Christian Russau (Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre) Doppelte Standards in Brasilien
Rede Christian Russau (Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre) auf der Jahreshauptversammlung der Bayer AG am 28. April 2017 in Bonn
ES GILT DAS GESPROCHENE WORT.
Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Christian Russau, ich bin vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Zunächst einmal muss ich eine Protestnote einreichen, denn das von Ihnen, Herr Wenning und Herr Baumann, Ihren Security-Mitarbeitern aufgetragene Vorgehen zur Entfernung der jungen Leute, die hier heute Morgen ihren Protest kundtun wollten, ein Vorgehen unter Anwendung physischer Gewalt, ist nicht hinnehmbar. Dazu möchte ich Sie daran erinnern: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. Und ich möchte hinzufügen: Freiheit ist immer die Freiheit des AndersRedenden. Alles andere wird totalitär.
Mir geht es in meinem Rede-Beitrag um die Wirkstoffe, die Bayer in Pflanzenschutzmitteln in Brasilien verwendet.
Bayer Crop Science Brasilien bewirbt auf der Unternehmens-Webseite die von ihr zum käuflichen Erwerb angebotenen Herbizide, Pestizide, Fungizide, Insektizide und Wachstumsregler. Ihr Unternehmen klärt auf Unterseiten über deren Inhaltsstoffe auf. Unterzieht man die dort aufgelisteten chemischen Wirkstoffe einem Cross-Check mit der EU-Pestizid-Database, dann ergibt sich folgendes Bild:
Ihr Tochterkonzern Bayer Crop Science Brasilien vertreibt in Brasilien Pflanzenschutzmittel mit folgenden in der EU nicht oder nicht mehr genehmigten Wirkstoffen: Carbendazim, Cyclanilide, Disulfoton, Ethiprole, Ethoxysulfuron, Ioxynil, Thidiazuron und Thiodicarb.
Auf meine Anfrage antworteten Sie mir netterweise: „Die von Ihnen zur Verfügung gestellte Liste enthält Wirkstoffe, die die Basis für Pflanzenschutzmittel sind, die in wichtigen Anbaukulturen wie Kaffee, Reis oder Zuckerrohr eingesetzt werden – alles Pflanzen, die in Europa kaum heimisch sind oder dort nur in sehr geringem Maße angebaut werden. Daher hat Bayer – auch aus wirtschaftlichen
Gründen – für diese Mittel keine Zulassung in europäischen Ländern beantragt.“
Tja, so kann man das auch formulieren. Wenn man will. Statt „verboten“ sagen Sie einfach, Bayer habe für diese Mittel keine Zulassung in europäischen Ländern beantragt. „– auch aus wirtschaftlichen Gründen“.
Warum wohl sind diese Wirkstoffe in der EU denn nicht zugelassen? Schauen wir uns das also etwas genauer an.
CARBENDAZIM: Auf der von kritischen AktivistInnen seit 2009 erstellten PAN-HHP-Liste von 2015, also der Liste, die sich den highly hazardous pesticides widmet, wird das beispielsweise auf Brasiliens Orangenplantagen eingesetzte Carbendazim als erbgutschädigend und reproduktionstoxisch definiert.
Auch DISULFOTON wird auf der PAN-HHP-Liste als mit hoher akuter Toxizität nach der WHOKategorie 1a gelistet, die WHO stuft Disulfoton als „extremely hazardous“ ein. Disulfoton ist zum Beispiel Bestandteil des Bayer-Pflanzenschutzmittels Baysiston, der Nummer eins auf dem brasilianischen Markt für Kaffeepflanzenschutzmittel. Kommt man mit Baysiston in direkten Kontakt, kann das tödlich sein, wie sich in Brasilien Ende der 1990er Jahre zeigte, als sich mehr als 30 Kaffeebäuerinnen und -bauern vergiftet hatten, zwölf davon tödlich.
Neben solch toxischen Inhaltsstoffen der höchsten Gefahrenklasse finden sich auch sogenannte Klasse-II-Pestizide, die gefährlich und giftig sind. IOXYNIL beispielsweise wird laut PAN-HHP-Liste unter Bezugnahme auf die EU-Kategorisierung als hormonstörende Substanz eingestuft. THIODICARB beispielsweise wird laut PAN-HHP als „hochtoxisch für Bienen“ eingestuft und wird bei der US-Umweltbehörde EPA zusätzlich noch als möglich krebserregend gelistet, so dass ihm die Zulassung entzogen wurde. Jenes Thiodicarb also, das in Brasilien im Bayer-Produkt Larvin 800 WG8 steckt, wird eingesetzt bei der Behandlung von Baumwolle, Soja und Mais – letzteres klingt nicht sehr nach einer „in Europa kaum heimischen Pflanze“. Denken Sie nicht? Larvin ist laut WHO ein Klasse-II-Pestizid, früher wurde der Wirkstoff aber unter Klasse I gelistet. Da Wirkstoffe nicht so einfach ihre chemisch-toxischen Eigenschaften ändern, wäre es ja wohl denkbar, dass Bayer die Konzentration verringert hat. Trifft dies zu? Bayer do Brasil selbst räumt in den auch online zur Verfügung gestellten Sicherheitshinweisen ein, dass Larvin nach toxikologischer Klassifikation „extrem giftig“ und die Umweltschadenswirkung „gefährlich“ ist, sodass empfohlen wird, Larvin nur zwei Mal pro Acker und Saison einzusetzen und nicht bei einer Temperatur von mehr als 27 Grad Celsius. Klingt auch nicht gerade sehr europa-untypisch. Und: erahnen Sie, wie oft im Jahr in Brasilien die Temperatur über 27 Grad Celsius liegt? In Brasilien ist es also noch gefährlicher, dieses Mittel anzuwenden. Warum wohl ist dieses Mittel in der EU nicht zugelassen?
Viele Gründe also, warum Pestizide, Herbizide, Insektizide und Fungizide mit solchen giftigen und gefährlichen Wirkstoffen verboten sein sollten. Bayer –- SIE! – wollen jedoch glauben machen, dass diese auf dem europäischen Markt vor allem deshalb nicht erlaubt sind, weil Sie für diese Mittel nur keine Zulassung in der EU beantragt haben – wohlgemerkt „aus wirtschaftlichen Gründen“, weil es keinen Sinn mache, dies zu tun, wenn diese Wirkstoffe nur für Agrarprodukte wie Reis, Zuckerrohr oder Kaffee in eher tropischen Regionen Verwendung finden. In ihrer Antwort machen Sie jedenfalls nicht viel Aufhebens von Toxizität und Gefahren. Solange es in Brasilien nicht verboten ist, werden diese Stoffe dort von Konzernen wie Bayer vertrieben.
Was also legal ist, so scheint es, kann auch gemacht werden. Dies räumte Bayer schon Ende der 1980er Jahre ein. 1988 sagte der damalige Vorstandsvorsitzende von Bayer, Hermann J. Strenger: „In der Tat haben wir zum Beispiel in Brasilien nicht Gesetze wie in der Bundesrepublik.“ Dennoch sah er bei seiner Firma keine doppelten Standards walten, denn er ergänzte: „Aber wir stellen bei unseren Investitionen in Brasilien oder Indien, in den USA oder in Japan die gleichen Anforderungen wie hier.“ 28 Jahre später, verkauft Bayer in Brasilien noch immer Pestizide, Herbizide, Insektizide und Fungizide mit Wirkstoffen, die in Europa verboten sind. Also doch eine Doppelmoral.
Weitere Fragen – habe ich an SIE keine. Wär ja noch schöner.
Nur ein letzter Punkt, in Anbetracht der ausufernden Länge der Zeit, die Großinvestoren zur Verfügung stellen und der knapp bemessenen Kürze der Zeit, die wir Kritischen AktionäreInnen hier bewilligt bekommen: Monsanto, das nach Ihren Wünschen bald in Ihren Besitz übergehen soll, ist vor allem auch in Paraguay sehr aktiv. Denn Paraguay ist für Monsanto das país laboratorio. Und die Bevölkerung, die in ihrer Mehrheit neben Spanisch eben auch Guarani spricht, hat dort seine eigne Meinung über Monsanto:
So gilt – sehen Sie hier auf mein T-Shirt – im Übrigen, Ceterum censeo: Ñamosêke Monsanto! – Das ist Guarani und heißt „Monsanto raus!“ Das Gleiche gilt natürlich auch für Bayer.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.