Rede von Antje Kleine-Wiskott auf der Bayer-Hauptversammlung 2008
Sehr geehrter Herr Wenning, sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre!
Mein Name ist Antje Kleine-Wiskott, ich bin vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
Sie, geehrter Herr Wenning haben betont, dass Sie den Klimawandel als ökologische und als ökonomische Herausforderung sehr ernst nehmen. Wir von den Kritischen Aktionären befassen uns in diesem Jahr speziell mit dem Thema Klimaschutzmaßnahmen bei den DAX-Konzernen und freuen uns deshalb, wenn Sie sich als Vorstandsvorsitzender Ihrer Verantwortung bewusst sind und die Bedeutung von Klimaschutzmaßnahmen erkannt haben.
Müllverbrennungsanlagen
Zwei Projekte, welche Ihrem neuen Klimaschutzprogramm absolut entgegenstehen, sind die geplanten Müllverbrennungsanlagen auf dem Werksgelände von Bayer in Brunsbüttel und Dormagen, diese werden beschönigend als Ersatzbrennstoffanlagen bezeichnet. Bayer will die Anlagen nicht selbst bauen, trägt als Abnehmer des erzeugten Dampfes jedoch die Verantwortung. Pro Tonne verfeuertem Müll entstehen mehrere Tonnen Abgase, und zwar Abgase wie Dioxin, chlor-, Brom- und flourhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub und noch einiges mehr. Die von Ihnen geplante Schadensbegrenzung in Form einer Rauchgasreinigung mit dem so genannten SNCR-Verfahren entspricht eben NICHT – wie Sie es sagen – dem Stand der Technik. Es existieren Möglichkeiten und eben auch bereits Anlagen, die ein Katalysator-Verfahren anwenden, bei dem weit weniger der genannten Abgase entweichen als bei dem von Ihnen geplanten Kraftwerk. Ihren Aussagen zufolge könnten durch die Abfallverbrennung 180.000 Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden. Nicht berücksichtigt werden in Ihrer Rechnung jedoch der durch tägliche Mülltransporte entstehende CO2-Ausstoß, die Kohle, Öl und Gas unterlegene Energie-Ausbeute der Anlage und die bei der Abfallverbrennung zusätzlich freigesetzten Ozonschicht-Zerstörer wie Flourkohlenwasserstoff.
Dann sieht die Klima-Bilanz nämlich etwas anders aus und dürfte nicht als „Beitrag zum Klimaschutz“ bezeichnet werden. In den Antragsunterlagen für die Müllverbrennungsanlagen werden keine Emissionswerte genannt, sondern nur die Grenzwerte. Das heißt, die Anlage soll offenbar das gerade noch Erlaubte ausschöpfen. Letztendlich geht es bei diesen Projekten gar nicht um Klimaschutzmaßnahmen, sondern wie so oft um Geschäfte, mit Müll kann man nämlich Geld verdienen.
Unsere Fragen hierzu: Wie gehen Sie mit den Protesten von über 3000 Bürgern um, die sich allein in Brunsbüttel gegen Ihre sog. Ersatzbrennstoffanlage stellen?
Halten Sie trotz der äußerst negativen Einschätzung von Umweltexperten bezüglich der Klima-Bilanz an den geplanten Ersatzbrennstoff-Kraftwerken fest?
Antwort Vorstand:
– der Strom wird ins öffentliche Netz gespeist werden und wird die Energieversorgung sichern
– es wird eine erhebliche Einsparung von CO2 geben
– wir werden Arbeitsplätze erhalten
– wir nehmen Fragen und Bedenken von Bürgern ernst und sind für den Dialog stets bereit
Geplante Kohlekraftwerke in Antwerpen, Brunsbüttel und Krefeld
Der Konzern E.ON plant in Antwerpen ein Steinkohlekraftwerk auf dem dortigen Werksgelände von Bayer. Bayer selbst würde auch zu den Abnehmern des erzeugten Stroms gehören. Bei keinem anderen Energieträger wird soviel CO2 pro erzeugter Kilowattstunde ausgestoßen wie bei der Kohleverstromung. Da die entstehende Wärme größtenteils nicht genutzt werden soll, hätte das Kraftwerk einen Wirkungsgrad von nur 46%. Über die Hälfte der verfeuerten Kohle würde ungenutzt verpuffen!
Das Kraftwerk würde jährlich 6 Millionen Tonnen CO2 emittieren! Mit der Beteiligung an diesem Kraftwerk widerspricht Bayer sich selbst bezüglich seines Versprechens „im Klimaschutz neue Maßstäbe zu setzen“!
Sehr geehrter Herr Wenning, Sie werden in wenigen Tagen in den Aufsichtsrat von E.ON gewählt. Frage: Sehen Sie in Ihrer Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats bei E.ON nicht eine Interessenverquickung?
Kohlekraftwerke sind auch in Brunsbüttel und in Krefeld geplant. Beim geplanten Kohlekraftwerk in Krefeld wäre Bayer nicht nur Abnehmer des Stroms, sondern selbst Betreiber. Hier würden jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 und je 4000 Tonnen Stickoxide und Schwefeldioxid sowie große Mengen Feinstaub emittiert.
Unsere Fragen zu den geplanten Kohlekraftwerken: Wie will BAYER zum Klimaschutz beitragen, wenn das Unternehmen bei seinen Zulieferern auf Steinzeit-Technologie setzt?
Über welchen Zeitraum will Bayer Energie aus dem E.ON Kohlekraftwerk beziehen (und über welchen Zeitraum laufen die Verträge)?
Antwort Vorstand:
– zu Ihrer Anmerkung zur Steinzeittechnologie: Die Firma Trianel plant modernes Kohlekraftwerk!
Klimaschutzzahlen
Im Juli 2007 wurde endlich ein ausführlicher Nachhaltigkeitsbericht von Bayer veröffentlicht, der auch den Ausstoß von Treibhausgasen seiner Energie-Zulieferer aufzeigt.
Die bis dahin stets verwendete Aussage von einer Reduktion von rund 70% in den letzten 15 Jahren wird in diesem Bericht folgerichtig nicht mehr verwendet, da sie auf Rechentricks beruhte (durch steigenden Fremdbezug von Energie und Verkauf von CO2 intensiver Tochter).
Bayer schmückt sich gerne mit seinen vielen Klimaschutz-Initiativen (Caring for Climate, Global Roundtable on CC, Combat CC etc.). Diese freiwilligen Initiativen sind jedoch einzureihen in Absichtserklärungen, mit deren Hilfe man eine verbindliche Reduktion von Treibhausgas-Emissionen verhindern will. Es hemmt daher den wirksamen Klimaschutz anstatt ihn zu fördern.
Im November stellten Sie Ihr neues Klima-Programm vor. Doch leider werden in diesem wichtige Problembereiche ausgespart, nämlich in der Hauptsache der Bezug von Energie aus Kohleverstromung, der beim Neubau von Kraftwerken über Jahrzehnte festgeschrieben wird. Wir von den Kritischen Aktionären fragen uns, was ein solches Programm nutzt, wenn kritische Bereiche nicht mit einbezogen werden? Herr Wenning, Sie haben in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit unterschiedliche Zahlen zur Reduktion von Treibhausgasen von Bayer genannt. Erst waren es besagte 70%, dann waren es 46%, nun 36%, die Bayer angeblich zwischen 1990 und 2006 an weltweiten absoluten Treibhausgasemissionen reduziert hat.
Fragen: Welche Zahl ist denn nun richtig?
Planen Sie, die absoluten Emissions-Zahlen für ALLE Werke, Tocherfirmen und Energiezulieferern zu veröffentlichen? Werden Sie dies auch rückwirkend machen?
Antwort Vorstand:
– Wir verstehen den Klimaschutz als globale Aufgabe, wir bei Bayer möchten nicht stehen bleiben bei dem, was wir bereits erreicht haben
– Ende 2007 Climate Program vorgestellt, dieses setzt neue Maßstäbe
– Unsere Klimabilanz ist transparent; seit 2008 berichten wir über direkte und indirekt Emissionen
– Alle Zahlen, die Sie genannt haben, sind richtig, je nachdem, was einbezogen wird: Um 70% haben wir die Treibhausgase von 1990 bis 2006 weltweit gesenkt
– Seit 2007 haben wir ein Treibhausgasprotokoll, auf dessen Basis sich die Zahl von 36%, als absolute direkte und indirekte Emissionen und Fremdenergiebezug berücksichtigt
– Die bisherigen Emissionsreduktionen haben wir v.a. durch bessere Energie-Effizienz erreicht
Unsere weitere Fragen zum Thema Umweltschutz und Klimaschutzmaßnahmen:
Wieviel CO2 (in Prozent und Tonnen) wird Bayer 2008 im Vergleich zum Vorjahr einsparen (was ist geplant?) und welche konkreten Maßnahmen werden Sie dazu ergreifen oder haben Sie dazu ergriffen?
Hat Bayer eine Zertifizierung nach EMAS (European Management Audit Scheme)?
Wenn ja: Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Wenn nein: Warum nicht?
Wie garantieren Sie, dass bei Ihren Lieferanten und in Ihren ausländischen Produktionsstätten Ihre Umweltstandards eingehalten werden?
Planen Sie den An- oder Verkauf von Emissionszertifikaten?
Plant unser Unternehmen Anreize für Vorstände (z.B. in Form von Bonuszahlungen), wenn sie vorher festgelegte Ziele beim Klimaschutz erreichen?
Wie fördern/motivieren Sie Ihre Mitarbeiter, zum Erreichen Ihrer unternehmensinternen Klimaschutzziele beizutragen?
Vielen Dank!
Antwort Vorstand:
– Ja, wir haben eine EMAS-Zertifizierung
– Auch haben wir eine ISO-Zertifizierung
– Die Ergebnisse sind im Internet nachzulesen
– Bayer nimmt mit elf Anlagen am Emissionshandel teil
– Zwei Perioden:
o 1. Periode 2005-2007: mit Emissionen
berechtigen, mussten keine Zertifikate hinzukaufen
o 2. Periode bis 2012: wird der Emissionshandel wichtig sein, jetzt mit Benchmarks
– Neuer Entwurf der EU: ab 2013 auch von der Industrie gekauft werden müssen