Presse Info vom 28. August
OVG: CO-Pipeline verfassungswidrig
Großer Erfolg – aber Wachsamkeit weiter nötig
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren bezeichnet den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zur CO-Leitung als großen Erfolg für Bürgerinitiativen, Kläger und Anwohner/innen. Die CBG führt die Proteste jedoch fort, da der BAYER-Konzern das Projekt weiter verfolgt.
Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Wir begrüßen, dass sich das Gericht unserer langjährigen Argumentation anschließt, wonach betriebliche Profite nicht mit dem Allgemeinwohl gleichzusetzen sind und die Genehmigung der CO-Pipeline daher nicht verfassungskonform ist. Dies ist ein wichtiger Etappensieg.“ Gleichwohl kritisiert Mimkes, dass das OVG die tödlichen Gefahren bei einem Austritt von Kohlenmonoxid nicht ausreichend berücksichtigt hat. „Die Richtlinien zum Bau von Pipelines sind nicht für Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid gemacht worden. Unter Berücksichtigung der hohen Risiken hätte das Gericht das Verfahren endgültig stoppen müssen“, so Mimkes weiter.
Der Fall wird nun vor dem Verfassungsgericht verhandelt. Sollte sich das Karlsruher Gericht der Argumentation des OVG nicht anschließen, so droht weiterhin der Betrieb der Pipeline.
Polizei, Feuerwehr und medizinische Dienste haben erklärt, dass sie die Sicherheit der Bevölkerung bei einem Unfall nicht gewährleisten können. Auch die betroffenen Kommunen lehnen die CO-Pipeline ab. Das Regierungspräsidium Düsseldorf musste einräumen, dass „zu Kohlenmonoxidfernleitungen keine umfänglichen Erfahrungsberichte existieren, da es sie weltweit kaum gibt“.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert, dass Gefahrstoffe wie CO, Chlor oder Ammoniak – wenn überhaupt – ortsnah produziert und verarbeitet werden. Ein Transport durch dicht besiedelte Gebiete ist nicht zu verantworten und auch nicht notwendig. Das jüngste Gutachten der NRW-Landesregierung zeigt, dass BAYER ebenso gut in Krefeld eine neue CO-Produktion aufbauen und auf den Betrieb der Pipeline verzichten kann.
Auszug aus dem Urteil des OVG Münster:
Das Oberverwaltungsgericht sieht in dem Rohrleitungsgesetz einen Verstoß gegen das durch Art. 14 des Grundgesetzes geschützte Grundrecht der Kläger auf Eigentum. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Pipeline stelle im Ausgangspunkt ein privatnütziges Vorhaben dar, durch das das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden könne. Deshalb müsse sich das Rohrleitungsgesetz an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zu Gunsten privater Unternehmen enthalte. Der Gesetzgeber habe zwar einen weiten Einschätzungsspielraum, müsse aber den Enteignungszweck hinreichend bestimmt festlegen und den Enteignungsbegünstigten ausreichend an diesen Enteignungszweck binden. Beides sei durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.
Da über die Vereinbarkeit des Rohrleitungsgesetzes mit den Grundrechten der Kläger allein das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden kann, hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorgelegt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Neues Deutschland: Pipeline-Streit erneut vor Gericht
Leverkusener Anzeiger, 28.08.2014
Pipeline rechtfertigt Enteignung nicht
Die gesetzliche Grundlage für die Kohlenmonoxid-Pipeline der Bayer AG ist laut Oberverwaltungsgericht verfassungswidrig. Das Verfahren ist ausgesetzt. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Eine herbe Niederlage muss der Bayer-Konzern einstecken. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat am Donnerstag das Pipeline-Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Es war im März 2006 vom Landtag verabschiedet worden und ermöglichte Bayer den Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen den Werken in Krefeld-Uerdingen und Dormagen.
Dafür mussten Grundstücksbesitzer enteignet werden. Um dies zu rechtfertigen, wurde die Leitung für die hochgiftige Substanz in Paragraf 1 des Gesetzes als „dem Wohl der Allgemeinheit“ dienlich bezeichnet. Ob das in Ordnung ist, musste der 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts entscheiden, nachdem Anwohner geklagt hatten. Die Münsteraner Richter machten deutlich, dass sie in dem Pipeline-Gesetz einen Verstoß gegen Artikel 14 des Grundgesetzes sehen. Er beschreibt das Grundrecht auf Eigentum.
Für die Richter ist die Bayer-Pipeline jedoch zunächst einmal ein privates Projekt mit dem „das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden“ könne. Deshalb müsse sich das eigens für die Bayer-Pipeline erlassene Rohrleitungsgesetz „an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zugunsten privater Unternehmen enthalte“. Der Zweck der Enteignung müsse „hinreichend bestimmt“ festgelegt werden – und der Nutznießer müsse ausreichend an den Zweck gebunden werden: „Beides ist durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.“ Das letzte Wort hat das Oberverwaltungsgericht in dieser Sache allerdings nicht: Demnächst wird sich das Bundesverfassungsgericht mit dem NRW-Pipelinegesetz und der Frage befassen, ob der von Bayer ins Feld geführte Nutzen des Rohstoffverbunds zwischen zweien seiner Werke tatsächlich dem Allgemeinwohl dient.
Bayer äußerte sich zunächst recht unbestimmt zu der Prozess-Niederlage. „Wir werden die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten, sie in Ruhe analysieren und bewerten“, so Gabriel Harnier, der Bayers Kunststoff-Teilkonzern Material Science vertritt. „Die heutige Entscheidung ist sicherlich nicht unser Wunschergebnis“, weil sie die Inbetriebnahme der Pipeline nochmals erheblich verzögere. Positiv sei immerhin, dass die Münsteraner Richter „keine grundlegenden Bedenken“ hinsichtlich Sicherheit und Trasse der Leitung geäußert hätten. Obwohl sie zwei linksrheinische Werke verbindet, verläuft sie fast komplett rechtsrheinisch, unterquert den Strom also zweimal.
Bayers Vorstandschef Marijn Dekkers hatte sich in der Vergangenheit kritisch zur Verzögerung des Pipeline-Projekts geäußert und angemahnt, dass man sich auf ein Gesetz verlassen können muss. Von Thomas Käding
Pipeline-Gesetz ist verfassungswidrig
29.08.2014, WAZ –Für die Inbetriebnahme der umstrittene CO-Pipeline zwischen den Bayer-Werken Uerdingen und Dormagen wird es weitere jahrelange Verzögerungen geben. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) äußerte am Donnerstag erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetztes, das dem Projekt das Gemeinwohl bescheinigte und die Enteignung von privaten Grundstücken für den Bau der Leitung erst ermöglicht hatte. Der 20. OVG-Senat überwies das Gesetz an das Bundesverfassungsgericht. Bis zur Entscheidung in Karlsruhe wurde das Verfahren vor dem OVG ausgesetzt.
„Es kommt maßgeblich darauf an, ob der erste Satz im Rohrleitungsgesetz verfassungsgemäß ist“, begründete der Vorsitzende Richter Dirk Lechtermann den Beschluss. „Errichtung und Betrieb einer Rohrleitungsanlage . . . für die Durchleitung von Kohlenmonoxid . . . zwischen Dormagen und Uerdingen dienen dem Wohl der Allgemeinheit gemäß Artikel 14 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes“, heißt es im Gesetz. Damit habe es sich der NRW-Landtag zu einfach gemacht, glaubt der Senat. Der Bayer-Konzern sei zweifelsohne nicht zum Nutzen der Allgemeinheit tätig, deshalb erfordere die Enteignung von Privateigentum eine wesentlich konkretere Begründung.
„Wir sind der Überzeugung, dass der § 1 des Gesetzes verfassungswidrig ist“, betonte Richter Lechtermann. Die Entscheidung darüber obliegt aber allein den Karlsruher Bundesrichtern. Kippen die Verfassungsrichter das Gesetz, wäre damit auch dem Planfeststellungsbeschluss (die Baugenehmigung) für die Pipeline die rechtliche Grundlage entzogen – durch die Leitung, die im Duisburger Süden quer durch Wohngebiete verläuft, dürfte das giftige Gas wohl niemals transportiert werden.
„Wenn das Gesetz wirksam wäre, würde das für die Planrechtfertigung reichen“, machte der Senat ebenfalls deutlich. In der mündlichen Verhandlung hatten die Richter zuvor erklärt, dass sie weder fundamentale Sicherheitsbedenken haben, noch die Wahl der 65,7 Kilometer langen rechtsrheinischen Trasse grundsätzlich infrage stellen würden. Auch mögliche Fehler im Planfeststellungsbeschluss hält das OVG für heilbar.
„Das ist nicht unser Wunschergebnis, die Entscheidung bedeutet für unser Projekt erneut erheblichen Zeitverlust“, sagte Gabriel Harnier, Leiter der Rechtsabteilung von Bayer Material Science (BMS) nach der Verhandlung. „Positiv ist für uns aber, dass der Senat weder bei der Trassenwahl, noch bei der Sicherheit Bedenken geäußert hat.“
„Hocherfreut“ verließ Erich Hennen, Sprecher der Duisburger „COntra-Pipeline“-Initiative, den Gerichtsaal. „Das ist eine Ohrfeige für die Politik. Wir sind sicher, dass beim Bundesverfassungsgericht das Gesetz gekippt wird.“