härter zu machen. Wir erlauben es nicht, unsere genetischen Ressourcen zu privatisieren“, skandierten Mitglieder der internationalen FarmerInnen-Organisation VIA CAMPESINA. Und ihr Sprecher José Oviedo erklärte in seiner Rede: „Agrogifte und gentechnisch veränderte Pflanzen, die von BAYER über die Welt gebracht werde, zerstören die lokalen Gemeinschaften, die seit Jahrhunderten Biodiversität geschaffen haben. Wenn wir Biodiversität erhalten wollen, müssen wir BAYER und ähnliche Firmen stoppen“. Petra Buhr vom NETZWERK FREIES WISSEN pflichtete ihm bei und kritisierte in ihrem Beitrag vor allem die Forschung des Leverkusener Multi zur Terminator-Technologie. Axel Köhler-Schnura schrieb derweil das „Schwarzbuch BAYER“ weiter: „Produkte von BAYER sind für Todesfälle in aller Welt verantwortlich – von hochtoxischen Pestiziden bis hin zu gefährlichen Pharmaprodukten“. Und zum Schluss gab die versammelte Schar BAYER alles schriftlich: Die AktivistInnen überreichten dem Multi einen Offenen Brief mit dem ganzen Sündenregister.