Kölner Stadt-Anzeiger, THOMAS KÄDING, 05.11.05
3500 demonstrierten gegen Bayer
Die Dienstleistungsfirma ist in einer Krise. Die Belegschaft wird nun zur Kasse gebeten.
Es war Freitagvormittag, als in den Wiesdorfer Arkaden der Giftschrank offiziell geöffnet wurde: Im Wirtschaftsausschuss diskutierten Bayer-Personalvorstand Richard Pott und die Geschäftsführer des Chemiepark-Betreibers Bayer Industry Services (BIS) mit den Betriebsräten Erhard Gipperich und Thomas de Win darüber, welche Tabus fallen sollen. Es ging um die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich, die Ausgliederung großer Teile der Firma samt Ausstieg aus dem Chemie-Tarifvertrag, außerdem um die Abschaffung des Personalverbunds und darum, dass BIS nächstes Jahr einen eigenen Betriebsrat haben soll – ohne Anbindung an den großen Rest des Werks. Und draußen standen rund 3500 Mitarbeiter aus allen deutschen Bayer-Standorten und verliehen ihrer Meinung Ausdruck, was sie von der Tagesordnung halten. Es gab jede Menge Pfiffe und böse Kommentare; die Stimmung war gereizt, aber es blieb friedlich. Auch, als BIS-Vize und Werksleiter Heinz Bahnmüller zu den Kollegen sprach, an die Solidarität der Beschäftigten appellierte – und ausgebuht wurde.
Schon vor sechs Wochen waren viele der insgesamt 6800 BIS-Mitarbeiter in Abteilungsversammlungen darauf eingestimmt worden, dass die Firma schlecht da steht und genau das eingetreten ist, was zu befürchten war, nachdem sich Bayer in produzierende und dienstleistende Firmen aufgespalten hatte: Die Produzenten fahren hohe Gewinne ein, die Dienstleister bekommen Probleme – unter anderem, weil die Produzenten sich anderswo bedienen.
Ein Drittel ohne Aufträge
Ganz besonders trifft das auf die Technischen Dienste zu. Die Abteilung stellt mit 1200 Personen rund ein Drittel der gesamten BIS-Belegschaft in Leverkusen. Aber Schlosser und Elektriker von BIS werden weit seltener angefordert als früher, an die 400 von ihnen befindet sich nach Angaben aus dem Werk derzeit in einem Beschäftigungspool und warten auf sporadische Einsätze.
Das Gegenmittel der BIS-Chefs Jürgen Hintz und Heinz Bahnmüller wurde natürlicherweise kritisiert: Die Technischen Dienste sollen in eine eigene Firma ausgegliedert werden. Was das bedeutet, weiß man bei Bayer längst: Irgendwann fällt der Chemie-Tarifvertrag, und falls es nach 2007 überhaupt noch einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen geben sollte, wird er für die abgespaltenen Firmen mit Sicherheit nicht mehr gelten. „Eine Ausgliederung ist mit uns nicht zu machen“, lautete denn auch die Ansage von Erhard Gipperich, dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats, als er mit Bahnmüller im Schlepptau vor die Kollegen trat. Bayers oberster Arbeitnehmervertreter zweifelte auch die Faktenbasis an, auf der die Geschäftsführung den Druck auf die Arbeitnehmer aufbaut: „Die uns vorgestellten Zahlen können und wollen wir nicht nachvollziehen. Wir werden unabhängige Wirtschaftsprüfer daran setzen.“
Nach Ansicht des Betriebsrats sind die Probleme bei BIS zum größten Teil hausgemacht: Es gibt einen Gesellschafterausschuss, in dem Bayer (60-Prozent-Teilhaber) und Lanxess (40 Prozent) je zwei Stimmen haben. Dort „weist man sich die Schuld gegenseitig zu“, berichtete Gipperich. Und dann sei da noch die BIS-Geschäftsführung, die keinerlei Ideen habe, wie man die Firma erfolgreich führen und weiterentwickeln kann. Auf diese Themen ging Heinz Bahnmüller nicht ein. Er sagte nur, dass die Gesellschafter BIS „Zeit geben, die Verluste auszugleichen“. Dennoch müsse dringend gehandelt werden. „Eine Gesellschaft, die auf Dauer keine schwarze Zahlen schreibt“, – Zwischenruf eines Mitarbeiters: „Das ist doch so gewollt“ – „kann keine sicheren Arbeitsplätze bieten“.