Basis Betriebsräte, 24. Oktober 2006 (www.basisbetriebsraete.de)
BIS-Mitarbeiter enttäuscht von Betriebsversammlung
Enttäuscht stehen viele Mitarbeiter der Bayer-Tochter BIS am Dienstagmittag (24.10.06) vor dem Werkstor. In der Betriebsversammlung wurden ihre Befürchtungen bestätigt: Das Unternehmen will zahlreiche Arbeiten auslagern und rund 600 Stellen streichen.
Durch Leverkusen pfeift an diesem Dienstag der erste Herbststurm und mancher Mitarbeiter von BIS dürfte den rauhen Wind als durchaus symbolträchtiges Vorzeichen deuten. Denn nicht nur meteorologisch droht ein Unwetter: „Die Stimmung war gereizt“, berichtet einer, der am Mittag aus der Betriebsversammlung im Chemiepark Bayer kommt. Vor dem Tor werden die Beschäftigten von Journalisten umringt, doch nur wenige wollen ihren Namen nennen. Die Angst vor der Zukunft ist groß.
Uwe Demmrich traut sich. Wenig Neues habe die Betriebsversammlung gebracht, sagt der Mitarbeiter aus der Gebäudeverwaltung: „Das meiste habe ich heute Morgen schon in der Zeitung gelesen.“ Demnach soll die Bayer-Dienstleistungstochter aufgeteilt und verkauft werden. Rund die Hälfte der knapp 6.000 Beschäftigten bekämen dann einen neuen Arbeitgeber, 600 Stellen sollen ganz gestrichen werden. Für seine Enttäuschung findet der 53-jährige Demmrich markige Worte: „Wir haben dabei mitgeholfen Bayer aufzubauen und jetzt tritt man uns in den Arsch.“ Eine Einstellung, die viele BIS-Mitarbeiter teilen.
„Bayer-Mitarbeiter zweiter Klasse“
„Seit sie vor ein paar Jahren aus dem Stammkonzern ausgegliedert wurden, fühlen sich viele hier nur noch wie Bayer-Mitarbeiter zweiter Klasse“, sagt ein anderer Beschäftigter, der anonym bleiben will. Bislang sei die BIS ein Auffangbecken für Mitarbeiter gewesen, die sich in der Produktion „den Rücken krumm gearbeitet“ hätten. Dennoch kann er auch Verständnis für die Pläne der Manager aufbringen. Der Verkauf der Servicegesellschaften sei betriebswirtschaftlich notwendig und die logische Konsequenz der Entwicklung bei Bayer in den vergangenen Jahren.
Uwe Demmrich vermutet, dass in Leverkusen nur noch Forschung und Verwaltung übrig bleiben sollen. Er ärgert sich vor allem über die Versprechungen der vergangenen Jahre: „Wir haben vieles hingenommen, weil uns gesagt wurde, damit sichert ihr eure Arbeitsplätze.“ Dass es um die nach einem Verkauf der BIS schlecht bestellt sein wird, liegt für den Arbeiter auf der Hand: „Schließlich geht es darum, weiter Geld zu sparen.“
Angst vor der Arbeitslosigkeit
Sven Strebl ist 19 Jahre alt und macht derzeit seine Ausbildung bei der BIS. Nach der Betriebsversammlung fragt er sich, was aus ihm nach der Lehre wird. „Natürlich hatte ich die Hoffung, vielleicht übernommen zu werden“, sagt er. Über das, was nun kommt, mag er im Moment gar nicht nachdenken. Erst einmal geht es zurück an den Arbeitsplatz. Viele, die aus den anderen Betriebsstätten in die Halle B104 gekommen sind, steigen ernüchtert wieder in die Werksbusse.
Junge und altgediente Mitarbeiter vereint die Angst vor der Arbeitslosgkeit. „Wenn man 37 Jahre bei Bayer war, können einem die Tränen kommen“, sagt Karl-Heinz Ketterer. Zwei Jahren hat er noch bis zu Rente. Doch ob er bis dahin noch stolzer Bayer-Mitarbeiter sein wird, ist für ihn nicht mehr gewiss. Der Blick auf das vom Sturm umhergewirbelte Herbstlaub weckt bei ihm keine guten Gefühle.
Leverkusener Anzeiger, 25. Oktober 2006
Mitarbeiter gerieten in Rage
VON THOMAS KÄDING
Den Vorstandsvorsitzenden von Bayer und Lanxess sollten die Ohren klingen. Das dürfte gestern Morgen gelungen sein. Viele der rund 2000 Beschäftigten – die meisten von ihnen arbeiten noch beim Chemiepark-Betreiber Bayer Industry Services – setzten Trillerpfeifen ein, während die Betriebsräte Jörg Feldmann und Manfred Thomas die Büros von Werner Wenning und Axel Heitmann aufsuchten. Die Belegschaftsvertreter übergaben den Verantwortlichen der beiden BIS-Gesellschafter Briefe. Darin forderten sie die Eigentümer auf, den Alleingang der Arbeitgeberseite aufzugeben und mit dem Betriebsrat nach Lösungen für BIS zu suchen, die akzeptabel sind.
Die Zerschlagung des Unternehmens komme nicht in Frage, es gebe viele Möglichkeiten jenseits der puren Verkaufsstrategie, die am Montag in Aufsichtsrat und Wirtschaftsausschuss vorgestellt worden war. Danach war spontan eine Mahnwache vor dem Bayer-Kasino aufgezogen, die sich im Regen die Nacht um die Ohren schlug. Darauf bezog sich später Betriebsrätin Heike Bär, als sie auf der Betriebsversammlung in der vollbesetzten Halle B 401 den Geschäftsführer von BIS, Klaus Schäfer, diese Frage stellte: „Wie haben Sie eigentlich diese Nacht geschlafen?“
„Sonderabfall“
Auf dem Protestzug über die Kaiser-Wilhelm-Allee und die Bundesstraße 8 zur Betriebsversammlung waren die Mitarbeiter immer mehr in Rage geraten: Als die Stadtgrenze nach Köln überschritten wurde, blockierte der Tross die gesamte Bundesstraße, Verkehrsstaus waren die Folge. Viele hatten sich neben den Trillerpfeifen und Plastik-Umhängen mit IG-BCE-Logo auch mit einem gelben Aufkleber ausstaffiert: Darauf bezeichneten sie sich als „Sonderabfall“ mit der Herkunftsbezeichnung BIS.
24.10.06, Kölner Stadt-Anzeiger
Blankes Entsetzen in der Belegschaft
Das Programm heißt BIS 2009. Bis 2009 will Klaus Schäfer, Geschäftsführer von Bayer Industry Services, „jedem zweiten Mitarbeiter den Stuhl vor die Tür stellen“. So kommentierte gestern Peter Hausmann, Landesbezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) die einschneidenden Vorschläge für den Chemiepark-Betreiber.
Schockierend
Er soll in drei Jahren insgesamt nur noch 2900 Mitarbeiter haben, aber nur 300 Millionen Euro weniger Umsatz machen, nämlich 1,3 Milliarden. Heute hat BIS rund 5800 Beschäftigte, nahezu 4000 von ihnen arbeiten in Leverkusen. Gestern schlugen die BIS-Chefs im Aufsichtsrat und danach im Wirtschaftsausschuss Veränderungen vor, die Betriebsratschef Jörg Feldmann am Nachmittag als „schockierend“ und „dramatisch“ bezeichnete: Die Technischen Dienste mit rund 1500 Mitarbeitern, Hausmeister, Gärtner und andere Immobiliendienste mit 360 Beschäftigten stehen zum Verkauf an.
Auch die 180 Mitarbeiter des Tor- und Schutzdienstes werden einen neuen Arbeitgeber bekommen. 600 Arbeitsplätze sollen ersatzlos wegfallen, weitere 270 in andere Konzernbereiche verlagert werden: die in der Immobilien- und der Kulturabteilung, im Erholungshaus, der Vereinskoordinierung, Fortbildung und im Unternehmensarchiv. Die Bayer-Berufsschule soll ein Auslaufmodell werden. Bis 2008 werde man mit der Stadt Leverkusen und der Bezirksregierung nach einer Lösung suchen, sagte BIS-Sprecher Jürgen Gemke auf Anfrage.
Theodor Baikowski, Vorsitzender des BIS-Betriebsrats in Dormagen kommentierte die Unternehmensstrategie so: „Was im Moment nicht funktioniert, muss weg.“ Er beklagte, wie alle anderen Arbeitnehmer, die mangelnde Kreativität und die Zerschlagungsmentalität, mit der die Geschäftsführung nach monatelangen Untersuchungen an die Sanierung des Betreibers von Bayers Chemieparks geht. Die Gewerkschafter gehen mit der Forderung in die anstehenden Verhandlungen, „Lösungen unter einem Dach“ zu finden, sagte Peter Hausmann. Dass dies möglich sei, zeigten andere Chemieunternehmen. Weder bei der BASF, noch bei Degussa oder Henkel werde „so etwas diskutiert. Wieso gelingt es der Geschäftsführung eigentlich nicht, BIS in die schwarzen Zahlen zu bringen?“
Harte Lanxess-Linie
Er habe den Eindruck, so der Gewerkschafter, dass es Probleme auf der Leitungs- und Entscheidungsebene des Unternehmens gebe. Offenkundig kranke BIS daran, dass die beiden Gesellschafter – Bayer zu 60, Lanxess zu 40 Prozent – unterschiedliche strategische Auffassungen verträten. Offenkundig hat sich aber mit der Auswechslung des Geschäftsführers – im April folgte Klaus Schäfer auf Jürgen Hinz – die harte Lanxess-Linie durchgesetzt.
In der Belegschaft löste die angekündigte Halbierung der Firma gestern blankes Entsetzen aus. Spontan stellte sich eine Mahnwache vor das Bayer-Kasino. Betriebsrätin Heike Bär fand kein Verständnis dafür, dass aus der schwachen BIS wiederum „die schwächsten Bereiche herausgepickt würden“. Betroffen von den Verkaufsplänen seien auch viele schwerbehinderte Kollegen.
In Uerdingen „wollten um die 500 Kollegen wissen, was jetzt passiert“, berichtete die dortige Betriebsratschefin Anneliese Kreymann. Die Betriebsversammlungen, die morgen zuerst in Dormagen, dann in Leverkusen und schließlich in Uerdingen anberaumt sind, werden von Protesten begleitet sein.
Um 8.30 Uhr geht es auf der Kaiser-Wilhelm-Allee los. Der Marsch wird sich über die B 8 bis zum Pförtner 11 ziehen. Danach geht es in die Halle, in der Lanxess einst seinen Geburtstag feierte.
Heute wird das Gebäude B 401 Schauplatz einer Beerdigung sein. (VON THOMAS KÄDING)
Basisbetriebsräte bei Bayer Industry Services
Leverkusen den 21.10.2006
Aufruf zur Solidarität
Betriebsversammlung bei Bayer Industry Services (BIS)
und Kundgebung am 24.10.2006 am Standort Leverkusen
Treffpunkt 08.30 Uhr am Tor 2, anschließend Marsch über Kaiser-Wilhelm Allee und B 8 bis Flittard Tor 11 und dann nach B 401
„Ohne BIS keine Basis“
Bayer Industry Services (BIS) ist als Joint Venture der Bayer AG und der Lanxess AG Betreiber des Bayer Chemieparks mit Standorten in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen. Zurzeit nutzen einschließlich der drei operativen Teilkonzerne der Bayer AG und der Lanxess AG über 60 Produktions- und Dienstleistungsunternehmen die Vorteile dieses größten deutschen Chemieparks.
Mit rund 6.000 Mitarbeitern, davon fast 4000 in Leverkusen, sichert BIS den Partnern optimale Rahmenbedingungen durch vielfältige Produktverbünde und ein umfassendes Service-Portfolio. Dazu zählen unter anderem Umweltdienstleistungen, Logistik und technische Dienstleistungen, Sicherheit und Umweltschutz, Energieversorgung, Entsorgung, Analytik sowie die Aus- und Weiterbildung.
Teile dieser Leistungen bietet BIS auch Kunden außerhalb des Chemieparks an. Die Geschäftsführung und die Gesellschafter der BIS kündigen umfassende Maßnahmen zur Kostensenkung und Wettbewerbseffizienzsteigerung an. Darunter sollen Verkäufe und Ausgliederungen von Teilbereichen fallen. Dies bedeutet möglicherweise Stellenabbau in ungeahnter Höhe und damit Verlust von Kompetenz und Kaufkraft am Standort Leverkusen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von BIS stehen seit Monaten vor einer ungewissen Zukunft.
„Leverkusen lebt doch von Bayer“
Neben den Kollegen und Kolleginnen sowie deren Familien wird vor allem die Stadt Leverkusen dies spüren und weiter verarmen. Besonders am Schicksal der „Bayer Kaufhäuser“(das letzte in Wiesdorf steht kurz vor der Schließung) kann man absehen in wie weit das Engagement zurückgefahren wird. Gnadenlos steht alles auf dem Prüfstand, selbst Gewinne sichern keine Arbeitsplätze mehr. Strategische und Politische Ziele beeinflussen das Handeln der Manager.
Es ist deutlich eine soziale Kälte zu spüren. Viele soziale Errungenschaften sind ersatzlos weg gebrochen und fehlen im täglichen Leben der Bürger.