NRZ, 8. Juni 2009
Friedlicher Aufmarsch der Kritiker
Gegen das geplante 750-Megawatt-Kohlekraftwerk der Unternehmen Trianel und Currenta auf dem Gelände des Chemieparks demonstrierten am Samstag auf dem Marktplatz in Uerdingen wie erwartet rund 1500 Menschen. An der Großkundgebung nahmen auch zahlreiche Kraftwerksgegner aus dem Duisburger Westen teil.
Die Redebeiträge bei der Kundgebung waren eine Abfolge der bekannten Kritiker-Argumente, während sich Trianel-Chef Martin Hector am angekündigten, rund 100 Meter entfernten Infostand der Betreiber mit einem eher gedämpften Interesse der Bürger begnügen musste.
„Kohlekraftwerke sind klimaschädlich, Kohlekraftwerke sind Klimakiller, kritisierte die bei der Kundgebung wohl prominenteste Rednerin, die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn. „Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Jedes der 20 in Deutschland geplanten neuen Kohlekraftwerke wird aber dazu führen, dass diese Ziele verfehlt werden.
Höhn zur CCS-Technik: „Ein faules Versprechen
Auch auf CO2-freie Kohlekraftwerke könne man nicht setzen, so Höhn weiter, denn die moderne CCS-Abscheide-Technik dieser Kraftwerkslinie werde nicht vor 2020 auf dem Markt sein. „Alle Experten sagen: Diese Technologie ist zu teuer, die Nachrüstung ist unbezahlbar. Außerdem müsste das Kraftwerk in diesem Fall etwa 30 Prozent mehr Kohle verfeuern. „Damit verliert es aber seine Effizienz. Das heißt: Die CCS-Technik wird nicht kommen. Das ist ein faules Versprechen!
Gas laute die Alternative der Kraftwerksgegner. „Wir wollen mit den Arbeitnehmern reden. Wir wollen keine Arbeitsplätze vernichten. Wir wollen eine saubere Alternative. Wer hier Arbeitsplätze sichern will, muss auf das Gas setzen.
Ähnlich äußerte sich Gewerkschaftsvertreter Norbert Bömer (IG-Metall), zugleich Vorsitzender der Rheinhauser Initiative „Saubere Luft. Seine Kollegen im Chempark und ihre Angst um den Standort könne er gut verstehen. Aber ein Gaskraftwerk sei eine gute Alternative. Bömer: „Daher gehören wir zusammen. Wir sollten nicht gegeneinander antreten.
Ulrich Grubert, Vorsitzender des niederrheinischen Umweltschutzvereins: „Im Gegensatz zu einem Gaskraftwerk würde uns das Kohlekraftwerk über vier bis fünf Jahrzehnte hinweg mit Feinstaub, Schwermetallen, Radioaktivität und mit jährlich rund 4,4 Millionen Tonnen CO2 belasten. Gas- und Dampfturbinenkraftwerke nutzen bis zu 90 Prozent der im Gas enthaltenen Energie, Kohlekraftwerke nur maximal 60 Prozent.
Grubert kündigte an: „Wir werden zigtausende Einwendungen einbringen, wir werden hart im Rahmen des Erörterungstermins mit einigen Gutachtern kämpfen, wir werden im Falle eines für die Betreiber Currenta und Trianel positiven Beschlusses klagen.
Auf die gesundheitlichen Gefahren eines Kohlekraftwerks konzentrierte sich Dr. Bernd Kaufmann, Sprecher der Ärzteinitiative, der mehr als 100 Mediziner und Apotheker angehören: „In Krefeld besteht jetzt schon eine erhöhte Schadstoffbelastung der Luft. Der Feinstaubwert sei bis zum 4. Juni im Stadtgebiet bereits 30 mal überschritten worden – bei erlaubten 35 Überschreitungen im Jahr.
Dr. Kaufmann weiter: „Feinstäube und Schwermetalle tragen deutlich dazu bei, an Arteriosklerose und hohem Blutdruck zu erkranken. Diese Substanzen führen zu einer schlechteren Lungenfunktion besonders bei empfindlichen Personen. Die Rate an chronischen Bronchitäten und Lungenkrebs wird erhöht. Bei dem geplanten Steinkohlekraftwerk werden trotz Filteranlagen große Mengen Cadmium, Thallium, Arsen, Chrom, Nickel Quecksilber und Feinstäube freigesetzt. Die ganze Region ist betroffen.
Der Mediziner weiter: „Der Chempark ist ein wichtiges Unternehmen für Krefeld, das viele positive Impulse für die Stadt gegeben hat. Aber wir sind der Meinung, dass gesundheitliche Belange auch in der Energiegewinnung und -produktion vorrangige Beachtung finden müssen. Daher lehnen wir als Ärzte den Bau dieses überdimensionierten Kohlekraftwerks ab.
Mehrere Sprecher kritisierten die Informationspolitik der Betreiber sowie die Kehrtwende des Krefelder OB Kathstede und des Stadtrats, die sich nach anfänglichem Widerstand für den Bau der Anlage aussprechen.
Zwischen den Grußworten zahlreicher Bürgerinitiativen aus der Region marschierten die Demonstranten mit Fahnen und Plakaten durch die Uerdinger Innenstadt, skandierten Sprechchöre und verteilten Flugblätter. An der Spitze des Zuges wurde ein brennender Eisbär als sinnfälliges Symbol für den globalen Klimawandel mit geführt.
Die Polizei sprach nach der zweistündigen Großdemonstration von einem friedlichen und störungsfreien Verlauf.