Brunsbütteler Zeitung, 5. März 2007
Bürger wollen Giftmüll nicht dulden
Protestzug durch die Koogstraße – Pastorin Mahn: Viele Krebstote in der Stadt machen Angst
Brunsbüttel – Zwischen 400 und 500 besorgte Bürger folgten am Sonnabend dem Aufruf zur Demonstration gegen den Transport von 22 000 Tonnen Giftmüll nach Brunsbüttel. Der australische Chemiekonzern Orica will den Abfall, der mit dem krebserregenden und verbotenen Stoff Hexachlorbenzol (HCB) verseucht ist, zur Verbrennung nach Brunsbüttel verschiffen. Von hier soll ein großer Teil nach Nordrhein-Westfalen gebracht werden. Etwa ein Drittel ist für die Verbrennung in der SAVA vorgesehen.
„Kein Giftmüll aus Australien“, „Wir wollen keinen Giftmüll-Tourismus“, „Brunsbüttel: Familien-freundlich, Kinder-freundlich, nun auch Giftmüll-freundlich? Nein Danke!“: So waren einige Protestplakate beschriftet. Um kurz nach 11 Uhr setzte sich der Demonstrationszug, gesichert von sechs Polizeibeamten und zwei Streifenwagen, vom Marktplatz in Richtung Gustav-Meyer-Platz in Bewegung. Die Organisatoren der Demo waren über die große Resonanz erfreut: „Wir zeigen heute, dass es auch hier Widerstand gibt – und nicht nur in Nordrhein-Westfalen“, sagte Dr. Kai Schwonberg von der WIR auf der Kundgebung unter deutlichem Applaus.
Zusammen mit einer Gruppe von Bürgern hatte die WIR und der Umweltverein zur Demonstration aufgerufen. Am Mittwoch war Bürgermeister Wilfried Hansen in der Ratsversammlung eine Liste mit 914 Unterschriften gegen den Giftmüll-Import übergeben worden. SPD und CDU hatten die Resolution der WIR abgelehnt, die sich gegen den Transport des Abfalls ausspricht und vor unkalkulierbaren Risiken für die Region warnt.
Schwonberg, der den Wortlaut der Resolution vorlas, verwies darauf, dass die Sonderabfallverbrennungsanlage (SAVA) ursprünglich nur für heimischen Müll genehmigt worden war. „Heute findet der Bürgermeister dieser Stadt, dass die SAVA selbst schutzbedürftig ist“, betonte Schwonberg und löste mit der Aussage unzählige Buh-Rufe der Protestler aus. Der Arzt kritisierte die Informationspolitik der Stadt und forderte die Ratsversammlung auf, den Widerstand der Bürger nach außen zu tragen. Denn: „Brunsbüttel darf keine Drehscheibe für Giftmüll werden. Mit Giftmüll darf kein Profit gemacht werden. Wir fordern daher die Vermeidung von Giftmüll.“ Der WIR-Politiker forderte weiter, dass der fünfte Kontinent seinen giftigen Abfall selbst entsorgen müsse. „Der Elbehafen darf kein Einfallstor für Giftmüll in ganz Deutschland werden“, so Schwonberg. Sollte der Müll wirklich nach Brunsbüttel kommen, sei dies nur der Anfang eines größeren Umschlags.
Auch Pastorin Birgit Mahn sprach sich gegen das Vorhaben aus und stellte ihre Sorge auch in einen anderen Zusammenhang. „In den letzten Monaten haben wir so viele Menschen, auch jüngere, beerdigt, die an Krebs gestorben sind. Das macht mir Angst.“ Daher könne sie nicht begreifen, warum noch mehr Giftmüll nach Brunsbüttel gebracht werde. Es ginge daher um Giftmüll-Vermeidung. „Wehren wir uns gegen Giftmüll-Transport, Giftmüll-Lagerung und Giftmüll-Verbrennung.“ Pastorin Mahn forderte die Stadt zu einem Umdenken in der Industrieansiedlung aus: „Es gibt so viele Jobs im Bereich der erneuerbaren Energien. Warum können wir nicht Standort hierfür werden?“ fragte sie und erntete viel Beifall für ihre „Gardinen-Predigt“, der sie zum Schluss eine Kurzpredigt folgen ließ, in der sie die Erde als Schöpfung Gottes bezeichnete, die der Mensch bewahren und pflegen müsse.
Nach eineinhalb Stunden war die Demo zu Ende. Die Veranstalter machten deutlich, dass dies nicht das Ende des Protestes gewesen sei. Wie das weitere Vorgehen aussieht, werde in den kommenden Tagen beraten, hieß es. Von Stefan Schmid