27.06.2008 , Rheinische Post
CO-Unfall: Feuerwehr machtlos
Sollte aus der umstrittenen Kohlenmonoxid-Leitung durch ein Leck Gas austreten, kann die Feuerwehr nur die Unfallstelle absperren. Sirenengeheul soll die Bevölkerung warnen. Ein Gefahren-Abwehrplan existiert noch nicht.
KREIS METTMANN Was passiert, wenn ein Baggerfahrer die CO-Leitung beschädigt und tödliches Gas an die Luft strömt? „Die Feuerwehren im Kreis Mettmann können nicht sicher und eindeutig den Schutz der Bevölkerung gewährleisten“, sagte Kreisbrandmeister Friedrich-Ernst Martin nun im Erkrather Planungsausschuss.
Klartext: Die Feuerwehr kann nichts tun, außer die Unfallstelle abzusperren und zu verhindern, dass sich noch mehr Menschen in die Gefahrenzone begeben und mit dem tödlichen Gas in Kontakt geraten. „Wir würden das Leck auch nicht reparieren oder abdichten, das ist nicht unsere Aufgabe“, sagte Martin deutlich. Er geht allerdings nicht davon aus, dass Unfälle im Zusammenhang mit der 67 Kilometer langen Rohr-Fernleitung von Dormagen nach Krefeld „an der Tagesordnung“ seien.
Chaos auf den Straßen
Die Bevölkerung werde nach den jüngsten Plänen der Bezirksregierung mit lautem Sirenengeheul gewarnt. Dazu kommen Durchsagen im Radio, die innerhalb von 30 Sekunden auf den Sendern zu hören sind. „Das würde im Ernstfall zu einem absoluten Chaos führen“, sagte Bernhard Osterwind von den „Bürgern mit Umweltverantwortung“ (BmU). Osterwind ist sich sicher, dass ein Sirenenalarm innerhalb kürzester Zeit zu einem absoluten Verkehrschaos führen würde. Wer Sirene und Radio gehört habe, werde wahrscheinlich, so schnell es eben geht, mit den Auto flüchten – Folge wären innerhalb kürzester Zeit verstopfte Straßen.
Osterwind ist sich aber sicher, dass es auch viele Menschen gäbe, die versuchen, etwa ihre Kinder aus dem Gefahrengebiet zu retten. Folge: Auch dort wären die Straßen wieder verstopft. Kreisbrandmeister Martin kann die Bedenken der BmU zumindest nachvollziehen.
Nach wie vor gebe es immer noch keinen bis ins Detail ausgearbeiteten Allgemeinen Gefahren- und Abwehrschutzplan. Für Unfälle an der CO-Leitung müsse ein Sonderschutzplan ausgearbeitet werden. Die Feuerwehren hatten sich gemeinsam mit dem Kreis immer wieder dafür eingesetzt, dass der Abstand der Schieberstationen, die im Schadensfall die Menge des austretenden Gases entscheidend verringern, erhöht wird. Bislang sind an der 67 Kilometer langen Leitung sechs Schieberstationen geplant. Im Kreis Mettmann könne nicht jede Feuerwehr für sich am Gefahrenabwehrplan mitarbeiten, sondern nur alle gemeinsam. „Nur der Landtag kann die Pipeline noch verhindern, indem das Enteignungsgesetz zurück genommen wird“, sagte Peter Knitsch von den Grünen. Er warnte davor, dass anhängige Gerichtsverfahren den Betrieb der Leitung nicht dauerhaft aufhalten können. Mit einem nachgebesserten Planfeststellungsbeschluss könnte die Leitung kurzfristig an den Start gehen. Bayer baue ja auch munter weiter an der Pipeline. VON OLIVER WIEGAND
Westdeutsche Zeitung, 27. Juni 2008
Wirksame Abwehr ist Fehlanzeige
Kreisbrandmeister Martin skizzierte im Ausschuss die Gefahren eines Lecks. Die Fraktionen einigten sich auf eine Resolution.
„AGAP“ war das Wort, das im Ausschuss für Planung, Umwelt und Verkehr für nahezu zwei Stunden die Gemüter erregte. Der Alarm- und Gefahrenabwehrplan (AGAP) für den Schadensfall an der CO-Leitung war der zentrale Tagesordnungspunkt der Sitzung am Donnerstag, zu der auch viele Bürger und Vertreter von Bürgerinitiativen gekommen waren.
Was Kreisbrandmeister Friedrich-Ernst Martin dazu kundtat, durfte kaum für Entspannung unter den Anwesenden gesorgt haben. „Die Feuerwehren sind nicht in der Lage, bei einem Schadensereignis wirksame Gefahrenabwehr zu leisten. Die Bürger können nicht davon ausgehen, dass wir die Lage beherrschen“, skizzierte er das Szenario im Falle eines Lecks an der von Bayer betriebenen CO-Pipline.
Daran ändere nach Ansicht des Kreisbrandmeisters auch der Gefahrenabwehrplan nichts, der von den Feuerwehren der betroffenen Städte aufgestellt werden muss.
Im Katastrophenfall steht die Wehr vor einer großen Herausforderung
Martin ließ keinen Zweifel daran, dass die Einsatzkräfte im Katastrophenfall vor erhebliche Herausforderungen gestellt werden würden. So sieht der AGAP eine Alarmierung über Sirenen vor. „Das ist aber ein System, mit dem heute niemand mehr etwas anfangen kann.“ Hinzu komme, dass die Bürger spätestens dann selbst wissen müssten, was sie zu tun haben.
Weiterer Baustein für den Ernstfall seien Radiomeldungen. Martin: „Das geht in ein paar Sekunden über den Äther.“ Allerdings könne auch so irrationales Verhalten kaum verhindert werden. Dass Menschen aus Sorge um ihre Angehörigen in das Gefahrengebiet eindringen, könnte zu einem von vielen Problemen werden. Peter Knitsch (Grüne) sprach gar von einem Szenario wie bei der Havarie eines Atomkraftwerkes: „Es gibt keine Möglichkeiten, den Schaden zu verhindern. Grundsätzlich kann man ein solches Großschadensereignis nicht ausschließen.“
Mit Bildmaterial wurde der Zustand der Rohre dokumentiert
Wolfgang Küppers (BmU) skizzierte erneut, dass es bereits beim Pipeline-Bau zu Mängeln gekommen sei. Mit Bildmaterial dokumentierte er den Zustand angelieferter Rohre, die bereits vor dem Einbau verrostet seien. Auch die über den Rohren verlegten Geogrid-Schutzmatten verhinderten angeblich nicht, dass schweres Baugerät mit der Leitung in Berührung kommen könne.
An dieser Stelle meldeten sich auch Bürger zu Wort, denen Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren. „Ich fahre die Pipeline regelmäßig ab und habe die Mängel auf Fotos dokumentiert und mehrmals an den Regierungspräsidenten geschickt. Warum kommt er seiner Bauaufsichtspflicht nicht nach?“, wollte Wolfgang Zöllner aus Unterfeldhaus wissen. Darauf konnte auch der Ausschuss keine Antwort geben.
Eine Antwort parat hatten die Fraktionen, als es darum ging, eine Resolution auf den Weg zu bringen. Einstimmig stellten sie fest, dass der AGAP nicht geeignet sei, die Risiken, die von der Pipeline ausgehen, zu minimieren. Von daher lehne man das gesamte Projekt ab und forderte zudem den Landtag auf, das Eigentumsgesetz entlang der Trasse zurückzunehmen.
Zudem wurde die Verwaltung aufgefordert, die von den CO-Gegnern dokumentierten Mängel während der Baumaßnahme zu sammeln und in mögliche Gerichtsverfahren einzubringen. von Sabine Maguire