Pressemitteilung vom 9. Oktober 2003
Hormonaktive Substanzen in Babyflaschen
„Ökotest“ findet Umweltgift von BAYER in Säuglingsnahrung
Messungen der Zeitschrift Ökotest weisen bedenkliche Mengen Bisphenol A in Babyflaschen aus Plastik nach. Die in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass je nach Zubereitungsart bis zu 150 µg/l in die Babynahrung austreten können. Bisphenol A wirkt im menschlichen Körper ähnlich wie das Hormon Östrogen. Säuglinge, deren Hormonsystem noch nicht ausgereift ist, kann es besonders stark beeinflussen – Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen und verfrühte sexuelle Reife können die Folge sein.
Prof. Jürgen Rochlitz, Chemiker und Beirat der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Bisphenol A und andere hormonaktive Substanzen haben in Produkten des täglichen Bedarfs absolut nichts verloren.“ Bisphenol A findet sich nicht nur in Babyflaschen, sondern auch in der Innenbeschichtung von Konservendosen, in Lebensmittel-Verpackungen und Plastik-Milchflaschen. Das deutsche Umweltbundesamt fordert seit Jahren, die Verwendung von Bisphenol A in risikoreichen Anwendungen einzustellen – kann sich jedoch nicht gegen die Interessen der Industrie durchsetzen.
Der jährliche Verbrauch von BPA in der EU liegt bei 640.000 Tonnen. Weltweit größter Hersteller ist die Leverkusener BAYER AG, die allein in den Werken Uerdingen und Antwerpen rund 300.000 Tonnen produziert. Kürzlich hat BAYER neue BPA-Fabriken in Thailand und China eröffnet.
Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Seit Jahrzehnten ist die hormonelle Wirkung von Bisphenol A bekannt – trotzdem verharmlost der BAYER-Konzern beharrlich die Risiken und verhindert ein Verbot risikoreicher Anwendungen. Wir fordern ein sofortiges Verbot dieses Hormongifts in allen Produkten, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen“. Mimkes empfiehlt die Verwendung von Babyflaschen aus Glas. In Japan wurde die Verwendung von Bisphenol A in Babyflaschen vom Gesundheitsministerium bereits stark eingeschränkt.
Auszug aus der Veröffentlichung von Ökotest:
Eine hormonell wirksame Substanz hat in Kinderprodukten nichts zu suchen, erst recht nicht, wenn sie sich in die Nahrung lösen kann. Schon vor Jahren untersuchte ÖKO-TEST deshalb Babyfläschchen auf Bisphenol A, auch in Trinklerntassen haben wir es bereits entdeckt (….)
Plastikbabyflaschen bestehen aus Polycarbonat, das sich beim Erhitzen spalten kann. Dadurch bildet sich Bisphenol A immer neu – bei längerem Gebrauch wäscht es sich also nicht aus, sondern kann im Gegensatz sogar noch mehr werden.
„Ungenügend“ bewerten wir die Zubereitung in der Mikrowelle. Trinkt ein Säugling täglich das sich dabei lösende Bisphenol A mit der Milch, wird die Menge überschritten, die bislang als ungefährlich galt. „Mangelhaft“ sind drei Zubereitungsarten: Wenn die Babyflasche direkt nach dem Auskochen mit einem warmen Getränk befüllt wird, lösen sich geringe Mengen Bisphenol A. Ebenso besteht diese Gefahr bei einer zerkratzten Flasche. Und von einer Flasche, die früher in der Mikrowelle stand, gehen ebenfalls geringe Mengen in ein warm eingefülltes Getränk über (….)
Wird das Wasser – nach der Sterilisation – in der Mikrowelle erhitzt, löst sich wesentlich mehr des Hormongiftes: Bis zu 114 µg/l waren es beim ersten Erhitzen nach dem Auskochen, bis zu 88 µg/l beim zweiten Mal in der Mikrowelle, beim dritten Mal stieg der Wert sogar auf 157 µg/l. Diese extrem hohen Mengen lösen sich, wenn das Wasser in der Mikrowelle zum Kochen gebracht wird. Aber auch bei niedrigeren Temperaturen werden bis zu 67 µg/l Bisphenol A frei. Stand eine Flasche bereits in der Mikrowelle, besteht außerdem die Gefahr, dass sich beim nächsten Mal auch Bisphenol A löst, wenn man sie lediglich mit dem heißen Getränk befüllt: Die Wissenschaftler wiesen 2,5 µg/l nach (….)
Abgeschlossen sind die Untersuchungen noch lange nicht – doch andere Länder haben bereits auf die möglichen Gefahren von Polycarbonat- Flaschen reagiert: In Japan wird nach einer Entscheidung des Gesundheitsministeriums weitgehend auf diese Fläschchen verzichtet, die Industrie setzt andere Kunststoffe ein.