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[Bienensterben] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

Interview zu BAYERs bienengefährlichen Pestiziden

„Teil-Verbote reichen nicht“

Ende September 2015 haben Harald Ebner und weitere Bundestagsabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Kleine Anfrage zu den bienengefährlichen Pestiziden von BAYER & Co. an die Bundesregierung gestellt. Die PolitikerInnen wollten unter anderem wissen, welche Konsequenzen die Große Koalition aus der immer erdrückender werdenden Beweislast zum Gefährdungspotenzial der Substanzen zieht, wie Merkel & Co. den Nutzen der Wirkstoffe bewerten und ob sie über eine Reduktionsstrategie verfügen. Mit Harald Ebner sprach Stichwort BAYER über die Antworten.

Im Oktober 2013 hat die EU Fipronil und drei Pestizid-Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide, darunter die hauptsächlich in Saatgut-Beizen zum Einsatz kommenden BAYER-Produkte Clothianidin und Imidacloprid, wegen ihrer Bienengefährlichkeit mit einem vorläufigen Teil-Verbot belegt. Trotzdem geht nach Angaben der Bundesregierung der Neonicotinoid-Absatz in Deutschland nicht zurück. Wie erklären Sie sich das?

Harald Ebner: Dafür gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten: Erstens, dass die teil-verbotenen Wirkstoffe durch die nicht-teilverbotenen Wirkstoffe ersetzt wurden. Mit Acetamiprid und Thiacloprid sind ja nach wie vor Neonicotinoide ohne entsprechende Anwendungsbeschränkungen auf dem Markt. Es ist wahrscheinlich, dass hier eine Substituierung stattgefunden hat. Zweitens, dass der Einsatz der teilverbotenen Wirkstoffe dort erhöht wurde, wo keine Beschränkungen bestehen, z. B. bei Zuckerrüben, Kartoffeln, Gemüse-Saaten und Gewächshaus-Kulturen. Und nach der Blüte dürfen sogar bienen-attraktive Kulturen behandelt werden. In Frankreich hat das Teilverbot nach Aussage der Bundesregierung auch nicht zu wesentlichen Mengen-Reduzierungen geführt. Das heißt also: Die Teilverbote reichen nicht aus, da gibt es zu viele Ausweichmöglichkeiten1.

Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Anfrage der Grünen auf eine Studie des Julius-Kühn-Instituts, die „keine signifikanten Effekte“ von Clothianidin auf Bienen festgestellt habe. Was sagen Sie zu dieser Untersuchung?

Es gibt dazu noch keinen Endbericht und keine veröffentlichte Studie, so dass wir die Methodik nicht überprüfen können. Bei solchen Studien besteht die große Gefahr, dass – je nach Versuchsanordnung – Faktoren mit hineinspielen, die das Ergebnis verfälschen. Wenn etwa die Felder mit und ohne Saatgut-Beizung zu nahe beieinanderliegen, kommt es wegen des großen Flug-Radius der Bienen zu Überschneidungen, und dann verschwimmen die Ergebnisse. Außerdem kommt es auch darauf an, welche Pestizide auf den Feldern ohne Saatgut-Beizung eingesetzt werden. Da gibt es zum Beispiel eine Studie von SYNGENTA zu den Auswirkungen der Thiamethoxam-Beizung. Kritische Wissenschaftler haben nun nachgewiesen, dass die gesetzten Rahmenbedingungen in dieser Feldstudie komplett realitätsfern waren. Die Syngenta-Wissenschaftler haben den Wirkstoff in Reinform und in niedrigerer Dosierung, als in der Praxis üblich, eingesetzt, die unterschiedlich behandelten Bienenvölker in nur zwei Kilometer Entfernung voneinander positioniert und die Behandlungsdauer extrem eingeschränkt – aus solchen Studien können Sie dann kaum etwas rausholen außer falschen Ergebnissen.

Glauben Sie, dass die Studie des Julius-Kühn-Instituts (JKI) Einfluss haben wird auf die Entscheidung über ein endgültiges Verbot der Neonicotinoide, die Ende des Jahres ansteht?

Die Beweislast zu den Gefahren der Neonikotinoide ist seit dem Inkrafttreten des Teil-Verbotes eher größer als kleiner geworden, daran ändert auch die Studie des Julius-Kühn-Instituts, deren Methodik noch überprüft werden muss, nichts. Amerikanische und britische Forscher haben einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Imidacloprid beim Raps-Anbau und Bienenvölker-Verlusten nachgewiesen. Es gibt auch immer mehr Erkenntnisse über die Gefährdung von Wildbienen: Eine schwedische Feldstudie hat zum Beispiel negative Effekte auf die Fortpflanzungsfähigkeit von Hummeln und Mauerbienen aufgezeigt – also gerade das Gegenteil von dem, was das JKI festgestellt hat. Und die Bundesregierung räumt ja selber ein, dass es im Hinblick auf die Wildbienen Reformbedarf bei der Risiko-Bewertung gibt und auch konkrete Hinweise auf Gefährdungen von Gewässer-Organismen durch Imidacloprid vorliegen. Darüber hinaus gibt es auch hochrangige Wissenschaftsinstitutionen wie z. B. die EASAC (das von den Wissenschaftsakademien der EU-Staaten gebildete BeraterInnen-Gremium, Anm. SWB) oder die „Task Force on Systemic Pesticides“, die eindeutig sind bei ihrer kritischen Beurteilung der Neonicotinoide. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit diesen eindeutigen Erkenntnisstand ignorieren kann. Aber die EFSA hat auf der anderen Seite bei Glyphosat auch völlig kritiklos den Bericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ übernommen. Passieren kann also alles.

Sie haben noch keine Hinweise darauf, wie die Entscheidung wohl ausfallen wird?

Nein, aber wir wissen natürlich, dass die Lobby hinter den Kulissen extrem aktiv ist. Und außerdem läuft ja die Klage der Chemiekonzerne gegen die Teilverbote vor dem Europäischen Gerichtshof. Das heißt, da ist jetzt auch öffentlicher Druck gefordert, dass nicht wider besseren Wissens die Teilverbote aufgehoben werden.

BAYER mischt ja auch kräftig mit und hat z. B. dem Runden Tisch „Imker, Landwirtschaft, Industrie“ eine Entlastungsstudie zu dem Saatgut-Beizmittel ELADO mit dem Wirkstoff Clothianidin präsentiert. Ist das eigentlich üblich, dass die Konzerne vor diesem Gremium ihre eigenen Untersuchungen präsentieren dürfen?

Der Runde Tisch – das ist sowieso eine seltsame Konstruktion. Dort nimmt die Industrie eine starke Stellung ein. Und natürlich versorgt der BAYER-Konzern diesen Runden Tisch mit ihm genehmen Studien oder Informationen. Wir erleben das ja auch beim „Deutschen Bienen-Monitoring“. Wenn BAYER da mit drin ist, dann bestimmen die natürlich wesentlich mit, wohin die Reise geht. Ich würde sagen, üblich darf das eigentlich nicht sein, aber es war zumindest bis 2011 – also zu Zeiten des CSU-geführten Agrar-Ministeriums – absolut üblich. Problembewusstsein ist da Fehlanzeige.

Kennen Sie die BAYER-Studie?

Nein, wir kennen sie nicht, weil sie nicht veröffentlicht ist. Wir haben nur Hinweise aus Imker-Kreisen, dass es da offenbar auch das Ergebnis gab – und das finde ich jetzt spannend –, dass der Einsatz von gebeiztem Saatgut für die Bestäuber keine ökologischen Vorteile gegenüber einem Anbau ohne Beizung hat. Es wurde ja immer behauptet und auch von der Bundesregierung so vertreten, dass diese prophylaktische Saatgutbehandlung ökologische Vorteile biete gegenüber einer Mittel-Anwendung im Bestand, weil diese in die Blütenbestände eingreift und so viel mehr Insekten treffen würde. Das zeigt aber ein mangelhaftes Verständnis von systemischen Wirkstoffen, denn auch die gelangen ja in die Blüte. Diese prophylaktische Gift-Behandlung verstößt zudem gegen den Grundsatz des integrierten Pflanzenschutzes, der besagt: „Pestizide nur als letztes Mittel und abhängig von Schad-Schwellen einsetzen“. Ich glaube daher nicht, dass BAYER ein Interesse hat, diese Studie zu veröffentlichen. Auch die Bundesregierung weicht an dieser Stelle aus, obwohl Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums beim Runden Tisch dabei waren. Wir brauchen auch hier öffentlichen Druck damit BAYER diese Studie öffentlich macht.

Das Neonicotinoid Thiacloprid ist nicht vom Teil-Verbot betroffen, obwohl auch da Belege für eine Gefährdung von Bienen durch die Substanz existieren. Aber die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Wie beurteilen Sie diese Position?

Die FU Berlin und das Hessische Bienen-Institut haben hier deutliche Hinweise auf Risiken herausgearbeitet. Es passt leider total ins System, dass die Bundesregierung und Bundesbehörden diesen renommierten Wissenschaftlern nun Berechnungsfehler vorwerfen. Ich kenne dieses Vorgehen von dem Fall „Glyphosat“, wo sie zahlreiche Studien, deren Ergebnisse ihnen nicht in den Kram passten, aussortiert und gesagt haben: „Die sind alle wissenschaftlich mangelhaft.“ Aber wehe, man kritisiert das BfR (Bundesinstitut für Risiko-Bewertung, Anm. SWB), dass es selber wissenschaftlich mangelhaft vorgehe. Das BfR ist in den Augen der Bundesregierung absolut sakrosankt.

Auch auf Studien, die die Bienengefährlichkeit von Glyphosat nahelegen, erfolgt keine politische Reaktion von Seiten der Bundesregierung …

Nein, das interessiert die Bundesregierung überhaupt nicht, sie sagt nur, es bestehe kein Handlungsbedarf. Und das angesichts der Tatsache, dass es der meistverwendete Herbizid-Wirkstoff in Deutschland ist. Da wird es wirklich kritisch! Besorgniserregend ist auch, dass im aktuellen Glyphosat-Zulassungsverfahren keine Risikobewertung für Wildbienen bzw. Hummeln stattgefunden hat, obwohl sie aufgrund viel kleinerer Völker noch stärker durch Pestizide gefährdet sind als Honigbienen. Diese höhere Empfindlichkeit von Wildbienen und die Notwendigkeit einer neuen Risikobewertung dazu hat die Bundesregierung schon bei unserer letzten Kleinen Anfrage (September 2014) eingeräumt. Es ist ein Skandal, dass das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ trotz dieser Fakten eine Zulassungsverlängerung empfohlen hat!

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat unlängst eine Leitlinie erarbeitet, die vorsieht, bei Pestizid-Zulassungen das Augenmerk verstärkt auch auf den Bienenschutz zu richten. Die Bundesregierung hat aber nicht für deren Annahme gestimmt, sondern sich enthalten. Wie bewerten Sie das?

Das passt zu allem anderen. Die Bundesregierung folgt auch hier den Einflüsterungen der Agro-Chemie. Es gibt da auch sehr gute Kontakte zu BAYER und zu BASF. Deren Berliner Vertreter gehen im Regierungsviertel ein und aus. Sowohl BAYER als auch BASF haben je sechs Vertreter mit Hausausweisen für den Bundestag, wie jetzt durch eine Klage offengelegt werden musste. Der Industrieverband Agrar hat ebenfalls beste Kontakte. Ich finde es natürlich skandalös, dass die Bundesregierung im Zweifel lieber zur Agro-Industrie hält statt zu den Menschen und zur Umwelt. Sie sehen das auch in anderen Bereichen: Deutschland hat sich auch bei der EU-Zulassung von einem weiteren bienengefährlichen Wirkstoff, Sulfoxaflor (von DOW CHEMICAL, Anm. SWB), enthalten. Dabei hat die EFSA selber Sicherheitsbedenken geltend gemacht, und in den USA wurde die Zulassung sogar wieder aufgehoben. Wenn’s drauf ankommt, werden Imker und Bienen von dieser Bundesregierung leider im Stich gelassen. Da hilft auch die PR mit einer Bienen-App nichts.

Ich wollte Sie gerade nach ihrer allgemeinen Einschätzung der Pestizid-Politik der Bundesregierung fragen, aber das erübrigt sich jetzt fast.

Die Bundesregierung räumt zwar Risiken ein, zieht aber keine Konsequenzen daraus. Es gibt keine konkreten Maßnahmen, um die Anwendungen der Neonicotinoide zu verringern. Schmidt (der amtierende CSU-Landwirtschaftsminister, Anm. SWB) will sich nicht einmal zum Bestand der Teil-Verbote bekennen. Auch die irreversible Wirkung der Neonikotinoide will das Landwirtschaftsministerium nicht wahrhaben, die EFSA nimmt dieses Problem ernster als die Bundesregierung. Auch bei der Erforschung von Alternativen wird von Deutschland kaum etwas getan. Ein eigenständiges Wildbienen-Monitoring gibt es jetzt doch nicht, obwohl es einmal angekündigt war – es bleibt beim „Deutschen Bienen-Monitoring“. Spezielle Programme zur Substituierung der Neonikotinoide gibt es auch nicht mehr, stattdessen nur allgemeine Modell-Vorhaben zur Pestizid-Reduktion. Und bei der Ökolandbau-Forschung steht im Haushalt mal wieder eine Nullrunde an. Mein Fazit ist: Die Bundesregierung agiert gegen die Interessen von Umwelt, Verbrauchern und auch von Landwirten. Was ist denn, wenn jetzt aufgrund der wissenschaftlichen Fakten das Teil-Verbot in ein endgültiges umgewandelt und weiter ausgeweitet werden muss? Dann stehen die Landwirte mit leeren Händen da, weil die Bundesregierung nichts dafür getan hat, dass die Landwirtschaft ökologisch unproblematische Alternativen zur Verfügung hat.

Anmerkung:
Nach dem Interview bat das SWB das „Bundesministerium für Landwirtschaft“ um eine Erklärung für den ausgebliebenen Effekt des Teil-Verbotes. Das BMEL antwortete: „Die Absatzmengen von Neonicotinoid-Wirkstoffen umfassen die in Deutschland abgegebene Menge aller Neonicotinoid-Wirkstoffe und damit mehr Wirkstoffe, als die auf EU-Ebene Verordnung (EU) Nr. 485/2013 verbotenen Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. In Deutschland sind zwar die Anwendungen als Saatgut-Behandlungsmittel bei bienen-attraktiven Kulturen und die Anwendungen im nicht-beruflichen Anwender-Bereich verboten und die Zulassungen entsprechend eingeschränkt, diese Anwendungsbereiche fallen mengenmäßig jedoch weit weniger ins Gewicht als z. B. Wirkstoffe in Spritz-Anwendungen.“