Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

[Brief an EU] Bienensterben

CBG Redaktion

EU Kommission
Generaldirektion SANCO
Director General Robert Madelin

Bienensterben in Süddeutschland

Sehr geehrter Herr Madelin,
in Baden-Württemberg und Bayern kam es im April/Mai 2008 nach der Aussaat von Clothianidin-behandeltem Mais zu einem großflächigen Bienensterben. Mindestens 700 Imker verloren ihre Bestände ganz oder teilweise, insgesamt rund 11.500 Völker. Der Bestand wildlebender Insekten ging ebenfalls stark zurück. Das Insektizid Clothianidin (Produktnamen: Elado, Poncho) wird von der Firma Bayer CropScience hergestellt. Der Wirkstoff wird vor allem im Mais- und Rapsanbau verwendet.
Nach Aussage des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen (Julius Kühn-Institut, JKI) ist „eindeutig davon auszugehen, dass Clothianidin hauptsächlich für den Tod der Bienen vor allem in Teilen Baden-Württembergs verantwortlich ist“. Das JKI untersuchte 66 tote Bienen und wies in 65 Fällen den Wirkstoff Clothianidin nach. In den 14 Bienenproben aus Bayer fand das JKI in sämtlichen Fällen Clothianidin. Die Bienenschäden können laut JKI „nicht mit dem Auftreten von Bienenkrankheiten erklärt werden“.
Durch das großflächige Bienensterben wurde die von Bayer-Vertretern stets vorgebrachte Aussage, dass Beizmittel wie Clothianidin und Imidacloprid nicht direkt mit Bienen in Kontakt kämen, widerlegt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) reagierte und verbat am 16. Mai die Anwendung von acht Beizmitteln, darunter Imidacloprid und Clothianidin, mit sofortiger Wirkung.
Vertreter von Bayer versuchen, das Bienensterben als einmaligen Vorgang darzustellen, der auf einen fehlerhaften Abrieb der Wirkstoffe bei der Mais-Aussaat zurückzuführen sei. Dabei hatte Dr. Richard Schmuck von Bayer CropScience bei einem Expertengespräch des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums am 8. Mai eingeräumt, dass auch bei einer ordnungsgemäßen Aussaat mit einem Clothianidin-Abrieb zu rechnen sei.
Schon im Jahr 2003 hatte ein Untersuchungsbericht der französischen Regierung festgestellt: „Was die Behandlung von Mais-Saat mit Imidacloprid betrifft, so sind die Ergebnisse ebenso besorgniserregend wie bei Sonnenblumen. Der Verzehr von belasteten Pollen kann zu einer erhöhten Sterblichkeit von Pflegebienen führen, wodurch das anhaltende Bienensterben auch nach dem Verbot der Anwendung auf Sonnenblumen erklärt werden kann“. Imidacloprid und Clothianidin gehören zur Substanzklasse der Neonicotinoide und sind chemisch verwandt. Beide Wirkstoffe wurden in Frankreich im Mais-Anbau verboten bzw. erhielten keine Zulassung.
Hierzu stellen wir folgende Fragen:
1. Clothianidin und Imidacloprid werden als „bienengefährlich“ eingestuft. Dennoch kam die EU im Zulassungsverfahren für Clothianidin zu dem Schluss, dass durch die Anwendung des Mittels keine Risiken für Bienen entstehen. Diese Aussage wurde spätestens durch das aktuelle Bienensterben widerlegt. Teilt die EU-Kommission die Meinung, dass die Zulassung für beide Wirkstoffe zurückgezogen werden muss?
2. Wurden die Ergebnisse des Untersuchungsberichts “Imidaclopride utilisé en enrobage de semences (Gaucho) et troubles des abeilles“ des Comité Scientifique et Technique (CST) bei der EU-Zulassung von Imidacloprid und Clothianidin berücksichtigt? Warum hat die EU nicht das französische Vorsorgeprinzip übernommen?
3. Aus Italien und Slowenien werden ebenfalls Bienensterben durch Clothianidin gemeldet, Slowenien hat die Verwendung des Wirkstoffs verboten. Gab es in den vergangenen fünf Jahren weitere Fälle von Bienensterben durch Neonicotinoide in EU-Mitgliedsländern?
4. Der Clothianidin-Umsatz betrug im vergangenen Jahr 237 Mio Euro, der von Imidacloprid über 500 Mio Euro. Der Hersteller will daher ein dauerhaftes Verbot unbedingt verhindern. In welcher Weise ist Bayer bei der EU vorstellig geworden?

Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren
www.CBGnetwork.org
Tel 0211-333 911, Fax 0211-333 940

Beirat
Prof. Dr. Jürgen Rochlitz, Chemiker, ehem. MdB, Burgwald
Dr. Sigrid Müller, Pharmakologin, Bremen
Prof. Dr. Anton Schneider, Baubiologe, Neubeuern
Prof. Jürgen Junginger, Designer, Krefeld
Dr. Erika Abczynski, Kinderärztin, Dormagen
Eva Bulling-Schröter, MdB, Berlin
Dr. Janis Schmelzer, Historiker, Berlin
Wolfram Esche, Rechtsanwalt, Köln
Dorothee Sölle,Theologin, Hamburg (gest. 2003)